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Begriffliche Synonyme 1 page

Siegfreid Krahl Josef Kurz

Kleines Wörterbuch

Der Stilkunde

 

 

VEB Bibliographisches Institut Leipzig 1973


Vorwort

Beim Beschäftigen mit dem publizistischen und literarischen Wort in unserer Republik treten mehr und mehr Fragen des Stils in den Vordergrund. Noch fehlt jedoch eine umfassende Stiltheorie, die sowohl dem Schaffen als auch dem Untersuchen von Prosatexten dienen kann. Vielmehr machen Gestaltung wie Analyse solcher Texte immer wieder deutlich, daß die verwirrend vielfältige und zugleich unzulängliche Terminologie der Stilkunde dringend einer klärenden Bestandsaufnahme, gegenseitigen Zuordnung und Ergänzung bedarf, die auch die nicht-grammatisierten Elemente des Stils einbezieht.

Eine solche kritische Bestandsaufnahme und Übersicht er-strebt unser „Kleines Wörterbuch". Unter dem Gesichtspunkt einer notwendigen Klassifizierung versucht es, Termini auf die systemgerechte Bedeutung zurückzuführen; Termini, die mehrdeutig, jedoch nicht vermeidbar sind, werden nach ihren Einzelbedeutungen registriert. Wo Stilerscheinungen in ungenügender Art differenziert sind, haben wir schärfere Abgrenzungen ver-sucht oder bestehende Termini präzisiert; dabei fand neben modernen stiltheoretischen Erkenntnissen der Sprach- und Literaturwissenschaft auch das Erbe der antiken Lehre von der öffentlichen Rede Berücksichtigung. Für Sachverhalte, die bislang unbezeichnet oder in verschiedenartiger Weise urnschrieben sind, schlagen wir Bezeichnungen vor, die in der Praxis weiter auf ihre Zweckmäßigkeit zu prüfen sind.

Eben dieser Praxis soll auch unser ,,Kleines Wörterbuch" dienen. Es setzt ein Mindesmaß an grammatischen Kenntnissen voraus; grammatische Terrnini werden jedoch dort, wo entsprechende stilistische zu erläutern sind, unter stilistischem Gesichtspunkt erfaßt und definiert. Dabei versuchen wir hier wie dort an die Stelle weiterer abstrakter Erläuterungen das anschauliche Beispiel zu setzen, auch wenn wir uns der Gefahr allzu einseitiger Festlegung einer oft sehr nuancierten Stilerscheinung bewußt sind. Wir deuten deshalb das Beispiel als eine mögliche Realisierung, die anregen soll, analoge Formen zu erkennen. Aus dem gleichen Grund schienen uns für eine begriffliohe Abgrenzung zahlreiche Verweise notwendig.

 

Daß exakte Begriffsbestimmung in vielen Fällen — nicht nur bei mehrdeutig gebrauchten Bezeichnungen — schwierig ist, ergibt sich nicht zuletzt aus der zunehmenden Entwicklung der Stillehre, seit diese verstärkt in der Ausbildung angewandt wird. So haben wir in der vorliegenden Auflage auch einige Bestimmungen, großenteils aus eigener Überlegung, präzisiert.

Das „Kleine Wörterbuch der Stilkunde" hat mit seinem Erscheinen eine erfreuliche Resonanz gefunden und war in kurzer Zeit vergriffen. Entsprechend unserer Absicht, nicht nur zu registrieren, sondern auch weiterzuführen, dient es zugleich als Studien- und Arbeitsmaterial für Theorie und Praxis, für Lehrende und Studenten, für Publizisten und für interessierte Laien. Damit hat sich unsere Konzeption, ungeachtet möglicher anderer Sicht im einzelnen, bestätigt. Für kritische Hinweise im Sinne dieser Konzeption sind wir herzlich dankbar.



 

Siegfried Krahl Josef Kurz


Hinweise für die Benutzung

Die Anordnung der Stichwörter erfolgt streng alphabetisch.

Umlaut gilt als einfacher Laut. Zweiwortbegriffe, z. B. erlebte Rede, kontextuale Mittel, sind unter dem Anfangsbuchstaben des ersten Wortes eingeordnet.

Stichwörter sind durch Halbfettdruck hervorgehoben; synonyme Bezeichnungen folgen kursiv oder werden in besonderen Fällen in der Erläuterung genannt.

Halbfett gesetzte Ziffern registrieren die einzelnen Bedeutungen einer mehrdeutigen Bezeichnung, z. B. Rede: 1. ... — 2. ... — 3. ... - 4. ...

In Klammern gesetzte Ziffern untergliedern ein und dieselbe Erscheinung in verschiedene Erscheinungsformen, z. B. Synonyme: . . . (1) . . .; (2) . . .; (3) . . .

Frerndwörter sind mit näheren Angaben (m = Maskulinum, f = Femininum, n = Neutrum, pl = Plural) versehen, z. B. Epipher f. Ausgenommen sind Fremdwörter mit den geläufigen Endungen -ion, -ismus und -tät.

Ein ↑ verweist auf ein erläutertes Stichwort; „↑ auch" weist auf eine ähnliche oder parallele, „↑ aber" auf eine gegensätzliche Erscheinung; ,, ↑ unter" verweist auf ein Stichwort, unter dem die Bezeichnung zu finden ist.

 


absolute Synonyme ↑ unter Synonyme.

Absonderung: graphische oder intonatorische Trennung eines Satzteils, der Hervorhebung dienend. (1) Als Absonderung im engeren Sinne ist die Absonderung durch Komma (bzw. entsprechende Pause) zu bezeichnen: Er kämpfte, ohne Furcht. An einen abgesonderten Satzteil können weitere frei angehängt werden: [So] war ihm das Leben zerstört worden, im Betrieb und daheim, seine kleinen und großen Freuden, sein Wohlstand, seine Ehre, seine Nahrung, seine Luft (Seghers). (2) Eine weitergehende Form der Absonderung ist die auch als Isolierung bezeichnete ↑ satzmäßige Absonderung.

Eine Vorform der Absonderung ist die ↑ Ausklammerung.

Abstoßung ↑ unter Elision.

abstrahierte Rede: Hilfsbezeichnung für eine nichtwörtliche Form der ↑ Redewiedergabe, die die ↑ Perspektive (sichtbar in Modus und Personenbenennung) und weitgehend auch die Eigenart der ursprünglichen Rede beibehält. Sie ist das ↑ Exzerpt einer Äußerung oder die als Rede formulierte gemeinsame ↑ Aussage mehrerer Äußerungen, z. B. Die westdeutschen Gewerkschafter antworten: Der Kampf für unsere Rechte geht weiter.

Die Ausgliederung einer abstrahierten Rede ist nur in dokumentarischen Genres sinnvoll und durchgehend möglich; sie unterscheidet sich hier (bei schriftlicher Darstellung) von der ↑ direkten Rede durch fehlende Anführungszeichen. Sie bedarf deshalb entschiedener der ↑ Redekennzeichnung, vor allem beim Wiedereinsetzen des ↑ Autortextes; die Kennzeichnung erfolgt durch besondere graphische oder durch ↑ kontextuale Mittel. Abstrahierte Rede ist im Wortlaut fingiert, doch nicht fiktiv; sie dokumentiert nicht Rede, sondern Auffassung und Verhalten. Besondere Arten abstrahierter Rede sind ↑ Stichpunktwiedergabe und ↑ Schlagzeilenexzerpt.

Adapt[at]ion: Umgestaltung eines Werkes für die Bedingungen einer anderen künstlerischen oder künstlerisch-publizistischen Gattung oder eines anderen Mediums, z. B. Dramen-, Film-, Hörspielfassung eines Romans; ↑ Bearbeitung.
Akkumulation __________________________________ 10

Akkumulation: Häufung des Verschiedenen in Form der

↑ Detaillierung eines übergeordneten Begriffs, z. B. durch (koordi-

nierendes) Anreihen von Merkmalen (↑ veranschaulichende

Merkmalsfolge) oder durch (subordinierendes) Zuordnen von

Bestimmungen (↑ Zuordnungsfolge).

Der Akkumulation dienen ↑ Aufzählung, ↑ Epithetahäufung,

↑ Isokolon, ↑ Zuordnungshäufung; ↑ auch Amplifikation, Wieder-

holung.

Allegorie f: körperhaft vorgestellte Abstraktion eines Gedankens,

z. B. Taube als Abstraktion für den Gedanken ,Weltfrieden'.

Alliteration: ↑ Stabreim.

Alltagg[sprach]stil, Umgangs[sprach]stil: Sprachstil des tägli-

chen Umgangs, im Unterschied zum Stil amtlicher, publizisti-

scher, wissenechaftlicher, künstleriseher Mitteilungen. Der All-

tagg[sprach]stil ist je nach Bildungsstand und emotionalem Ein-

satz des Mitteilenden, nach Kommunikationsart (mündlich/

schriftlich), Mitteilungszweck und gedanklicher Qualität der

Aussage sehr verschieden. Grundlage des Alltags[sprach]stils ist

die aufgelockerte Haltung des Mitteilenden; ↑ Bereichsstil.

Allusion ↑ Anspielung.

Amplifikation: gedankliche Steigerung, im Dienst der künst-

lerischen oder publizistischen ↑ Aussageabsicht stehend. Zum

Beispiel kann der ↑ Kerngedanke amplifiziert, d. h. erweitert

und gesteigert werden durch ↑ wörtliche Wiederholung, ↑ syno-

nyme Wiederholung, ↑ tropische Wiederholung, argumentie-

rende Gedankenfolge (↑ Syllogismus), ↑ veranschaulichende

Merkmalsfolge.

Der Amplifikation dienen ↑ Akkumulation, ↑ Antithese, ↑ Auf-

zählung, ↑ Detaillierung, ↑ Periphrase, ↑ Synonymie, ↑ Ver-

gleich.

Amts[sprach]stil: Sprachstil amtlicher, offizieller Mitteilungen

und Übereinkünfte. Historisch wurzelt der Amts[sprach]stil im

↑ Kanzlei[sprach]stil, er folgt jedoch den gesellschaftlichen

Veränderungen, wenn auch die Funktion, offizielle Aussagen

sachbezogen, unpersönlich, unbewegt mitzuteilen, im allgemei-

nen geblieben ist. Einerseits strebt er nach Sprachökonomie

(↑ grammatische Einsparung, kontextuiale Einsparung), was

sich in der Verwendung bestimmter ↑ Formeln ausdrückt;

andererseits zielt er auch auf Spracheffizienz (↑ grammatische


Anapher

 

Verdeutlichung, kontextuale Verdeutlichung) und ↑ Präzision. In den Bereich des Amtsverkehrs sind z. B. Bezeichnungen aus dem Wortsehatz des Rechts eingeflossen, die in ihrer Kürze oft unersetzbar sind, z. B. paraphieren = ,den bisher vereinbarten Text oder Textteil eines internationalen Vertrags durch ab-gekürzten Namenszug beglaubigen'. Auch Beziehungswörter — wie die vielverspotteten nach Maßgabe, vermittels, zwecks — können nicht beliebig durch scheinbare ↑ Synonyme (wegen, mit, um zu) ersetzt werden. Sie zwingen, wie die notwendige Ent-individualisierung, zum begrifflichen. Formulieren. Amts[sprach]stil im positiven Sinne ist nicht überholt. Sichtbarer Ausdruck sprachlicher Präzision, kann er zugleich ein amtliches Dokument allein durch sprachliche Charakteristika deutlich von alltäglicher, negativ gesagt: banaler Darstellungsweise abgrenzen. So heißt es im Schlußteil der deutschen Fassung des Vertrags über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen: Zu Urkund dessen haben die Endesunterzeichneten . . .

Wollte man den Sinn dieser auf den ersten Blick als ↑ Archaismus wirkenden Formulierung genau wiedergeben, müßte es heißen: Um dies alles zu beurkunden, haben die, die am Schluß des Vertrages [Verträge solcher Art werden meist paraphiert] unterzeichnen (werden)... Andererseits artet der Amtssprachstil oft in aufwendige Darstellungsweise (↑ auch Schwulst) aus; dies und die Lösung vom ↑ mündlichen Stil sowie das sachbedingte Fehlen von Individualität und ↑ Emotionalität haben zu einer sehr pauschalen Abwertung dieses ↑ Bereichsstils geführt.

Anachronismus: zeitwidrig gebrauchter Ausdruck; bewußt an-gewandt, dient er der Satire: Rom erwache! (Weinert); ↑ Stil-färbung.

Anadiplose f: Sonderform der ↑ wörtlichen Wiederholung. Das letzte Wort einer syntaktischen Einheit wird als erstes sinn-tragendes Wort in der folgenden Einheit wieder aufgenommen, z. B.: Der Mensch lebt durch den Kopf / Der Kopf reicht ihm nicht aus (Brecht). ↑ auch Wiederholung.

Anakoluth ↑ Satzbruch.

Anapher f: Wiederkehr derselben Sprachform am Anfang mehrerer aufeinanderfolgender Satzteile, Sätze oder Absätze. Es kann unterschieden werden zwiachen (1) einer lexischen

 

anaphorisclie Anrede__________________________________12

Anapher, der Wiederholung desselben Ausdrucks, und (2) einer syntaktischen Anapher, der Wiederholung derselben syntak-tischen Struktur; diese ist eine Form des ↑ Isokolons (Beispiel s. dort).

Die Anapher verbindet thematisch sich ergänzende Aussagen einer Folge von argumentierenden Gedanken (↑ Syllogismus) oder veranschaulichenden Merkmalen (↑ veranschaulichende Merkmalsfolge); ↑ aber Epipher, ↑ auch Symploke.

anaphorische Anrede ↑ unter Anrede.

Anfangstellung: Stellung eines Satzgliedes am Anfang des Satzes. Bei ↑ Normalfolge der Satzglieder, im grammatischen Beispielsatz, bezieht das Subjekt Anfangstellung. Am Beginn eines Textes jedoch, der beispielsweise einen lokalen Sach-verhalt wiedergibt, hat die Lokalbestimmung normale Anfang-stellung (In der Sporthalle waren gestern kaum noch leere Plätze zu finden.); das Subjekt würde nur dann an den Anfang gestellt werden (Leere Plätze waren . . .), wenn es hervorzuheben ist. Im Textinnern bestimmt die normale Gedankenfolge die An-fangstellung (↑ Anschlußstellung). Nimmt ein Satzglied eine davon abweichende Anfangstellung ein, so spricht man von ↑ stilistischer Anfangstellung; ↑ indifferente Anfangstellung, ↑ auch stilistische Endstellung.

Angemessenheit: Übereinstimmung eines Ausdrucks (eines Wortes, einer Wortgruppe oder Aussage) mit der ↑ Aussage-absicht und der ↑ Stilebene des Textes.

Anrede: ausdrückliches Hinwenden an die Hörer, oft mit be-sonderer Lebhaftigkeit oder Feierlichkeit als Mittel des Nach-drucks: Proletarier aller Länder, vereinigt euch! Anredeformen, die in schlichterem Sinn einen Gedankenkomplex einleitend oder abschließend markieren, eine Gesprächssituation anklingen lassen, das Publikum in den Dialog einbeziehen, sind im Hörfunk und im Fernsehen gebräuchlich (Meine lieben Hörerinnen und Hörer!), weniger in der Presse (hier vorwiegend im Lokalteil). Die Anrede verliert ihre Wirkung, sobald sie stereotyp und in belanglosem ↑ Kontext gebraucht wird. ↑ auch rhetorischer Einwand.

Ein Sonderfall der Anrede ist die anaphorische Anrede, z. B. General, dein Tank ist ein starker Wagen / — / General, dein Bombenflugzeug ist stark (Brecht); ↑ auch Apostrophe.

 

Antiklimax

Anschaulichkeit:besondere Eigenschaft der Erkenntnisver-mittlung. Sie setzt Beziehungen zu Bekanntem voraus, indem Bestandteile des neu Vermittelten aus bereits Bekanntem her-leitbar sind oder Analogien zu bereits Bekanntem aufweisen oder indem in. den neuen Vermittlungszusammenhang Bekanntes übernommen wird. Sprachlich-stilistisch äußert sich Anschau-lichkeit sehr oft in ↑ Gegenständlichkeit und Metaphorik (↑ Me-tapher).

Anschlußstellung:durch die Gedankenabfolge im Text bedingte Stellung eines Satzgliedes am Anfang eines Satzes; sie kann von der als ↑ Normalfolge geltenden Stellung abweichen: Der Begriff Analyse diente ursprünglich zur Kennzeichnung einer geometrichen Beweismethode. In diesem Sinn wvrd er von Euklid verwendet. Die Anschlußstellung kann überspielt werden, indem ein nicht logisch erwartetes Glied aus Gründen des Nachdrucks in ↑ stilistische Anfangstellung gerückt wird.

Anspielung,Allusion: Methode, sich zur intellektuellen und emotionellen Unterstützung einer Aussage andeutungsweise, nur halb ausgesprochen auf etwas Bekanntes zu beziehen, das eine Analogie, einen Aufschluß enthält. Besonders häufig sind Anspielungen auf Personen, Ereignisse, Lebensweisen, Aus-sprüche, literarische Zeugnisse, Sprichwörter, Redewendungen. Der Umfang einer Anspielung reicht vom Einzelwort bis zu ganzen Satzfügungen, ist jedoch durch den Andeutungscharakter relativ begrenzt. Die besondere Wirkung der Anspielung besteht darin, daß das Publikum selbst etwas beizutragen hat, um ihren vollen Sinn zu erschließen. Gesteigerte Wirkung tritt durch überraschende Beziehungen ein. Voraussetzung ist, daß die Anspielung vom Publikum verstanden werden kann: Uhren aller Länder, vereinigt euch! (Kisch). Im Künstlerisch-Literarischen kann die Anspielung andeutender Vorbereitung einer späteren Handlungs- oder Gedankenentfaltung dienen. — Die im Andeutungscharakter der Anspielung enthaltene Möglichkeit absichtlicher Unschärfe und Verschwommenheit der Aussage wird in demagogischer Absicht ausgenützt.

Antiklimaxf: Aufzählung in fallender Linie bei Voraussetzung einer bestimmten Betrachtungsrichtung. Bei Annahme einer

 

 

Antithese___________________________ _______14

 

anderen Betrachtungsrichtung ergibt sich eine ↑ Klimax, die Aufzählung in steigender Linie. Der Satz Im alten Rom haben wir Patrizier, Ritter, Plebejer, Sklaven z. B. ist eine Antiklimax bei Betrachtung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse; er ist eine Klimax, wenn man die zahlenmäßige Stärke dieser Gesellschaftsschichten betrachtet.

Antithesef: Ordnungsprinzip der gedanklichen Reihung, das zwei, mitunter auch mehr gegensätzliche Aussageeinheiten, die auf gleicher logiscner Ebene liegen, gegenüberstellt. Die Antithese erzeugt Klarheit der Gedankenführung und ↑ Aussage. Ihre vielgestaltigen Erscheinungen reichen von der knappen antithetischen ↑ Zwillingsformel (nah und fern) bis zur kompositorischen Gegenüberstellung ganzer Textabschnitte. Im Kommunistischen Manifest z. B. ist das erste Kapitel in größeren und kleineren Antithesen adäquat zur thematischen Antithese Bourgeois und Proletarier komponiert. Der gegensätzliche Begriffsinhalt der Antithese wird — abgesehen vom größeren Kontext – entweder von dieser allein (Unterdrücker und Unterdrückte) oder zusätzlich durch ↑ Akkumulation und ↑ Synonymie ausgedrückt: Sie führten einen ununterbrochenen, bald versteckten, bald offenen Kampf, einen Kampf, der ...

Die Leichtigkeit, mit der im Kontext polare Paare geschaffen werden können, begünstigt der Mißbrauch antithetischer Ordnung. Wird die Übereinstimmung mit dem Leben vernachlässigt, so verselbständigt sich die Form und verführt zu formalen Spielereien oder zu Denkfehlern (z. B falsches während oder jedoch statt und) oder sogar zu undialektischer, simplifizierender Schwarz-Weiß-Darstellung. Falsche Antithesen sind aber vor allem eine Hauptmethode aller Demagogie, häufig in der Form, daß Begriffe verschiedener logischer Ebenen als falsche Alternative antithetisch gereiht werden: Demokratie statt Diktatur des Proletariats. Hier bilden der Oberbegriff Demokratie und der Unterbegriff Diktatur des Proletariats eine falsche Antithese, wobei hinzukommt, daß der Unterbegriff Diktatur des Proletariats historisch die höchste Ausprägung des Oberbegriffs Demokratie ist. Auch Scheinbeweise werden mit Vorliebe auf falschen Antithesen aufgebaut: Du kannst Gott lieben oder ihn hassen. Was du auch tust, du erkennst ihn an.

 

Ars bene dicend

 

Abgesehen davon, daß hier ein Zirkelbeweis vorliegt, da der

Schluß anerkennen selbst Prämisse der Prämissen lieben und

hassen ist (↑ Syllogismus), unterschlägt der gesamte Gedanken-

gang die Möglichkeit der Nichtanerkennung. Volle Berechtigung

haben schiefe Antithesen als humoristische oder satirische

Formen: Hitler und Goeihe stehen in einem gewissen Gegensatz.

Während Goethe sich mehr einer schriftstellerischen Arbeit hin-

gab, aber in den Freiheitskriegen im Gegensatz zu Theodor Körner

versagte, hat Hitler uns gelehrt, was es heißt, Schriftsteller und zu-

gleich Führer einer Millionenpartei zu sein (Tucholsky).

Die Antithese kann durch ↑ Kreuzstellung ihrer Glieder rhyth-

misch und in ihrem Überraschungseffekt verstärkt werden. Eine

Sonderform der Antithese ist das ↑ Oxymoron; ↑auch Tertium

comparationis.

Antonyme n pl: Wörter oder Wortfügungen mit entgegen-

gesetzter Bedeutung (einfach / schwer). Sie können Aussagen

antithetischen Charakters präzisieren: [Der Kommunismus] ist

das Einfache, / das schwer zu machen ist (Brecht); ↑ aber Synonyme, Dubletten.

Aphorismus: Gedankensplitter, geistreicher Sinnspruch. Der

Aphorismus bedient sich als ausgesprochen persönliche Aussage

prägnanter und provozierender Sprachformen, u. a. des ↑ Para-

doxons. Zum Beispiel: Bekenne Farbe, Chamäleon!

Apodosis ↑ unter Komposition.

Apokope ↑ unter Elision.

Aposiopese ↑ Gedankenabbruch.

Apostrophe f: ausdrückliches Wegwenden von den Zuhörern und Hinwenden an eine nicht anwesende Person, an eine Natur-erscheinung (Berge! Täler!), an einen Affekt (Freude!), an einen

Begriff (Freiheit!) u. ä.; ↑ Anrede.

Archaismus: altertümlicher Ausdruck, kann der Zeichnung

historischen Kolorits (Aeroplan) und der Charakterisierung von

Reaktionärem (Ostlandritter) dienen; ↑ Neologismus, Stil-färbung.

Argotismus: grober, vulgärer, zotiger Ausdruck; ↑ Stil-

färbung.

argumentierende Gedankenfolge↑ Syllogismus.

Ars bene dicendi↑ unter Rhetorik.

 

 

äsopischer Stil________________________ _______16

 

äsopischer Stil (nach dem griechischen Fabeldichter Äsop): Darstellung in umschreibenden Formen, z. B. in ↑ Periphrase oder ↑ Euphemismus, in verhüllenden und vieldeutigen Worten; Gebrauch von Anspielungen (↑ Anspielung) bei Einflechten einzelner ↑ Schlagworte und Phrasen, mit dem Ziel der Kritik oder Verurteilung.

assoziative Gedankenfolge: Verbindung von Gedanken, die da-
durch ausgelöst wird, daß beim Bewußtwerden des einen Ge-
dankens zwangsläuflg andere Gedanken infolge von Ähnlichkeit,
Gegensatz, zeitlichem oder räumlichem Angrenzen ebenfalls
bewußt werden. In assoziativer Gedankenfolge sind z. B. der
Roman „Komm tanzen, Violine" von A. Stil und das Werk
„Sprung ins Riesenrad" von H. Weber aufgebaut. ,
ästhetische Stilisierung, literarische Stilisierung: literarisch-
ästhetische Formung einer ↑ Aussage; Ausfeilung in bezug auf
Wortwahl, Klangfarbe, Rhythmus, Anschauung; Formulierung
einer Aussage in nicht alltäglicher, nicht abgenutzter, in ein-
drücklicher Weise, als sinnfälliges ↑ Sprachbild; Abstimmung
einer beabsichtigten Aussage auf den Gesamttext und sein
Kolorit; bewußte stilistische Durchformung. Beispiel: Un-
literarisch: . . . das Tor wird endlich geöffnet. Ich freue mich über
die frische Luft. Doch die anderen stört die hereinströmende Kälte.
Literarisch: . . . das Tor öffnet sich. Endlich, denke ich, und atme
der Luft entgegen. Die anderen aber ducken sich vor dem ersten
Hieb der Kälte
(Kisch); ↑ Stilisierung, sprachliche Aussage
und formal-logische Aussage.

Asyndeton ↑ unverbundene Aufzählung.

Attributhäufung: grammatische Unterordnung größerer Be-griffskomplexe unter ein Substantiv. Attributhäufung ist ein wesentliches Kennzeichen des ↑ Nominalstils; sie äußert sich stilistisch als ↑ Epithetahäufung und als ↑ Zuordnungshäufung.

Attributkette ↑ Zuordnungsfolge.

Aufhänger: Bezeichnung für eine publizistische Einleitung, die nicht oder nicht direkt die ↑ Hauptaussage betrifft, jedoch in ihrer Originalität das Interesse wachruft. Als Aufhänger dienen ↑ Anspielung, Begebenheit, ↑ Detail, ↑ Vergleich, ↑ Zitat. Aufzählung: Anordnungsprinzip, das Wörter, Wendungen, Sätze oder noch größere Sinneinheiten nach einer der jeweiligen

 

 

Ausklammerung

 

↑ Aussageabsicht angemessenen Reihenfolge und sprachlichen Verknüpfung häuft. Die Aufzählglieder haben eine logische Ebene, sofern keine satirische oder scherzhafte Absicht vorliegt. Sie vermitteln einen Gesamteindruck des Ganzen, dessen Teile sie sind. Aufzählungen können steigend (↑ Klimax) oder fallend (↑ Antiklimax), verbunden (↑ verbundene Aufzählung), unverbunden (↑ unverbundene Aufzählung) oder schließend (↑ schließende Aufzählung) sein.

Die Aufzählung ist eine Form der ↑ Akkumulation. Besondere Formen sind: (1) die Aufzählung mit einem eröffnenden Gat-tangswort (die Opfer — Greise, Frauen, Kinder); (2) die Auf-zählung mit schließendem Gattungswort (Ein Handlungsgehilfe, ein Banktechniker, ein Dreher, ein Schlosser — Arbeiter, Arbeiter — Iauter Arbeiter [R. Luxemburg]); (3) die Aufzählung rrrit wachsender Silbenzahl (Was die Novelle „Tristan" erkennen läßt, ist die feine, intime, ironisch gebrochene, aber humoristiach exakte Erzählkunst des jungen Thomas Mann [Rilla] ; ↑ wachsende Glieder); (4) die Aufzählung mit fallender Silbenzahl (Wir sind wirklichkeitsbesessen, zeittrunken [Becher]). ↑ Amplifikation. auktoriale Erzählsituation ↑ unter Erzählsituation.

Ausdruck:1. im kommunikationstechnischen Sinne die sprach- liche Erscheinung eines Begriffs, einer Begriffsverbindung, einer Assoziation, eines Gedankens. Das Verhältnis der Ausdrucks-menge und der zugrunde liegenden Denkeinheit („Sinnesdaten-einheit") ist in gewissem Maße quantifizierbar. Von Gedanken-verbindungen, die durch den ↑ Kontext ausgelöst werden, ab-gesehen, beträgt das Verhältnis optimal 1, meist ist es > 1; Einsparung an Ausdruck ist ↑ grammatische Einsparung oder ↑ kontextuale Einsparung. — 2. bei Textgestaltung und -analyse zusammenfassende Bezeichnung für Wort und Wortgruppe. — 3. auf sprachästhetische Potenzen bezogen die Fähigkeit, Sprachformen dem Inhalt und der Absicht einer Mitteilung an-gemessen und ästhetiseh einwandfrei zu verwenden. Ausdruckswert ↑ Expressivität.

Ausklammerung: Ausschluß aus der syntaktischen Klammer, die ein Substantiv oder ein Verb mit anderen Wörtern bildet (↑ Klammerung). Die Klammerung, z. B. in dem Satz Die Konzeption des Romans ist in sehr vielen Äußerungen, die lange vor der Niederschrift entstanden sind, enthalten, kann partiell

2 Stilkunde


Aussage ________________________ _______18

( ... ist in sehr vielen Äußerungen enthalten, die ...) oder voll- ständig (. . . ist enthalten in sehr vielen Äußerungen, die . . .) durchbrochen werden. Zu unterscheiden ist die übliche (gram matikalisierte) und die ↑ stilistische Ausklammerung; die Über gänge aind fließend. (1) Als bereits grammatikalisiert gilt die Ausklammerung von (längeren) Relativsätzen (s. Beispiel); vor Teilen der Infinitivgruppen (Experten sind aufgefordert, ihre Meinung dazu zu sagen.); von Vergleichsteilen (Ich würde ihn höher halten als meine eigenen Söhne [A. Seghers]). Die Aus- klammerung präpositionaler Objekte bewirkt bereits eine ge- wisse Hervorhebung: Wir sind überzeugt von der Macht der Literatur (Becher). Eingeschlossen bleiben dabei Objekte (Rita hatte nun endgültig Abschied genommen vom Elternhaus) sowie graduelle Bestimmungen (Auch nach Luthers Auftreten war man noch ziemlich weit entfernt von einer durchweg herrschenden Gemeinsprache [Behaghel]) und Negationen des Prädikats, (2) Zur stilistischen Ausklammerung führt der Ausschluß von Objekten zu Passivfügungen: [Die Expressionisten] waren nicht mehr unterworfen den Ideen, Nöten und persönlichen Tragödien bürgerlichen und ka/pitalistischen Denkens (Edschmid).


Date: 2016-01-03; view: 730


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