X Österreich: Die Bundesländer

In der politischen Landschaft Österreichs hat der Föderalismus sein konservatives Gewand bisher beibehalten. Die ÖVP stellt zumeist den Hauptteil der Landeshauptleute und die überwiegende Anzahl der Bürgermeister. Dies bedeutet, dass Österreich eine eigenständige, „bürgerliche“ Landespolitik forciert. Die Länder sind bereits über lange Zeit hinweg eigenständige Einheiten, nicht zuletzt, weil sie sich seit der mittelalterlichen Territorialgeschichte in die natürlichen Großlandschaften (Donauraum, Alpen) eingefügt haben.

Vorarlberg

„Vorarlberg ist ein selbständiges Land des Bundesstaates Österreich.“ So steht es in der Landesverfassung von Vorarlberg. Es nimmt in vieler Hinsicht eine Sonderstellung ein, gehört zum alemannischen (Erklärung: deutsche Mundart, die in Baden-Württemberg, in der Schweiz, im Elsass und in Vorarlberg gesprochen wird) Sprachraum, ist vom übrigen Österreich verkehrsgeografisch abgeschieden – so verbinden es 13 Straßen mit den Nachbarländern aber nur drei mit Österreich; manchmal ist das „Ländle“ aufgrund der extremen Witterungslage im Winter vom „Rest“ Österreichs abgeschnitten – und erhielt praktisch alle politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Impulse von seinen westlichen Nachbarn. Dass Vorarlberg „Vor“Arlberg und nicht „Hinter“Arlberg heißt, hängt damit zusammen, dass die Habsburger auch Sitze in Freiburg und der Schweiz hatten.

Das „Ländle“, wie Vorarlberg gerne genannt wird, hat eine lange demokratische Tradition. Die Menschen sind dort wenig autoritätsgläubig und gegenüber der Zentralgewalt in Wien misstrauisch. Als zum Beispiel die Österreichischen Bundesbahnen 1964 ein Bodensee-Schiff auf den Namen „Karl Renner“ (Bundespräsident 1945 – 1955) taufen wollten, zogen 20 000 Demonstranten zur Schiffswerft und tauften das Schiff kurzerhand auf den Namen „Vorarlberg“. Sparsamkeit, Tüchtigkeit und das Streben nach Eigentum gelten als alemannische Tugenden, in vielen Bereichen gibt es charakterliche Unterschiede zu den anderen Österreichern. Kritiker sprechen andererseits von einem „geistigen Provinzialismus“, der im Land herrsche, was u. a. auf das Fehlen einer Universität zurückzuführen sei.

Der eigentliche Lebensraum in Vorarlberg ist das Rheintal – dem Rhein, nicht der Donau, wie im Rest von Österreich, streben übrigens auch alle Flüsse zu – in dem zwei Drittel der Bevölkerung wohnen. Vorarlberg gehört zu den Regionen mit der höchsten Pro-Kopf-Wirtschaftskraft und ist auch Spitzenreiter bei den Einkommen. Mit seiner Stickerei- und Strickwarenindustrie ist Vorarlberg zwar ein wichtiges Textilland, aus dem rund ein Drittel der österreichischen Textilproduktion stammt, doch ist die Textilindustrie insgesamt veraltet. Von Bedeutung sind auch die Elektro-, Metall-, Maschinen- und Lebensmittelindustrie. Sessellifte, Schmelzkäse und Schokolade gehören zu den wichtigsten Exportartikeln. Eine wichtige Rolle spielt die Wasserwirtschaft.

Viele VorarlbergerInnen arbeiten wegen der höheren Löhne in den Nachbarstaa

03+ten Schweiz und Lichtenstein. Diese Pendler bringen zwar relativ viel Geld nach Hause, jedoch hat das „Grenzgängertum“ wegen der niedrigeren Preise in der Schweiz und in Deutschland zu einer Abwanderung der Kaufkraft geführt. In der Vorarlberger Industrie arbeiten auch relativ viele Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien und aus der Türkei – insgesamt sind es etwa 31 000. Eine anhaltende Zuwanderung wird erwartet.

Ein bedeutender Wirtschaftszweig ist der Tourismus. Als eines der schneereichsten Gebiete der Ostalpen ist das Land am Bodensee eine „Wiege“ des alpinen Schilaufs. Wintersport und ein hohes Umweltbewusstsein sind dort keine Gegensätze. Sogar der Einsatz von Schneekanonen ist streng limitiert, obwohl ausgerechnet eine Vorarlberger Firma (Anmerkung: SUFAG) weltweit zu den größten Produzenten von Schneekanonen zählt.

Die Vorarlberger Kulturszene hat sich in den vergangenen Jahren beachtlich entwickelt. Zu den überregionalen Kulturveranstaltungen Vorarlbergs gehören neben der „Schubertiade“ in Feldkirch vor allem die Bregenzer Festspiele mit ihrer Freilichtbühne im Bodensee, auf der im Sommer Opern aufgeführt werden.

Date: 2016-01-03; view: 699