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Neologismen und Archaismen

Natürlich nehmen die neu entstandenen Wörter, die Neubenennungen nicht die gleiche Stellung im Wortschatz ein wie die bereits vorhandenen, denn es werden nicht alle Wörter usualisiert, d.h. von der gesamten Sprachgemeinschaft gebraucht. Manche bleiben nur Gelegenheitsbildungen (Okkasionalismen, auch Einmalbildungen, Ad-hoc-Bildungen vgl. Kap. 2.4).

Ein Neologismus ist eine lexikalische Einheit bzw. eine Bedeutung, die in einem bestimmten Abschnitt der Sprachentwicklung in einer Kommunikationsgemeinschaft aufkommt, sich ausbreitet, als sprachliche Norm allgemein akzeptiert und in diesem Entwicklungsabschnitt von der Mehrheit der Sprachbenutzer über eine gewisse Zeit hin als neu empfunden wird. (Herberg 2001:92).

Wird so ein neu entstandenes Wort usualisiert (bekannt und gebraucht) und verliert es dadurch seinen Neuheitscharakter, ist es kein Neologismus mehr. Bemerkenswert ist, dass ein hoher Anteil der Neologismen (ca. 40%) aus dem Angloamerikanischen kommt, daher werden sie auch oft als Anglizismen- Neologismen bezeichnet: Carsharing, Event, Pay-Sender, Bungeeseil, Callcenter, Direktbanking, Energydrink, Globalplayer, Outsourcing, etc.

Die wichtigsten Abgrenzungskriterien der Neologismen gegenüber anderer lexikalischen Innovationen sind ihre allgemeine Verwendung und Verbreitung, ihre Lexikalisierung und ihre Integration.

Beim Kennenlernen und Erlernen der Neologismen ist auf ihre Schreibung und Aussprache, ihre Bedeutung und Verwendung (grammatische Einbettung) zu achten. Weniger wichtig sind für uns im Sprachgebrauch die Informationen über ihren geschichtlichen Hintergrund (vgl. Herberg/Steffens/Tellenbach 2005).

Veraltete Wörterkönnen Historismensein, die Denotate (vgl. Kap. 3) bezeichnen, die es nicht mehr gibt, höchstens in historischen Überlieferungen oder Museen. Es geht jedoch um Wortschatzelemente, die heute für die im Deutschen beflissenen Sprachbenutzer noch bekannt, aber durch den seltenen Gebrauch an die Peripherie des Wortschatzes getreten sind. Beispiele: Christmonat (Dezember), Magd, Brückenzoll, Minne, Pedell, Leibeigener usw. sind Wörter, mit denen wir in bestimmten Kontexten über die nicht mehr existierenden Denotate sprechen.

Bei den Archaismenhandelt es sich um Wörter, für deren Denotate neue Bezeichnungen existieren. Das heißt, das Denotat existiert nach wie vor, wird aber anders benannt und die ursprüngliche Bezeichnung gilt im Sprachgebrauch als ‚veraltet’ und wird in den meisten Fällen auch so in den Wörterbüchern gekennzeichnet. So wird heute statt Laib einfach nur Brot gesagt, statt Knabe – Junge, statt Oheim Onkel, statt Gemach hat sich das Wort Zimmer oder Wohnraum eingebürgert. Einige weitere Beispiele, die fremden Ursprungs waren, sind: Bagage – Gepäck, Barbier – Herrenfriseur, Tableau – Gemälde, Perron – Bahnsteig, Visite (noch erhalten in: Visitenkarte) – Besuch, Leu – Löwe, Pedell – Hausmeister (einer Schule/Hochschule).



Auch regionale Besonderheiten sind hier auffällig: So gilt das Wort Gendarm, das heute noch in Österreich zum Grundwortschatz gehört, in Deutschland schon als veraltet für ‚Polizist auf dem Lande’. Billett, Perron, retour (zurück) sind heute noch alltäglich gebrauchte Wörter in der Schweiz.

Grundsätzlich kann die Struktur des Wortschatzes in einem Zentrum – Peripherie - Modell veranschaulicht werden, in dem der Kernbereich einen stabilen Teil darstellt und an der Peripherie der beweglichere, schneller veränderliche Teil des Wortschatzes angesiedelt ist, in dem sich die dynamischen Prozesse (Veränderungen in einzelnen Teilbereichen des Wortschatzes, Veraltung von Wörtern, das Entstehen von neuen Wörtern, das Absterben von alten Wörtern) abspielen.

Synonymie

Synonymesind lexikalische Einheiten, „die sich formal unterscheiden, aber ähnliche oder gleiche Bedeutung haben und deshalb im Kern der Bedeutung übereinstimmen”(Schippan 1992: 206).

Totale und partielle SynonymieEine vollständige, 100%ige Bedeutungsidentität liegt kaum vor, also eine sog. totale, absoluteoder reine Synonymieist unwahrscheinlich, weil sich eine Sprachgemeinschaft

niemals verschiedene Formen mit übereinstimmenden Bedeutungen leisten würde. Im Falle einer totalen Synonymie müssten sich alle möglichen Bedeutungsaspekte (denotative und konnotative) der lexikalischen Einheiten decken. Diese Bedingung ist aber fast nie erfüllt. Als Beispiele für die totale Synonymie kommen Wortpaare des Typs Sonnabend – Samstag oder Cousin – Vetter, Tischler –Schreiner, Semmel – Brötchen, Johannisbeere – Ribisel, Schlagsahne – Schlagobers, Aprikosen – Marillen in Frage (vgl. Löbner 2003: 117). Solche Wörter, die in einer Sprache 159 jeweils in unterschiedlichen Dialekten beheimatet sind, werden in der Linguistik auch als Heteronymeoder territoriale Dublettenbezeichnet. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass alle Heteronyme automatisch Synonyme sind, weil sie doch über unterschiedliche Konnotationen (süddt. vs. nordt.) verfügen und gerade von der geographischen

Bedingtheit her nie in ein und demselben Kontext auftreten können. Heteronyme können aber zu Synonymen werden, wenn sie außerhalb der Dialekte auch in der Standardsprache gleichwertig verwendet werden, z.B. das erwähnte Lexempaar Samstag – Sonnabend. Als triviale Fälle für totale Synonymie können auch die Abkürzungen gelten, z.B. LKW – Lastkraftwagen, BH – Büstenhalter oder auch Lexempaare aus Kurzwort + Langform, z.B. Bus – Omnibus, U-Bahn – Untergrundbahn,

Trafo – Transformator. Überhaupt kommt es nur selten vor, dass zwei totale oder absolute Synonyme

längere Zeit nebeneinander gebraucht werden. Meistens wird das eine Synonym seine Bedeutung verändern oder es verschwindet aus dem Sprachgebrauch. Das Wort Auto existierte lange neben den Synonymen Wagen oder Kraftwagen, wobei Auto heute am meisten verwendet wird, während Kraftwagen immer mehr archaisch klingt.

Typisch sind eher Fälle für eine sog. partielle Synonymie.Eine partielle Synonymie meint eine Bedeutungsgleichheit, d.h. eine Übereinstimmung im Kern der Bedeutung. Wenn also die synonymen Wörter das gleiche Denotat benennen, sich nur durch periphere denotative oder konnotative Bedeutungsmerkmale oder durch beides unterscheiden, spricht man von Sinnverwandtschaft. Zwischen erhalten und kriegen gibt es einen begrifflichen Unterschied, d.h. einen Unterschied denotativer Art, der sich in dem nicht übereinstimmenden syntagmatischen Potenzial beider Verben äußert. Bezeichnungen von Krankheiten können nur mit bekommen kombiniert werden, nicht aber mit erhalten, z.B.:

Er bekommt Zahnschmerzen/die Grippe nicht aber *Er erhält Zahnschmerzen/ die Grippe. Ähnliches gilt auch in Bezug auf das Lexempaar Ferien – Urlaub. Man kann nur von Semesterferien, Schulferien nicht aber vom *Semesterurlaub/Schulurlaub sprechen, weil Urlaub Menschen haben können, die unter einem Arbeitsvertrag stehen. In diesem Sinne können Schüler/Innen, Student/Innen oder auch Pensionäre keinen Urlaub, nur Ferien haben (Lutzeier 1995: 62 ff.). Diese Art der Synonymie wird begriffliche (oder ideographische) Synonymiegenannt.

Zwischen den Lexemen Hand – Pfote – Flosse oder entwenden – stehlen bestehen Unterschiede konnotativer Art. Dabei geht es um Differenzen in dem stilistischen Wert, d.h. hinsichtlich der Stilfärbung und Stilschicht. Diese Art der Synonymie nennen wir stilistische Synonymie. Eine Grundvoraussetzung der Synonymie bleibt aber immer die Denotatsgleichheit, also die Verwendung zweier Ausdrücke für dieselbe Kategorie von Referenten.

Synonymie und Referenzidentität

Die Benennung des gleichen Denotats durch Lexeme mit unterschiedlichem Formativ wird auch Referenzidentität genannt. Die Referenzidentität darf jedoch nicht mit der Synonymie gleichgesetzt werden. Goethe und der Verfasser des Werther beziehen sich zwar auf die gleiche Person, haben aber verschiedene Bedeutungen. Man kann ja auf denselben Gegenstand oder Sachverhalt mit sehr unterschiedlichen Ausdrücken hinweisen, z.B. auf einen Hund mit Waldi, Hund, Tier, Mistvieh usw. Solche Lexeme sind dann zwar referenzidentisch aber nicht synonym. Den Unterschied zwischen

Referenzidentität und Synonymie illustrieren die verhüllenden Ersatzausdrücke, die sog. Euphemismen sehr gut.

Lexempaare, wie sterben – von uns gehen, lahm – gehbehindert, Kriegsminister Verteidigungsminister bezeichnen dasselbe auf andere Weise (mehr zu den Euphemismen vgl. Kap. 4).

Polyseme Wörter liefern einen überzeugenden Beweis dafür, dass Synonymie nicht zwischen den Lexemen im Allgemeinen besteht, sondern sie richtet sich nach den Bedeutungen des polysemen Wortes, z.B. frommer Mensch – gläubiger, religiöser Mensch, aber frommes Pferd – gehorsames, nicht tückisches Pferd.


Date: 2015-12-24; view: 2079


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