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I. Einleitung.

 

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Es ist von jeher meine Art gewesen, vor dem Teufel nicht zu fliehen, sondern stehen zu bleiben, furchtlos in seine Augen zu blicken und mit dem Zeigefinger die Spitzen seiner Hörner zu befühlen; auch konnte ich mir nie versagen, wenn der feurige Geselle meinen Weg kreuzte, seinen Mantel zurückzuschlagen und mir den Pferdefuß recht genau zu betrachten.

Und immer habe ich gefunden, daß der sogenannte »Feind« lange nicht so roth ist, wie ihn mit erhitzter Phantasie die christlichen Maler dargestellt haben. Von den Beschreibungen der zelotischen Pharisäer will ich gar nicht reden.

Und nicht nur Dieses: manchmal sogar hat er mein Herz gerührt. Da wollte es mir scheinen, als ob er weder einen Pferdefuß, noch Hörner habe, sondern ein schöner Jüngling sei, der große melancholische Augen habe und mit dem Finger in weite blaue Fernen mit goldenem Schimmer deute.

 

Round he throws his baleful eyes,

That whitness’d huge affliction and dismay

Mix’d with obdurate pride and steadfast hate.

Milton.

 

(Ach! welche trauervollen Augen!

Ein Zeugniß tiefen Wehs und großen Schmerzes

Gemischt mit hartem Stolz und festem Haß.)

 

Zuweilen redete ich ihn an und er hatte stets die Herablassung mir zu antworten. Ja, er weihte mich einmal in ein tiefes Geheimniß der Zukunft ein, das ich jedoch nicht verrathen darf, wie ich ihm »bei Gott« schwören mußte. Man hüte sich zu glauben, |

ii278 daß Gott ihm gram sei; ich erinnere zur Bekräftigung meiner Worte nicht nur an das Vorspiel des Goethe’schen Faust – (die Dichter sind bekanntlich stets willkommene Gäste im Himmel und wissen ganz genau, was in den dewa-lokas vorgeht) – sondern auch an das Buch Hiob, das bekanntlich nicht zu den Apokryphen gehört, und wo zu lesen ist:

Es begab sich aber auf einen Tag, da die Kinder Gottes kamen und vor den Herrn traten, kam der Satan auch unter ihnen.

Der Herr aber sprach zu dem Satan: Wo kommst du her? Satan antwortete dem Herrn und sprach: Ich habe das Land umher durchzogen.

(Cap. 1, 6. 7.)

Ich frage: Ist das nicht ein gemüthlicher Verkehr? Warum sollte auch Jehovah dem Satan zürnen, der ihm die Freude verschafft, reuige Sünder beten zu sehen? Wie langweilig müßte für Jehovah die Welt sein, wenn die Menschen Engel wären! Hat er sich doch die Welt geschaffen und dem Satan erlaubt, sich in Gestalt einer Schlange hineinzuschleichen, damit er aus dem ewigen Einerlei seiner dewa-lokas manchmal hinabblicken und eine kühne, verwegene, trotzige Handlung sehen könne, die für ihn immer hoch interessant ist.

Als ich gar, von Kant und Schopenhauer eingeführt, in die Gemeinschaft der Philosophen aufgenommen worden war, wurde ich erst recht zuversichtlich. Schopenhauer hatte mir auf die Schulter geklopft und mit seinem feinen malitiösen Lächeln gesagt:



Nur von heute an Nichts mehr auf dem Herzen behalten. Immer aussprechen, was das Herz drückt. Du hast zur Fahne der Wahrheit geschworen: »nun ist, wo es ihren Dienst gilt, jede andere Rücksicht, auf was immer es auch sei, schmählicher Verrath.«

Diese Worte sind in mein Blut übergegangen.

Was bedeuten die zwei Gespenster: Communismus und freie Liebe? Sind es wirklich Spukgestalten, Erscheinungen einer Laterna magica, welche »Satan« in das geöffnete Thor der Hölle gestellt hat, um den höheren Kasten der Gesellschaft einen heilsamen Schreck einzujagen? Oder besser: hat der Herr den Satan beauftragt, die magische Laterne aufzustellen, damit die im Sinnentaumel rasenden Reichen einigermaßen zur Besinnung kommen und in ihre Brust |

ii279 blicken? Sind es Trugbilder ohne Wesen oder sind es nur die Schatten, welche die herbeieilende Zukunft in die Gegenwart wirft?

»Muth!« rufe ich. Wir wollen einmal beherzt dem äffenden Schein auf den Leib rücken und vor Allem untersuchen, ob wir Gespenster oder Schatten idealer Punkte vor uns haben; dann – ist Letzteres der Fall – wollen wir sehen, ob diese idealen Punkte, wenn sie real werden würden, wirklich das Unheil anrichten könnten, welches ängstliche Gemüther prophezeien.

Und seht, wir haben schon einen guten Lohn für unseren Muth in der Hand: es sind wirklich keine Gespenster, sondern die Schatten idealer Punkte, welche näher rücken; denn in den Schatten steht eine große Partei, welche die Ideale realisiren will.

Wir haben also lediglich den Inhalt der Punkte zu prüfen, d.h. die Veränderungen zu betrachten, welche dieser Inhalt im Leben herbeiführen würde, und dann abzuwägen, ob diese Veränderungen gut oder schlecht sein werden.

Werden wir uns zunächst über drei Vorfragen klar:

1) Was ist Eigenthum?

2) Ist der reine Communismus die vollständige Aufhebung des Eigenthums?

3) Ist das Institut der freien Liebe die vollständige Vernichtung der Ehe?

Eigenthum ist, ganz allgemein definirt: der garantirte Besitz verkörperter Thätigkeit, verkörperter Arbeit.

Aus dieser Definition fließt nun von selbst, daß es zweierlei Eigenthum giebt:

1) die Produkte vergangener Arbeit, welche sich erhalten haben: vorgethane Arbeit, Kapital;

2) die individuelle Kraft, die producirt: lebendige Arbeit, Arbeitsquelle.

Es ergiebt sich ferner schon hieraus, daß die zweite Frage, welche ich gleichsam unter dem Diktat der öffentlichen Meinung schrieb, ganz unsinnig ist. Wir müssen also Privat- Eigenthum für Eigenthum schlechthin setzen und darunter vorläufig nur die aufgehäufte Arbeit (Kapital) verstehen.

Die beiden letzteren Fragen sind außerordentlich wichtig; denn wir stehen vor zwei sogenannten Grundpfeilern des Staates. Es giebt |

ii280 edle Doctrinäre aus der alten Schule der Staatsmänner, welche mit dem besten Gewissen und mit aufgehobenen Armen des Entsetzens wie Nornen ausrufen: Ohne das Institut der Ehe ist kein Staat möglich; und andere ebenso gute rechtschaffene Leute rufen: Ohne Privat- Eigenthum keine bewegende Kraft im Menschen, sondern Gleichgültigkeit und Erschlaffung. Verbinden wir die beiden Sätze, so entwirft sich uns folgendes Bild:

Ohne die Ehe kein Staat überhaupt.

Mit der Ehe, aber ohne individuelles Eigenthum, ein stockendes Leben im Staate, eine gelähmte Bewegung, wie die eines siechen, stumpfen Greises.

Wer kann dieses Bild wollen? Der Staat ist heilig und jeder Edle muß sich ihm mit heißem Blut und mit unerschütterlicher Treue bis zum Tode weihen; ferner ist ein frisches, freies, raschpulsirendes Leben im Staate eine Vorstellung, welche das Herz hoch erfreut, ja mit Jubel erfüllt, während ein mattes, schleichendes Volksleben dem Thatkräftigen wie dem contemplativen Weisen ein Dorn im Auge ist und ihn mit Trauer erfüllt.

 


Date: 2015-01-02; view: 704


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Schneidendes Silber, blutiger Speer | II. Der Communismus.
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