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III. Die Legende vom Leben Budha’s. 5 page

Und wie er vorausgesagt hatte, so geschah es auch.

Als Yasodhara vernahm, daß Budha auf dem Wege zu ihr sei, und sie ihm mit ihren Hofdamen bis zur Schwelle ihrer Gemächer entgegenging, stritten Liebe und Schmerz so übermächtig in ihrem Herzen, daß sie bei seinem Anblick wie ein Gefäß, dessen Inhalt sich über den Rand hinaus ergießt, unter der Wucht aller auf sie einstürmenden Empfindungen ihre ganze Fassung verlor. Ganz vergessend, daß sie nur ein schwaches Weib sei und Budha der allmächtige Herr und Erlöser der Welt, sank sie vor ihm nieder, umklammerte seine Kniee in leidenschaftlicher Liebe und Wehmuth und benetzte mit den unaufhaltsamen Thränenströmen, die ihren Augen entquollen, seine Füße. Alle standen auf das Aeußerste bestürzt; denn es ist selbst Maha Brahma, dem höchsten der Götter, nicht gestattet, den geheiligten Körper eines Budha anzurühren und die vernichtendsten Strafen treffen den verwegenen Sterblichen, der solchen Frevel wagt. Da trat der greise König Sudhodana vor und legte Fürbitte für die unglückliche Prinzessin ein. »Vergieb ihr,« bat er, »denn was sie hier thut, geschieht nicht in der heißen |

ii164 Aufwallung einer vorübergehenden Gemüthserregung, sondern ist der echte Ausdruck ihrer unwandelbaren Treue und Liebe zu dir. In den sieben Jahren, die du abwesend warst, hat die Trauer, von dir getrennt zu sein, sie keinen Tag verlassen. Als sie vernahm, daß du deine Haare abgeschnitten habest, mußten ihre schönen langen Flechten gleichfalls fallen; als man ihr sagte, daß du jeden Schmuck abgelegt habest, auf den gewohnten Gebrauch von Wohlgerüchen verzichtetest, und in niedriger, dürftiger Kleidung einher gingest, legte sie gleichfalls das gelbe Büßergewand an und versagte sich standhaft jeden Vorzug, den ihr königlicher Rang ihr einräumte, ja eine jede gewohnte Annehmlichkeit und Bequemlichkeit des Lebens überhaupt; wie du, hat sie nur noch Nahrung zu sich genommen, um ihren Hunger zu stillen und anstatt von goldnen Schüsseln aus irdenem Gefäße gegessen; wie du, hat sie schwellende Polster und köstliche Decken verschmäht und die harte Erde zu ihrem Lager erwählt; und als andere Prinzen, von ihrer wunderbaren Schönheit und ihrem unvergänglichen Jugendreize angezogen, um sie warben und sie zu neuem Ehebunde zu gewinnen trachteten, hat sie dieselben alle mit den Worten abgewiesen, daß sie dein sei und es bis zu ihrem letzten Athemzuge und in alle Ewigkeit bleiben wolle. Um aller dieser treuen Liebe willen sei ihr gnädig und lasse sie nicht allzu schwer entgelten, daß deine gewordene Gottheiligkeit sie nicht vergessen lehrt, was du als Mensch ihr vordem warst.«

Allein es bedurfte, wie schon angedeutet, dieser Fürsprache bei Budha gar nicht, um ihn zur Milde gegen die Prinzessin zu stimmen. Voll Güte beugte er sich zu der Trauernden nieder, hob sie empor und zog sie an sein Herz. Dann wandte er sich zu den Umstehenden und schilderte ihnen, eine wie treue Freundin und Gehülfin ihm die Prinzessin schon in früheren Existenzen gewesen sei, und während er ihnen die Geschichte seines Lebens als Prinz Wessantara in der Waldwildniß erzählte und die Ergebung hervorhob, mit der sich die damalige Madri-dewi in die Verschenkung ihrer Kinder gefügt hatte, um ihm die dereinstige Erlangung des Lehramtes zu erleichtern, schwanden die untröstlichen Gedanken der Prinzessin und die gehegten Befürchtungen des greisen Königs gleich den fliehenden Wolkenschatten, wenn nach einem Gewitter die Sonne hervorbricht.



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ii165 An dem siebenten Tage nach der Ankunft Budha’s in Kapilawastu kleidete Yasodhara-dewi ihren Sohn Rahula, der jetzt sieben Jahre alt war, in kostbare fürstliche Gewänder, führte ihn zu einem Fenster hin, und sagte zu ihm, indem sie auf Budha deutete, welcher unten im Hofe des Palastes saß und lehrte: »Dieser Priester, welcher so schön und gut ist, und aussieht, wie der hehre Gott des Lichtes selbst, ist dein Vater. Gehe zu ihm und lasse dich von ihm in die Thronrechte einsetzen, auf die er selbst verzichtet hat; denn du bist sein alleiniger und rechtmäßiger Erbe.« »Aber ist denn nicht der König Sudhodana mein Vater?« frug Rahula erstaunt, »wie kann da der Priester mein Vater sein?« Die Prinzessin nahm ihn in ihre Arme, erklärte ihm Alles und bat ihn dann wiederholt, hinabzugehen und seinen Vater zu begrüßen.

Als Rahula vor Budha stand, blickte er ohne jegliche Scheu zu ihm auf und sagte dann mit schnell erwachter kindlicher Zuneigung: »Mein Vater! dein Schatten ist ein Ort, wo man immer sein möchte.« Budha umarmte den Sohn und zog ihn liebevoll zu sich. Als er sich bald darauf erhob, um den Palast zu verlassen, folgte ihm das Kind freiwillig und war nicht mehr zu bewegen, ihn zu verlassen. Die Prinzessin, welche mit Spannung den Vorgang von ihren Fenstern aus verfolgte, fing bitterlich zu weinen an, denn sie wurde von einer plötzlichen Furcht befallen, daß Budha den Sohn in seinen Orden aufnehmen werde, wie es einige Tage vorher auch schon mit Nanda, Budha’s jüngerem Halbbruder, (dem Sohne Sudhodana’s aus seiner zweiten Ehe mit der Königin Prajapati) geschehen war. Inzwischen hatte der kleine Prinz, wie es ihm von seiner Mutter eingeschärft worden war, seinen Vater gebeten, ihm sein Erbe zu übergeben. Budha wandte sich zu Seriyut, der in seiner Nähe stand und sagte: »Mein Sohn hier verlangt, ohne daß ich ihn dazu aufgefordert habe, seine Erbschaft. Ich kann mir nicht denken, daß er Etwas haben möchte, was mit solcher Sorge, Angst und fortwährenden Herzenspein verknüpft ist wie das weltliche Leben. Ich werde ihm deshalb das Erbe des Bettlers Budha, und nicht dasjenige des Königssohnes Budha geben, nämlich: den Herzensfrieden. Nimm ihn in unseren Bund auf.«

Seriyut gehorchte.

Als der König Sudhodana dies hörte, wurde er sehr bekümmert. Er ging zu Budha und klagte: »Erst hast du mich ver|lassen;

ii166 dann hast du mir meinen zweiten Sohn Nanda und jetzt meine letzte Stütze, deinen Sohn, meinen Enkel geraubt, den ich als meinen Sohn und Thronerben betrachtet habe, von dem Tage an, da du, sein Vater, ein Büßer wardst. Versprich mir, von heute an kein Familienglied mehr zu bekehren ohne meine vorher dazu eingeholte Erlaubniß.« Budha gab das verlangte Versprechen, hielt jedoch seinem Vater eine Rede, welche den königlichen Greis so ergriff, daß er die Lehre des geliebten Sohnes nunmehr voll annahm. Bald darauf ward er ein rahat und als er zum Sterben kam, wurde ihm Nirwana, das Nichts, zu Theil.

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Die Prinzessin Yasodhara glaubte, das Herz müsse ihr brechen, als Rahula die Priesterweihe erhielt. Aber Budha ging zu ihr und sagte: »Erinnerst du dich nicht, daß, als wir Wessantara und Madri-dewi waren, du, ohne Einwendung zu erheben, deine Kinder von mir verschenken ließest? Willst du jetzt in irdische Gefühle zurückfallen?« Darauf bat sie ihn inständig, sie gleichfalls als Priesterin aufzunehmen und er versprach es ihr, jedoch mit dem Vorbehalte, daß es erst später sein könne, weil, wenn es jetzt geschähe, das Volk sagen würde, daß sie aus Kummer um Rahula der Welt entsagt habe.

(Ich mache hier wiederholt auf die Kraft aufmerksam, welche Budha aus dem Dogma der Wiedergeburt schöpfte. Ein Motiv, wie das eben erzählte, mußte geradezu unwiderstehlich sein. Kein anderer Religionsstifter hatte eine Waffe von so zwingender Gewalt. Genügt es doch oft schon im gewöhnlichen Leben, Jemand an eine früher vollbrachte gute That zu erinnern, um ihn zu einer ähnlichen zu veranlassen. Budha nun hatte tausend andere Lebensläufe zu seiner Verfügung, die er nach Belieben mit guten Thaten erfüllen konnte. Er brauchte nur zu sagen: »Dieses oder Jenes hast du als X oder Y bereits gethan« und es wurde ihm als allwissendem Budha geglaubt. Dann wollte gewiß Keiner schlechter sein als in einer früheren Lebensform, um kein Thier oder sonstwelches Geschöpf einer niedreren Gattung zu werden, und Jeder folgte ihm blindlings.)

Auch der Königin Prajapati, der treuen Hüterin seiner Kindheit, (sie war bekanntlich nach dem Tode ihrer Schwester Mahamaja, der Mutter Budha’s, des letzteren ausgezeichnete Pflege|mutter

ii167 und die zweite Gemahlin des Königs Sudhodana geworden), glaubte der Weise die von ihr dringend begehrte Aufnahme in seinen Orden vorläufig noch versagen zu sollen. Wie wir schon oben in dem zweiten Abschnitt dieser Abhandlung (»Der exoterische Theil der Budhalehre,« S. 101/102) gesehen haben, hatte die Königin-Mutter dreimal vergeblich versucht, seine Ungeneigtheit, ihren Wunsch zu erfüllen, zu überwinden; das letzte Mal, als Budha anläßlich der Verbrennung der Leiche seines Vaters nach Kapilawastu gekommen war, und sich nach vollzogener Ceremonie noch einige Tage länger dortselbst aufgehalten hatte, um seine Verwandten in der rechten Ausübung seiner Lehre zu unterweisen.

»Frauen, sucht nicht in meinen unbefleckten Orden einzudringen!« Mit diesen sehr bezeichnenden Worten hatte Budha jedes Mal ablehnend geantwortet und der Grund davon ist nicht weit zu suchen. In einer Religion, deren höchste Tugend die Keuschheit, die absolute Keuschheit, die Virginität ist, mußte das Weib als solches (und zumal in Asien unter der Institution der Polygamie), einen sehr tiefen Stand einnehmen, ja gewissermaßen als alleinige Ursache des Weiterbestandes der menschlichen Gattung und damit allen Elends in der Welt angesehen werden. Budha machte daraus kein Geheimniß. Außerdem fürchtete er, daß durch die Aufnahme von Frauen der jungen Lehre Gefahr dadurch erwachsen werde, daß die Lästersucht ihre schleimige Zunge zeige.

Budha schloß jedoch die Frauen selbstverständlich nicht von der Erlösung aus. Er war gekommen, alle fühlenden Wesen von den Leiden des Erdenlebens zu befreien und wie ferne es ihm lag, seiner Lehre den exclusiven Charakter einer nur für den Intellekt und die moralische Kraft der Männer berechneten Heilswahrheit geben zu wollen, erhellt zur Genüge aus der unzweideutigen Antwort, welche er ertheilte, als man die Frage an ihn richtete, ob auch das Weib fähig sei, sich die nöthige Reife der Erkenntniß zu erringen, die zur Seligkeit des Nichtseins führe:

Sollen die Lehrer der Menschheit etwa nur wegen der Erlösung der Männer in die Welt gekommen sein? Ich sage euch, die höchste Wahrheit ist dem Weibe so gut erschlossen wie dem Manne. Der Eingang in Nirwana steht Beiden ohne Unterschied offen.

(M. o. B., 311.)

ii168 Aber er mußte sehr vorsichtig sein. Ehe die neuen Formen sich befestigt hatten, ehe seine Lehre überhaupt tiefer in das Volk eingedrungen war, durfte er nicht daran denken, einen weiblichen Zweig seines Ordens zu errichten. Auch hier muß man den praktischen Sinn des großen Weisen von Magadha bewundern, denn ich erinnere daran, wie sehr er wegen seiner radikalen Lehre, die allem Bestehenden, allem Altehrwürdigen vor den Kopf stieß, von allen Seiten angefeindet wurde, und daß die Macht seiner erbitterten Gegner eine nicht minder große war, wie ihre Zahl, Als er sich jedoch vollkommen sicher fühlte, gab er auch die ihm bis dahin von der Klugheit geboten gewesene ablehnende Haltung gegen die Errichtung von Frauenklöstern auf. Die Königin Prajapati, welche in Begleitung von fünfhundert Prinzessinnen, die gleichfalls der Welt zu entsagen wünschten, zu Fuße (s. S. 101/102) den weiten beschwerlichen Weg von Kapilawastu bis zu dem damaligen Aufenthaltsorte Budha’s gekommen war, um ihn flehentlich zu bitten, ihr sehnliches Verlangen, die Priesterweihe von ihm zu empfangen, endlich zu erfüllen, war die Erste, welche in großer Feierlichkeit in dem Beisein der gesammten Priesterschaft als Nonne eingekleidet wurde. Ihr folgten die fünfhundert Prinzessinnen, welche mit ihr gekommen waren. Das auf diese Weise entstandene erste Frauenkloster, zu dessen Vorsteherin oder Oberin Budha die Königin-Mutter ernannte, vermochte indessen sehr bald die Zahl der Aufnahmebegehrenden nicht mehr zu fassen und es mußte noch in demselben Jahre eine ganze Reihe anderer neben ihm geschaffen werden. Mit der Zeit wuchs ihre Anzahl zu ganz beträchtlicher Höhe heran. Sie wurden alle der Oberaufsicht der trefflichen Prajapati unterstellt, welche sich um ihre Organisation sehr verdient machte und in den langen Jahren ihrer segensreichen Wirksamkeit (sie erreichte ein Alter von 120 Jahren) vielen Irrenden und Betrübten als eine treue Führerin und Trösterin zu dem rechten Wege verhalf. Auch sie ging in Nirwana ein, nachdem sie auf besondere Anweisung Budha’s vor der versammelten Gemeinde aller Glaubenstreuen noch verschiedene merkwürdige Wunderthaten verrichtet hatte, damit, wie er ausdrücklich sagte, die letzten Zweifel derjenigen vernichtet würden, die da noch glaubten, es sei für eine Frau nicht möglich, Nirwana, zu erlangen. Mit ihr zugleich starben, wie sie es gewünscht hatten, die fünfhundert Prinzessinnen, welche von dem Tage, |

ii169 an dem sie mit ihr das Ordensgelübde abgelegt hatten, ihre unzertrennlichen Gefährtinnen gewesen waren und es nun auch im Tode bleiben wollten. Ihre Todtenfeier war die großartigste, die in der ganzen Zeit, während welcher Budha seines hohen Amtes waltete, je stattfand. Für einen jeden der 501 Körper war ein besonderer Scheiterhaufen von Sandelholz, das mit köstlich duftendem Oel durchsättigt war, errichtet worden, und als die Flammen ihr Werk gethan hatten und man die Asche eines jeden sammeln wollte, fand es sich, daß von den 500 Prinzessinnen auch nicht das kleinste Stäubchen mehr vorhanden war, während an der Stelle dessen, was die irdische Hülle der edlen Königin-Mutter gewesen, ein Häufchen matt-glänzender weißer Perlen lag, welche der treue Ananda sorgfältig sammelte und in Budha’s Almosentopf legte.

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Wie Prajapati, so vermochte auch die Prinzessin Yasodhara auf die Dauer dem Drange, der Welt zu entsagen, nicht mehr zu widerstehen. Sie war durch die ihr nach und nach zugefallenen reichen Erbschaften ihres Gatten, ihrer Schwiegereltern und ihres Sohnes die Herrin eines unermeßlichen Besitzes und Königin von Kapilawastu geworden. Aber aller Reichthum und alle Macht widerte sie jetzt an und sie sehnte sich von ganzer Seele nur noch nach der Stille und dem Frieden des Klosters. Als die Bewohner von Kapilawastu hörten, daß ihre Königin sie verlassen wolle, eilten sie in Schaaren zu ihr und beschworen sie unter Thränen zu bleiben. Aber sie blieb fest bei ihrem Entschlusse, vertheilte alle ihre Habe und trat dann zu Fuße den Weg zu Budha an, der sie sehr freundlich empfing und ihr die Weihe gab. Zugleich wies er ihr ein in der Nähe seines eigenen wihara (Versammlungshaus) gelegenes Kloster zum Wohnsitz an, von wo aus sie manchmal zu ihm kommen konnte, um ihn lehren zu hören und nach ihrem Sohne Rahula zu sehen. Aber die Bewohner der umliegenden Orte überhäuften sie dort dermaßen mit Aufmerksamkeiten und Geschenken, daß sie zu Budha ging und ihn bat, ihr zu gestatten, nach einem anderen Ort zu ziehen, da man ihr mehr Huldigungen und Opfergaben darbringe, wie selbst zu der Zeit, als sie noch Königin gewesen. An dem Orte, wohin sie sich nun begab, geschah es jedoch ganz ebenso und an einem dritten gleichfalls, worauf sie es vorzog, wieder an ihren ersten Wohnsitz zurückzukehren. Dort führte sie ein |

ii170 wahrhaft heiliges Leben und erlangte mit der Zeit den echten unzerstörbaren Herzensfrieden. Als sie das achtundsiebenzigste Lebensjahr erreicht hatte und eines Abends, mit der ihrem Geiste verliehenen Gabe, die Ereignisse der Zukunft vorausschauen zu können, erkannt hatte, daß Budha in zwei Jahren das Nichtsein erlangen würde, suchte sie den Weisen in seinem wihara auf und bat ihn um die Gnade, vor ihm sterben zu dürfen, da sie ihn ja doch nicht werde überleben können. Dann kniete sie vor ihm hin und bat ihn inniglich, ihr Alles, was sie jemals Unrechtes gethan, vergeben zu wollen. Aber Budha hob sie auf und sprach: »Die krystallklaren Fluten des Anotatta-Sees, in dem sich die Wohnungen der Götter spiegeln, bedürfen keiner Reinigung; das lichte Gold, das von der Frucht des heiligen Gambu-Baumes auf den paradiesischen Höhen des Himalaya- Waldgebirges hernieder in die vier Flüsse träufelt, die seinen Zweigen entströmen, hat keine Läuterung nöthig; der große Edelstein in der Mitte der Sternenkrone, welche die Herrschaft über die ganze Welt verleiht, kann nicht noch glänzender gemacht werden als er schon ist: so auch bedarfst du, die tugendhafteste der Frauen, der Vergebung nicht, weil dein reines Herz von jeder Sünde frei ist. Dein Wille geschehe: noch heute sollst du in Nirwana eingehen.«

Inzwischen hatte sich die Kunde von dem bevorstehenden Hingang der allgeliebten Prinzessin überall hin verbreitet. Die ganze Priesterschaft versammelte sich und stand tief ergriffen, denn es ging eine Ahnung durch sie Alle, daß das Hinscheiden der an demselben Tage wie Budha geborenen Prinzessin nur der Vorbote für das ihm bald folgende eigene des geliebten Meisters sei. Der treue Ananda, welcher noch nicht die Stufe eines rahat erreicht hatte, mithin noch nicht so frei von allen irdischen Gefühlen war, um von keinem heftigen Schmerze mehr bewegt werden zu können, vergoß bittere Thränen in dem Gedanken, die geliebte Herrin nie mehr wiedersehen zu sollen. Aber die Prinzessin verwies es ihm sanft, indem sie sagte, daß sie ja das höchste Glück zu erreichen im Begriffe stehe, das auf Erden zu erlangen wäre, und daß deshalb keine Ursache zu Weinen und Wehklagen sei. Nun kamen auch alle dewas und brahmas, und unzählige Bewohner der umliegenden Städte strömten herbei, um noch einen letzten Blick von ihr zu haben. Auf ein Zeichen Budha’s, welcher, wie er sagte, keinen Zweifel darüber bestehen lassen wollte, daß sie den denkbar höchsten Grad der Ueber|windung

ii171 alles Irdischen erreicht habe, erhob sie sich hierauf in die Lüfte und blieb dort lange Zeit inmitten einer glänzenden Lichtwolke stehen, von Allen, die sie in ihrer Holdseligkeit schauten, mit Inbrunst angebetet. Von der ihr von Budha gleichfalls verliehenen Kraft, göttliche Wunder zu verrichten, machte sie jedoch keinen Gebrauch, um mit ihrer wunderbaren unvergänglichen Schönheit, die sie in ihrem 78ten Jahre noch ganz so erscheinen ließ, wie sie in ihrem 16ten gewesen, in den Herzen derjenigen Glaubenstreuen, die noch mit irdischen Versuchungen zu kämpfen hatten, keine sündige Glut begehrlicher Leidenschaft zu entzünden; vielmehr wandte sie ihr Angesicht, so lange ihre Verklärung andauerte, voll Innigkeit nur ihrem Gatten zu und betete ihn demütig an. Als die Lichtwolke sich wieder zur Erde mit ihr herabgesenkt hatte, zog sie sich in die Einsamkeit ihrer Zelle zurück, und noch in derselben Nacht, indem sie aus dem Zustand der tiefsten seligen Contemplation (dhyana) unvermerkt in denjenigen der Ruhe überging, der kein Erwachen mehr hat, erreichte sie den Ort des ewigen Friedens (the city of peace).

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So kam die Zeit heran, wo Budha in der Stadt Kusinara das Nichtsein erlangen sollte.

Mit einem großen Gefolge von Priestern hatte er vordem der Stadt Pawa, einen Besuch abgestattet und dort in einem großen, von herrlichen Mangobäumen bestandenen Garten Rast gemacht, der einem Schmiede Namens Chunda gehörte. Der Schmied war entzückt von der hohen Ehre, die ihm widerfuhr und bewirthete Alle auf’s Glänzendste.

Budha genoß etwas Schweinefleisch, das die dewas, in der Voraussicht, daß es die mittelbare Ursache seiner Befreiung von den Leiden des menschlichen Daseins sein werde, insgeheim auf das Köstlichste zubereitet hatten. Dann hielt er eine zündende Rede: es war seine letzte.

Nach einer Weile brach er auf, um nach Kusinara zu gehen. Wie der Mond inmitten der funkelnden Sterne wandelt, so zog der erhabene Weise dahin, von seinem zahlreichen Priestergefolge umgeben.

Aber unterwegs wurde ihm unwohl. Er bekam plötzlich eine heftige Kolik und litt große Schmerzen. Nur mit Mühe vermochte er sich noch vorwärts zu bewegen und sank schließlich erschöpft unter einem Baum am Wege nieder, indem er zu seinem treuen Diener |

ii172 sagte: »Ananda, ich bin todtmüde; ich muß etwas ausruhen. Ich bin auch sehr durstig; gieb mir einen Trunk Wasser.«

Obgleich ein Budha allmächtig ist, so ist er doch ein Mensch. Wäre Budha in der Gestalt eines dewa, oder brahma unter den Menschen erschienen, so würden die Verstockten seine Entsagung und alle seine anderen herrlichen Thaten nicht merkwürdig gefunden haben. Man würde auch keine so große Liebe zu ihm empfunden haben, kurz sein Auftreten würde ohne Erfolg geblieben sein. Deshalb schuf sich das Karma Budha’s einen Menschenleib, der Schmerz und Wollust empfand wie der Leib jedes anderen Menschen. (Ich deute auch hier auf Christus.)

Nachdem er sich einigermaßen erholt hatte, setzte Budha standhaft seine Wanderung fort. In dem Flusse Kukuttha, an dem er bald darauf vorüberkam, nahm er ein Bad. Sein Körper erstrahlte dabei in solchem Schönheitsglanze, daß er wie die Sonne aussah und die beiden Ufer des Flusses in goldenem Lichte erglühten. Aber schon nur eine kleine Strecke weiter überfiel ihn eine große Mattigkeit, die ihn zwang, von Neuem Halt zu machen. Mühsam erreichte er einen in der Nähe befindlichen Garten, wo er zusammenbrach, indem er sagte: »Ich fühle mich sehr schwach; ich kann nicht mehr weiter. Ananda, breite eine Decke aus, ich muß mich niederlegen.«

Er stand furchtbare Schmerzen aus und krümmte sich vor Qual. Dieses Alles trat aber, wie schon gesagt, nur deshalb in die Erscheinung, damit seine Begleiter und Alle, welche noch über den Werth des Lebens in Täuschung befangen, an seinem eigenen Beispiel erkennen möchten, wie vergänglich Jugend, Schönheit, Gesundheit und Stärke sind, wie leid- und sorgenvoll das Leben ist und wie Keiner hienieden dem Alter, Verfall und Tod entrinnen könne. Alle Die, welche von den Leiden und Schmerzen hören, die der sanfte, milde Lehrer der Menschheit vor seinem Eingang in Nirwana erdulden mußte, werden weinen und den tiefsten Kummer empfinden, wie Jene, welche die Qualen seines schweren Todeskampfs mit eigenen Augen sahen. Nur also, um nochmals prägnanter das ganze Leid und Elend des menschlichen Daseins darzuthun, und durch Erkenntniß seiner unausweichlichen Uebel die Lebenshungrigen und Genußbegierigen empfänglich für die Heilswahrheit zu machen, die er ihnen darbot: mußte er, der, wenn er es gewollt hätte, die Kraft von Myriaden der stärksten Löwen und Elephanten in der seinigen ver|eint

ii173 hätte, jetzt gleich dem ärmsten Sterblichen klagen und sagen: »Ananda, ich fühle mich sehr schwach; ich leide brennenden Durst; ich bin müde; ich will ruhen.«

Nach einer Weile fühlte er sich wieder besser und er beschloß, bevor ihn ein neuer Schmerzensanfall niederwürfe, den Rest des Weges so rasch als möglich zurückzulegen. Aber obwohl die ganze Entfernung zwischen Pawa und Kusinara nur wenige Meilen betrug, gingen doch noch viele Stunden darüber hin, bis er sich seinem Ziele nahe sah, da die niederziehende Todesschwere, die sich mehr und mehr seiner Glieder bemächtigte, ihn nur langsam vorwärts kommen ließ. Endlich, nach wiederholten Anstrengungen, erreichte er einen Mango-Hain bei Kusinara, in dessen Schatten er sich niederließ, um seine letzten Kräfte für die ihm noch verbleibende Wegestrecke zu sammeln. Trotz der unsäglichen Schmerzen, die er litt, trotz der eisigen Todesschauer, die ihn bereits schüttelten, beschäftigte sich sein Herz voll Güte und Milde bis zum letzten Augenblick mit dem Wohl und Wehe Aller, die es in unerschöpflicher Liebe und Fürsorge umfaßte. Er dachte an das mögliche Schicksal des Schmiedes, bei dem er zu Gaste gewesen war und befürchtete mit Recht, daß man seinen freundlichen Wirth wegen der schlimmen Folgen des bei ihm genossenen Mahles für seinen Tod verantwortlich machen würde. Er sagte deshalb zu Ananda, um ein Unglück zu verhüten: »Ananda, ich trage dir auf, wenn je sich ein Wort des Vorwurfs gegen den armen Schmied erheben sollte, Allen laut zu verkünden, daß Chunda sich das größte Verdienst dadurch erworben hat, daß das mir von ihm gereichte Fleisch tödtlich für mich war: denn nun werde ich die Stadt des ewigen Friedens sehen.« Und als er mit dem letzten Aufgebote seiner schwindenden Kraft den dicht vor den Thoren Kusinara’s gelegenen herrlichen Lustgarten seiner alten Freunde, der Prinzen von Malwa, erreicht hatte, und Ananda ihm dort, wie er es gewünscht hatte, zwischen zwei blühenden Sala-Bäumen in Eile das Lager hergerichtet hatte, von dem er sich nicht mehr erheben sollte, sagte er zu seinem treuen Diener: »Ananda, wenn ich Nirwana erreichte, ohne daß die Malwa-Prinzen mich noch einmal gesehen haben, so würden sie untröstlich sein. Gehe also zu ihnen, und theile ihnen mit, daß ich sterbend in der Nähe ihrer Residenz sei.«

Ananda ging hierauf in den Palast der Prinzen und sagte zu ihnen: »Hochedle Fürsten! mein geliebter Herr ist draußen vor den |

ii174 Thoren eurer Stadt, in dem Sala-Haine, der euch gehört und es ist der Tag, an dem er Nirwana erreichen wird.«

Als die 60,000 Prinzen dies hörten, wurden sie vom größten Schmerz ergriffen. Einige rauften sich in ihrer Verzweiflung Haar und Bart aus und weinten laut; andere schlugen sich mit den geballten Händen vor die Brust oder stürzten wie der Baum, den die Axt fällt, lautlos zu Boden; andere wieder wälzten sich in wildem Grame auf der Erde und erklärten, gleichfalls sterben zu wollen: es war ein herzzerreißender Jammer.

»Ach, Budha, unser Herr wird heute sterben!« riefen sie klagend. »Wehe, wehe! unser geliebter Meister wird bald eine Leiche sein! Ach, die Augen, die so mild auf unsere Schmerzen blickten, sie müssen brechen!«

Dann eilten sie hinaus in den blühenden Garten, wo der sterbende Weise lag, warfen sich vor ihn hin, um ihn zum letzten Male anzubeten und schluchzten laut. Budha ermahnte sie liebevoll, nicht zu klagen und zu trauern: denn er werde ja in die Seligkeit des Nichtseins eingehen.

Bis zum letzten Augenblick behielt er das reinste Bewußtsein.

Gegen Morgen ließ er alle seine Priester an sein Lager rufen und sagte: »Priester, wenn ihr noch irgend einen Zweifel an der Lehre habt, die ich euch fünfundvierzig Jahre lang verkündet habe, so äußert ihn jetzt. Denn sonst möchtet ihr später tief bereuen, ihn nicht erörtert zu haben, so lange ich noch unter euch weilte. Solltet ihr aber Bedenken tragen, mir direkt euren Zweifel vorzubringen, so thut ihn mir durch fremden Mund kund.«

Alle verharrten in lautlosem Schweigen.

Da sagte Budha nach einer Weile: »Ihr schweigt? Ihr tragt also keinen Zweifel mehr in euch, den ich noch von euch nehmen könnte? Wohlan! So möge das Nichts seine schweren Fittiche über mich ausbreiten. Ich hinterlasse euch meine Lehre: Alle Elemente werden vergehen, aber der Edelstein meiner Weisheit wird bestehen bleiben.« (Ich erinnere an den Ausspruch Christi: »Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.«)

Als er dies gesprochen hatte, erlosch sein Leben.

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Bis zur Verbrennung des Leichnams, (welche sieben Tage nach dem Hingang Budha’s unter den denkbar großartigsten Feierlich|keiten

ii175 und der Betheiligung aller dewas und brahmas sämmtlicher Paradiese stattfand), stand der große Todte in einem goldenen Sarkophage in der prachtvoll dazu hergerichteten und geschmückten Krönungshalle der Könige von Malwa aufgebahrt. Während dieser ganzen Zeit durchzogen sanfte liebliche Melodieen und Gesänge, von unsichtbaren seligen Geistern dem Heimgegangenen dargebracht, den weiten tempelartigen Raum, den ein überirdisches Licht durchflutete; himmlische Wohlgerüche wogten auf und nieder, und es fielen die Blumen in solcher Menge vom Himmel herab, daß im ganzen Umkreis der Stadt Kusinara der Boden knietief davon bedeckt wurde. Was nur immer das Auge entzücken, das Ohr berauschen, das Herz erheben kann, war in jenen Tagen in verschwenderischer Fülle über den Ort ausgegossen, wo der nun selber erlöste gütige Lehrer und Erlöser der Menschheit in der friedevollen Ruhe und Verklärung des Todes lag. Auch nahten weder Verwesung, noch Todesstarre dem in voller Jugendschöne prangenden Körper; die göttliche Pracht der Glieder durchleuchtete wie der Mond die Wolken das feine Gewebe der herrlichen Gewandungen, in welche die königlichen Jungfrauen des Malwa- Fürstenhauses ihn eingehüllt hatten und er ruhte wie ein Schlafender. Dann wurde der goldne Sarg, welcher die Ueberreste des geliebten Meisters barg, auf den riesigen Scheiterhaufen emporgehoben, den man in diesen Tagen von duftendem Sandelholze und anderen kostbaren, mit wohlriechenden Oelen durchtränkten Brennstoffen errichtet hatte, und während sich ein allgemeines herzzerreißendes Wehklagen erhob, so laut und erschütternd, wie selbst an dem Tage seines Eingangs in Nirwana nicht, verschlangen die hochemporschlagenden Flammensäulen in wenigen Augenblicken die irdische Hülle des Edelsten der Weisen, der bis dahin auf Erden gewandelt.


Date: 2015-01-02; view: 588


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