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III. Die Legende vom Leben Budha’s. 4 page

Da öffnete sich die in ihren Grundfesten heftig erbebende Erde; Feuer schlug aus allen ihren Spalten und ein so schreckliches unterirdisches Getöse ertönte, daß alle Begleiter Mara’s voll Entsetzen ihre Waffen von sich warfen und ohne für ihren Führer nur noch einen Blick zu haben, in wilder Ueberstürzung davonstoben wie die Blätter, die der Herbststurm vor sich hertreibt. Gleichzeitig fiel der Elephant Mara’s vor dem Prinzen anbetend auf die Kniee nieder, schleuderte seinen Herrn mit Heftigkeit zu Boden, stieß ein fürchterliches Gebrülle aus und setzte in großen Sprüngen den fliehenden Heereshaufen nach. Mara, vom Sturze betäubt am Boden liegend, seiner Waffen beraubt und von den Seinigen im Stich gelassen, mußte allen weiteren Kampf aufgeben und sich als besiegt bekennen. »O Prinz Sidhartta!« rief er schmerzlich, »welch ein Thor und Frevler bin ich gewesen! Zu spät erkenne ich jetzt, daß du der Glorreichste, der Edelste und Stärkste, daß du allmächtig bist! Ich will deinen Muth, deine Macht und dein Verdienst in alle Welt verkünden. Vergieb mir, o vergieb mir!« Und mit verhülltem Angesichte entfloh er in sein Paradies, wo er sich niederwarf und vor Scham und Reue kaum mehr aufzublicken wagte.

Nun kamen auch alle dewas und brahmas wieder, brachten |

ii152 himmlische Blumen und Wohlgerüche, legten mit anmuthiger Geberde ihre Hände an die Stirne und huldigten dem Prinzen, indem sie jubelnd ausriefen: »Ueberwunden ist der böse Mara und geflohen! Unser Prinz Sidhartta ist Sieger geblieben!« Dann suchten sie den zerknirschten Mara auf und überhäuften ihn dermaßen mit Spott und Hohn wegen seiner verdienten Niederlage, daß er sich ungestüm von seinem Lager erhob, die Gestalt eines Menschen annahm und als ein ruheloser Wanderer über die Erde irrte. Aber seine drei wunderbar schönen Töchter hatten nicht sobald ihres Vaters Verschwinden aus seinem Paradiese bemerkt, als sie ihm nacheilten und ihn besorgt um die Ursache seiner Verstörung und Verzweiflung frugen. Er theilte ihnen hierauf alle Einzelheiten des großen Kampfes mit, den er mit dem Prinzen Sidhartta bestanden hatte und in welchem er so schimpflich unterlegen war. Als er seine Erzählung beendet hatte, baten sie ihn, guten Muthes zu sein, da sie es nun unternehmen wollten, des Prinzen unerschütterliche Standhaftigkeit mit ihren Reizen und Verführungskünsten zu bezwingen; und obgleich ihnen Mara voraussagte, daß alle ihre Versuche vergeblich sein würden, bestanden sie dennoch auf der Ausführung ihres Vorhabens, indem sie ihren Vater mit Erfolg daran erinnerten, daß bis dahin noch kein männliches Wesen der Zaubergewalt ihrer himmlischen Schönheit auch nur einen einzigen Augenblick lang zu widerstehen vermocht habe. Hierauf verwandelten sie sich in 600 wunderschöne liebreizende Mädchengestalten von verschiedenem Alter, hüllten sich in die herrlichsten durchsichtigen Gewänder und näherten sich dem Prinzen in den verführerischsten Stellungen, indem sie seine Schönheit priesen und ihn mit süßen Worten einluden, seinen Sitz unter dem langweiligen Bodhibaum zu verlassen und mit ihnen zu kosen und zu schwelgen. Aber Sidhartta blieb ungerührt. Da trat die Schönste der Schönen dicht vor ihn hin, streckte ihm voll Sehnsucht und Verlangen ihre herrlichen Arme entgegen und erinnerte ihn vorwurfsvoll daran, wie er zu anderen Zeiten die nämlichen Freuden, die er jetzt mit solch stolzer Enthaltsamkeit von sich weise, mit Eifer gesucht und in vollen Zügen genossen habe. »Warum willst du jetzt so einsam und freudenlos leben?« schloß sie, »du, der Schönste und Herrlichste von Allen?« Doch auch dies erwies sich ohne Erfolg. Der Prinz blieb taub gegen alle Verlockungen seiner schönen Versucherinnen, ja er würdigte sie nicht |



ii153 einmal eines Blickes; und so verließen sie ihn denn endlich, traurig und beschämt, so gar Nichts bei ihm ausgerichtet zu haben.

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Sidhartta verfiel hierauf in tiefe selige Contemplation und in dieser wurde der letzte Funken seiner Liebe zum Leben ausgelöscht. Er war am Ziele: er war Budha, der allmächtige Erlöser des Weltalls.

In diesem großen Augenblicke floß der Geist des Herrlichen von Weisheit über wie ein Gefäß mit Honig und entzückt strömte er seine Empfindungen in den folgenden Strophen aus:

Ach, wer zählt die langen Jahre,

Wer die Tausende von Jahren,

Wo ich den Erbauer suchte

Meines unglücksel’gen Hauses?

 

Ach, wie bluteten die Füße,

Ach, wie schmerzvoll war das Wandern,

Ach, wie peinvoll war die Sehnsucht

Nach Erquickung, nach Erlösung!

 

Endlich hab’ ich dich gefunden!

Endlich blickt’ ich dir in’s Auge.

Und du kannst nicht mehr erbauen

Einen Leib der müden Seele.

 

Ich zerbrach dein festes Bauholz,

Deine Steine sind zerrieben,

Und den Winden gab ich jubelnd

Deinen Mörtel, starker Meister.

 

Und so schwelgt mein Geist voll Wonne

In des Nichts leidfreier Leere!

Denn erstorben ist für immer

Aller Lebensdurst und Lebenshunger.

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Sieben Tage lang blieb Budha auf dem Throne unter dem Bodhibaum unbeweglich sitzen. Dann erschloß sich seinem inneren Auge der Blick in die Zukunft und er erkannte das Folgende: Ich werde fünfundvierzig Jahre lang ein Lehrer der Menschheit sein; Seriyut und Mugalan werden meine Hauptjünger sein; ich werde unzählige Bekenner haben; meine Lehre wird fünftausend Jahre lang bestehen bleiben.

ii154 Doch bevor er das Lehramt, das er jetzt empfangen hatte, definitiv antrat, hatte er noch einen letzten großen schweren Kampf mit sich selbst zu bestehen. »Meine Lehre ist sehr tief,« dachte er, »und die Menschen, denen ich sie verkünden will, sind über alle Maßen thöricht und voll schlechter Begierde. Wohl ist mein Verdienst, durch welches ich mir das Lehramt errungen habe, groß, aber die Schuld und Sünde der Menschen, die es ausrotten soll, ist auch groß und es wird deshalb ganz unnütze Mühe sein, sie bekehren zu wollen. Sie werden mich gar nicht verstehen.« Als Maha Brahma, der höchste der Götter, diese Gedanken und die sich darin spiegelnde Zögerung Budha’s, seine Mission zu erfüllen, wahrnahm, eilte er bestürzt zu ihm und rief ihm zu: »Sei getrost! Das Weltall wird ganz bestimmt durch dich seinem Ende zugeführt werden. Geh’ und verkünde deine Lehre. Ich beschwöre dich inständig darum. Denke an das Leid der Menschen, das doch allein nur du, der Erleuchtete und Reine, von ihnen nehmen kannst!«

Und der Herrliche kämpfte mannhaft auch diese letzte rebellische Regung seines selbstischen Ich’s nieder. Indem er sich gelobte, nicht zu ruhen und zu rasten, bis der Schatz der Weisheit, der ihm das höchste Gut der Erde, die Seligkeit des Herzensfriedens, erschlossen hatte, auch den übrigen erlösungsbedürftigen Wesen zu Theil geworden sei, gab er willig die Ruhe und den Frieden seiner geliebten Einsamkeit dahin, um die Rückkehr in die Welt anzutreten, gegen die sich jede Fiber und Faser seines Wesens sträubte.

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Eingedenk des Versprechens, welches er früherhin dem König Bimsara gegeben hatte, seine erste Predigt in Rajagaha, der Residenz dieses Fürsten, halten zu wollen, beschloß Budha, sich ohne Zögern dorthin zu begeben und von da aus das ganze Reich von Ort zu Ort lehrend zu durchziehen. Aber auf dem Wege dahin begegnete er seinen alten Freunden, den fünf Brahmanen, mit welchen er sechs Jahre lang als Büßer in der Waldwildniß gelebt und die härtesten Entbehrungen ertragen hatte; sie waren so beseligt von seinem Anblick und so voll inniger Freude, daß er das Ziel seiner heißen Wünsche, das Erlöseramt, erreicht hatte, daß er nicht anders konnte, als ihrer inständigen Bitte zu willfahren und eine kurze Weile Rast bei ihnen zu machen. Während er ihnen die Weihe seines Segens ertheilte und sie als seine ersten Schüler aufnahm, zog in |

ii155 wunderlieblicher Schönheit, einem herrlich geschmückten Frauenbilde vergleichbar, langsam der Abend herauf. Die funkelnden Sterne als Perlenhalsband, die silberne Mondessichel als hehre Krone tragend, die lichten Wolken wie prachtvolle Haarflechten herniederfließend, und sein weithin flatterndes, rosig besäumtes Gewand wie einen durchsichtigen Schleier über die ganze ruhende Erde breitend: so legte er seine keusche bräutliche Schönheit wie ein duftendes Blumenopfer zu den Füßen des Welterlösers nieder, der sich mit weithin ausgebreiteten Armen erhob, um die Fülle seiner Liebe, Weisheit und Güte über die leidende, irrende Menschheit auszugießen. Von nah und fern, aus der Höhe und Tiefe kamen die brahmas und dewas auf ihren goldnen Wagen durch die Lüfte gefahren, eilten die Menschen und Thiere und Alles was Leben hat, herbei, um den Worten der Weisheit und des Trostes zu lauschen, die seinem göttlichen Munde entströmten. Die Zuhörerschaft, die sich nach und nach um ihn ansammelte und ihn in dichtgedrängtem Kreise umstand, war eine so unabsehbar große, daß sich 100,000 dewas mit dem Raume eines Stecknadelkopfes begnügen mußten. Dennoch fanden Alle Platz und die Strahlen, die von Budha’s Person ausgingen, vermochten unbehindert auch den fernest Stehenden zu erreichen. Es ging ein freudiges Wogen durch die ganze Versammlung, das sich wie das Brausen eines Sturmes anhörte; aber als die dienstthuenden Lichtgötter in ihre Muscheln bliesen, um Stille zu gebieten, erstarb ein jeder Laut, wie das Flüstern der kleinen fröhlichen Meereswellen, die leise im besonnten Strande verlaufen, und die ganze ungeheure Menge stand in athemloser Spannung so ruhig und so reglos wie der glatte unbewegte Meeresspiegel. Dann öffnete Budha seinen Mund und verkündete in Worten von hinreißender Kraft und Gewalt seine Lehre der Liebe und freiwilligen Weltentsagung. Alle Herzen flogen ihm zu und gaben sich ihm rückhaltlos zu eigen, denn obgleich er in der Sprache seines engeren Heimatlandes Magadha redete und der milde Blick seiner gütigen Augen mit der gleichen Liebe Alle ohne Unterschied umfaßte, war es einem Jeden der Anwesenden doch, als ob er in den Lauten seiner Muttersprache zu ihm redete und auch nur ihn allein dabei anblickte; und ganz ebenso erging es auch den Thieren, groß und klein. Tausende und Abertausende bekannten sich nach dieser seiner ersten Predigt zu seiner Lehre und wurden seine begeisterten Anhänger, darunter auch viele |

ii156 Fürsten, welche unerachtet des Widerstandes der herrschsüchtigen Brahmanen die neue Lehre, die alle Kastenunterschiede verwarf und die Gleichheit aller Menschen predigte, in ihren Ländern zur Staatsreligion erhoben. Auch der König Bimsara, zu dem sich Budha kurze Zeit darauf begab, wurde einer der eifrigsten und treuesten Bekenner der Lehre des edlen Weisen und blieb es bis zu seinem Tode, nach welchem er nicht wiedergeboren wurde.

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Budha lehrte, wie schon bemerkt, fünfundvierzig Jahre lang. Er soll ganz Indien durchzogen und auch die Insel Ceylon besucht haben. Er bekehrte allmälig den größten Theil der Bevölkerung und erlebte den vollkommenen Triumph seiner Lehre.

Ich unterlasse, so schwer es mir fällt, die vielen reizenden Erzählungen seiner weiteren Thätigkeit wiederzugeben und will nur noch über seine beiden Hauptschüler Seriyut und Mugalan, das Schicksal seines Sohnes, seines Vaters, seiner Pflegemutter, seines Weibes, ferner über die Aufnahme von Frauen in seinen Orden und seinen Tod berichten.

In den beiden Städten Kolita und Upatissa herrschten zwei vornehme Familien, welche schon sieben Generationen hindurch in dem innigsten Freundschaftsverhältniß zu einander standen. Jede dieser Familien hatte einen Prinzen, welcher denselben Namen wie seine Stadt führte. Der Prinz Kolita hatte ein Gefolge von 500 Wagen und der Prinz Upatissa ein solches von 500 goldnen Sänften. Sie besaßen beide eine hohe Geistesbildung, hatten dieselben Anlagen, dieselben Neigungen und Bestrebungen, kurz, waren so ganz Ein Herz und Eine Seele, daß was der Eine that, auch stets von dem Anderen gethan wurde. Aber während sie ihren Vergnügungen lebten und alle Genüsse und Freuden ihrer angenehmen bevorzugten Lebensstellung auskosteten, ging ihnen die Erkenntniß von der Vergänglichkeit und Nichtigkeit des menschlichen Daseins auf und sie suchten und forschten nach der Wahrheit, die sie vor dem Wiedergeborenwerden behüten und ihnen den Weg zur Erlangung von Nirwana erschließen könnte. Da sie einsahen, daß ihr eigenes Wissen hierzu nicht ausreichend sei, suchten sie einen gelehrten Brahmanen Namens Sanga auf, der in dem Rufe hoher Weisheit stand, und baten ihn, sie zu unterrichten. Aber seine Lehre befriedigte sie nicht. Sie verließen ihn deshalb und durchwanderten nach und nach |

ii157 sämmtliche 63,000 Staaten Indiens, ohne das kostbare Kleinod, das zu erlangen sie ausgezogen waren, finden zu können. Traurig und niedergeschlagen kehrte darauf ein Jeder in seine Heimath zurück, nachdem sie sich gegenseitig noch das Versprechen gegeben hatten, daß sobald Einer von ihnen den rechten Lehrer gefunden hätte, er den Anderen unfehlbar davon benachrichtigen würde. Nicht lange darauf kam ein junger Priester, ein Schüler Budha’s, in die Stadt Upatissa’s und während er mit seinem Almosentopf bescheiden von Haus zu Haus ging, um Gaben einzusammeln, wurde er von dem Prinzen, der sich von seiner ganzen Haltung und Erscheinung sofort ungemein angezogen fühlte, bemerkt und eingeladen, bei ihm zu speisen. Nachdem sie sich längere Zeit in den anregendsten und lehrreichsten Gesprächen ergangen hatten, sagte Upatissa zu dem Fremdling: »Aus Allem, was ich von dir sehe und höre, komme ich mehr und mehr zu dem Schlusse, daß der Weg, den du wandelst, der rechte ist und sicher nach Nirwana führt. Sage mir doch, wer ist dein Lehrer gewesen?« Der Schüler antwortete: »Budha.« Upatissa verlangte nun eifrig, durch ihn die Lehre dieses Weisen in ihrem ganzen Umfange kennen zu lernen. Aber der Schüler zögerte, weil er wußte, daß Sanga, der vorherige Lehrer Upatissa’s, ein Feind Budha’s war. Er antwortete deshalb ausweichend: »Ich bin erst seit Kurzem ein Schüler Budha’s; die Lehre ist sehr tief, wie sollte ich sie dir entwickeln können?« Aber Upatissa ließ nicht ab zu bitten und sagte, daß wenn er ihm auch nur wenige kurze Anhaltspunkte geben wollte, er aus diesen schon selbst die nöthigen Consequenzen zu ziehen wissen würde. Darauf sagte der Schüler: »Budha lehrt, daß alle Dinge eine Ursache haben; daß die Welt entstanden ist (d.i. nicht immer gewesen ist), und daß sie untergehen wird.«

Als Upatissa dies hörte, rief er freudig aus: »Ich glaube an Budha. Wo hält er sich auf? Ich will zu ihm und auch sein Schüler werden!« Als er den Aufenthaltsort des Weisen erfahren hatte, eilte er zu seinem Busenfreunde Kolita, theilte ihm voll Freude mit, daß ihnen das Ziel ihrer Sehnsucht endlich nahe gerückt sei, und Kolita, als er Alles vernommen hatte, glaubte gleichfalls an Budha.

Unverweilt traten die beiden Freunde nun miteinander den Weg zu Budha an. Als dieser sie herannahen sah, las er das |

ii158 Verlangen, das sie zu ihm führte, in ihren Herzen und er sagte erfreut zu seinen Begleitern, daß die beiden Ankömmlinge seine Hauptschüler sein würden. Nachdem sie ihn voll Ehrfurcht begrüßt und angebetet hatten, fragten sie ihn demüthig, ob er sie für würdig hielte, der Heilswahrheit theilhaftig zu werden, nach der sie dürsteten, und Budha nahm sie voll Güte auf, indem er sagte: »Kommet her zu mir! Ich will euch von aller Sorge und irdischen Drangsal befreien und euch den Weg zur Erlösung zeigen. Höret mir zu.«

Er offenbarte ihnen hierauf seine Lehre, von dem Hauptsatze ausgehend:

»Der Mensch muß sich vollkommen von aller schlechten Begierde reinigen; die Tugend muß mit glühender Seele erfaßt werden; das Fleisch muß vollständig ertödtet werden: Das ist Budha’s vornehmstes Gebot.«

Sie verstanden ihn so vollkommen, als ob sie schon hundert Jahre lang seine Schüler gewesen wären, und nachdem ihnen Budha die Priesterweihe ertheilt hatte, wurden sie noch desselbigen Tages eingekleidet. Von dieser Zeit ab hieß Kolita Mugalan und Upatissa Seriyut und wurden sie beide ihres erhabenen Meisters unzertrennliche Begleiter und treueste Jünger und Freunde.

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Noch währenddem Budha in Weluwana, dem Orte war, wo ihn Seriyut und Mugalan aufgesucht hatten, erreichte ihn eine Botschaft seines alten Vaters, der ihn dringend ersuchen ließ, nach seiner Vaterstadt Kapilawastu zu kommen. »Es ist mein innigster Wunsch, dich vor meinem Tode noch einmal zu sehen,« ließ ihm der greise König sagen; »sieben Jahre sind es nun schon, daß wir ohne dich leben müssen; unzählige Andere, die dir nicht durch die Bande des Blutes verbunden sind, dürfen sich täglich deiner Nähe erfreuen und die Wohlthat deines Segens und deiner Lehre empfangen. Wir aber, dein alter Vater und die nächsten Deinen, sehnen uns vergeblich nach deinem Anblick.«

Diese Botschaft wurde Budha, der sofort nach Kapilawastu aufzubrechen befahl, durch den Edelmann Kaluda überliefert, einem in jeder Beziehung vertrauenswürdigen Mann, der an demselben Tage wie Budha geboren und in seiner Kindheit sein treuer Spielgefährte gewesen war. Mit dieser Botschaft aber hatte es die folgende Bewandtniß.

ii159 Nicht weniger als neun Abgesandte waren von dem Könige Sudhodana vordem schon und mit einem jedesmaligen Gefolge von eintausend Begleitern an seinen Sohn abgeschickt worden, um ihn zu einem Besuche in der Heimath zu bewegen: aber Keiner war zu ihm zurückgekehrt, noch hatte jemals Einer den ihm gewordenen Auftrag ausgerichtet. Es hatte sich nämlich immer so gefügt, daß die Betreffenden gerade in dem Augenblicke an dem Orte, wo Budha weilte, ankamen, wann er, umringt von der begeisterten Schaar seiner Jünger und Anhänger, seine große Lehre verkündete; und es war so unmöglich, den lehrenden Budha zu hören, ohne für die Wahrheiten gewonnen zu werden, die er mit so eindringlicher Beredsamkeit als die Mittel auswies, um zur Seligkeit zu gelangen, daß sie darüber die irdische Angelegenheit, die sie hergeführt hatte, regelmäßig aus dem Gedächtniß verloren und als seine Jünger von da an nur noch ihrer inneren Reinigung und Heiligung lebten. Auch Kaluda war es so ergangen; er war ein Priester und, nachdem er die letzten irdischen Fesseln abgestreift hatte, sogar bereits ein seliger rahat geworden. Aber er hatte dem alten König so fest versprochen, daß, möchte aus ihm werden was da wolle, er zu ihm zurückkehren werde, um ihm mindestens den Erfolg seiner Botschaft zu melden, daß er jetzt eilends durch die Lüfte geflogen kam, um dem erfreuten Vater die nahe bevorstehende Ankunft seines Sohnes zu verkünden.

Der König war überglücklich, als er die Nachricht vernahm und ließ sofort den von weiten großen Gärten umgebenen herrlichen Landsitz Nigrodha unweit Kapilawastu für Budha und die ihn begleitenden zahlreichen Priester und Anhänger in Bereitschaft setzen. Dann zog er ihm entgegen, begleitet von allen Prinzen seines Hauses und den Edlen des Reichs, und gefolgt von einer ungeheuren Volksmenge, die nach und nach bis auf 160,000 Köpfe anschwoll. Alle waren festlich gekleidet, trugen Blumen und balsamisch duftende Opfergaben in den Händen und dem Zuge vorauf schritten tausend Knaben und Mädchen aus den ersten Familien des Landes, um den Nahenden auf der Schwelle der Heimat willkommen zu heißen. Das Wiedersehen zwischen Vater und Sohn war ergreifend. »Mein Herr und Gebieter, mein Prinz Sidhartta, mein Budha,« stammelte der alte König, indem er ganz überwältigt von der göttlichen Hoheit, die sich in Budha’s Erscheinung aussprach, auf die Kniee vor ihm |

ii160 sank, »mein Sohn, mein lieber Sohn! Wenn ich auch dein Vater bin, weil du in meinem Hause geboren wardst, will ich dich doch von nun ab nicht mehr mein Kind nennen, denn ich bin nicht werth, dein Sklave nur zu sein. Ich habe dir schon in deiner Kindheit Tagen zwei Mal anbetend gehuldigt, als du göttliche Wunder vor mir verrichtetest und will es jetzt zum dritten Male thun als das Einzige, womit ich dir meine Liebe bezeigen kann: denn wollt’ ich dir mein ganzes Königreich zu Füßen legen, du würdest es doch nicht höher achten, als die Asche, die in alle Winde zerstiebt.« Die Prinzen und Edlen, ingleichen das ganze Gefolge, folgten dem Beispiele des Königs; und wie sie sich allesammt tief mit der Stirne zur Erde neigten und dann wieder emporrichteten, war es gerade, wie wenn ein heftiger Wind über die Wipfel eines Bambuswaldes dahinfährt und sie hin- und herbewegt. Hierauf ertheilte Budha Allen seinen Segen, wobei er sich langsam in die Lüfte erhob und dort längere Zeit stehen blieb, während Ströme von Licht aus seinen Augen, seinen Haaren, Händen und Füßen hervorbrachen und seine ganze Gestalt in ein siebenfarbiges Strahlenmeer einhüllten. Aller Blicke hingen entzückt an der himmlischen Erscheinung und es war Keiner, dessen Herz nicht in Wonne erbebte, als habe er eine gute große That vollbracht.

Anderen Tages gingen die Wogen der freudigen Erregung, die sich der königlichen Familie und der ganzen Bevölkerung bemächtigt hatte, noch immer so hoch, daß kein Mensch in der Stadt daran dachte, Budha und sein zahlreiches priesterliches Gefolge draußen in Nigrodha mit Nahrung zu versorgen. Er nahm deshalb, wie gewohnt, in der Frühe des Morgens seinen Almosentopf in die Hand und brach, begleitet von den 20,000 Priestern, die mit ihm gekommen waren, nach Kapilawastu auf, um dort von Haus zu Haus die milden Gaben einzusammeln. Auf dem Wege dahin sprang an jeder Stelle, die sein Fuß im Begriffe zu berühren stand, eine Lotosblume empor, die augenblicklich wieder verschwand, sobald er darüber hingeschritten war; zugleich vergingen wie Butter, die man dem Feuer nahe bringt, alle Unebenheiten des hügeligen Terrains, über das der Weg führte; ein frischer Wind erhob sich, der jede Unreinheit der Luft hinwegfegte und ein feiner Sprühregen fiel, um den Staub der Landstraße niederzuschlagen. In der Nähe von Kapilawastu wurde der Glanz, der von Budha ausstrahlte, von |

ii161 so intensiver Stärke, daß alle Thore, Mauern, Thürme und Denkmäler wie in einen Strom flüssigen Goldes getaucht erschienen und die ganze Stadt von Licht überflutet wurde. Voll Entzücken über das neue Wunder eilten von allen Seiten die Einwohner herbei und sahen nun den vergötterten Sohn ihres Herrschers, dem ärmsten Paria gleich, von Thür zu Thüre betteln gehen!

Dieser Anblick überstieg ihr Fassungsvermögen dergestalt, daß sie in stummer Verblüfftheit wie gelähmt standen. Keiner rührte sich, um ihm seinen Almosentopf abzunehmen oder ihm Nahrung anzubieten. Budha indessen wanderte unverdrossen von Haus zu Haus, auch das niedrigste und unansehnlichste mit seiner lichten Gegenwart erhellend, wie der Mond, dessen silberne Strahlen ja auch ohne Unterschied in der kleinen schmutzigen Pfütze so gut wie im weiten Oceane sich spiegeln.

Mittlerweile hatte man seine Gattin, die Prinzessin Yasodhara, von seiner Anwesenheit in der Stadt und den merkwürdigen Umständen derselben unterrichtet. Sie eilte an das Fenster ihres Palastes und sah ihn in der Ferne, wie er gerade eine Gabe entgegennahm. »Ach!« rief sie schmerzlich, »der Prinz Sidhartta im gelben Büßerkleide von Haus zu Haus gehend mit dem irdenen Almosentopfe in der Hand! Er, der in dieser nämlichen Stadt nie anders gesehen wurde, als mit seinem lilienweißen Viergespanne fahrend, von tausend Edlen gefolgt und mit den vierundsechzig Abzeichen seiner königlichen Würde geschmückt! Wehe! wehe! daß ich Solches erleben muß!« Und verzweiflungsvoll rang sie die Hände und schluchzte laut. Aber plötzlich versiegten ihre Thränen und sie wurde ganz still: ein Strahl des himmlischen Friedens, der auf seinem Angesichte lag, war in ihr kummervolles Herz gefallen, und hatte ihr seine freiwillige Armuth, die äußere Niedrigkeit und Bedürfnißlosigkeit seines gegenwärtigen Standes in blendender Helle als die Vorstufen zur höchsten Seligkeit enthüllt. »O Sidhartta,« sprach sie leise in ihrem Herzen, »wohl hast du, als du in der Nacht, da Rahula geboren ward, heimlich dein Weib und Kind verließest, ein Königreich von dir geworfen: aber ich sehe, du hast an seiner Statt ein anderes gewonnen, vor dessen Herrlichkeit jenes erbleichen muß wie die Sterne vor der Sonne.«

Nicht so der König Sudhodana. Auch zu ihm war die Kunde |

ii162 von den seltsamen Vorgängen in der Stadt gedrungen und ohne sich nur die Zeit zu gönnen, seine königlichen Gewänder anzulegen, war er in athemloser Hast aus seinem Palaste auf die Straße und zu seinem Sohne gestürzt. »Warum thust du mir solchen Schimpf und solche Schande an?« rief er ihm schon von Weitem und ganz außer sich zu. »Bin ich nicht reich genug, um alle Könige der Erde, wenn du sie mir zu Gaste brächtest, zu bewirthen, geschweige denn dich und deine anspruchslose Priesterschaar?« Doch Budha sagte ruhig lächelnd: »Das ist so Sitte und Gebrauch bei dem Geschlechte, dem ich angehöre.« – »Wie, deines Geschlechtes?« rief der erregte König. »Hast du in dem Büßerleben deiner Waldwildniß etwa vergessen, daß wir in ganz direkter Abstammung die Abkömmlinge von Göttern sind? Nie noch hat Einer aus dem erlauchten Sakya- Geschlechte den Betteltopf in der Hand getragen, vielmehr waren einzelne deiner Vorfahren so begnadet mit übernatürlichen Vorzügen, daß ihr Fuß nur aufzustampfen brauchte und die Erde öffnete sich, ihre Wünsche zu erfüllen!« – »Nicht diese Vorfahren auch meinte ich, mein Vater,« antwortete Budha mit feinem Lächeln, »sondern die Lehrer der Menschheit, die mir im Amte vorangegangen sind. Siehe,« fuhr er dann eindringlich fort, als er sah, wie des Königs Aufregung sich besänftigte, »wie Einer, der einen verborgenen köstlichen Schatz gefunden hat und nun den schönsten und werthvollsten der Edelsteine davon herausnimmt, um ihn vor Allem seinem Vater zum Geschenke darzubieten, so auch möcht’ ich dir, mein Vater, das unschätzbare Kleinod meiner Lehre erschließen, damit das höchste Glück, das hienieden zu erreichen ist, dein sicheres Eigen werde. Leihe mir ein willig Ohr; zaudere nicht länger, dich zu meiner Lehre zu bekennen, du wirst es nicht bereuen.« Und der alte König lauschte auf der offenen Straße mit solch unwiderstehlich gefesselter Aufmerksamkeit den Wahrheiten, welche ihm der Mund des geliebten Sohnes verkündete, daß er noch zur selbigen Stunde von den vier Pfaden, die nach Nirwana führen (S. Phil. d. Erl., Bd. I, S. 617), die beiden ersten errang. Dann nahm er den Almosentopf Budha’s in die eigene Hand und geleitete den Weisen und seine Priesterschaar nach seinem Palaste, wo er Alle auf das Reichlichste bewirthete. Als die Mahlzeit beendet war, erschienen auch die 40,000 Prinzessinnen, welche Budha, als er noch Prinz Sidhartta war, neben seiner rechtmäßigen Gemahlin Yaso|dhara

ii163 besessen hatte, und brachten ihm göttliche Huldigungen dar. Nur Yasodhara hielt sich ferne, was den König veranlaßte, zu ihr zu schicken und sie bitten zu lassen, doch auch zu kommen. Aber sie ließ zurück sagen, daß wenn sie irgend welcher Beachtung von Budha’s Seite würdig sei, dieser schon von selber kommen und sie aufsuchen würde, damit sie ihn begrüßen könne. Als Budha dies hörte, erhob er sich sofort, um sich nach ihren Gemächern zu begeben. Auf dem Wege dahin sagte er zu Seriyut und Mugalan, die an seiner Seite gingen, daß er voraussähe, daß das bevorstehende Wiedersehen mit der Prinzessin für diese letztere ein überaus schmerzliches sein werde; daß man sie aber in Allem, was sie etwa dabei thun werde, ruhig gewähren lassen möchte, weil der Kummer, der ihre Seele erfülle, ihr sonst die Brust zersprengen würde. Sie habe ihm in früheren Lebensläufen bereits den werthvollsten Beistand zur Erlangung des Erlöseramtes geleistet und er verdanke ihr viel. »Ich selbst bin frei von allem irdischen Wunsche,« schloß er, »sie aber ist es, in Folge ihrer übergroßen Liebe zu mir, noch nicht; aber der Tag ist nicht mehr ferne, wo sie es auch sein wird und dann wird sie auch von mir die Weihe als Priesterin empfangen.«


Date: 2015-01-02; view: 779


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