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Papa hat nichts gegen Italiener

Von Margarete Jehn

Vater und SOHN: sind allein.

 

Sohn: Papa, Charly hat gesagt, sein Vater hätt’ was gegen Italiener.1

Vater: So? Letzte Woche hast du’s doch noch ganz anders erzählt.

Sohn: Das war vielleicht vorher. Bevor Charlys Vater Vincenzo kennengelernt hat.

Vater: Und wer ist das - Vincenzo?

Sohn: Vincenzo? Ein Italiener. Der trainiert immer mit uns auf dem Bolzplatz.2

Vater: Und Charlys Vater mag diesen Vincenzo nicht?

Sohn: Er hat gesagt, er will mit diesem Makkaronifresser nicht an einem Tisch sitzen. Charlys Mutter hat aber nichts gegen Vin­cenzo.

Vater: Und was sagt dieser Ma- und was sagt dieser Vincenzo dazu?

Sohn: Nichts. Er sagt, wenn Charlys Vater was gegen ihn hat, dann will er sich auch nicht aufdrän­gen,3 dann bleibt er eben zu Haus. Vincenzo hat nur ein ganz kleines Zimmer, sagt Charly, da ist nicht mal ‘ne Heizung drin. Aber er muß eine Menge4 Geld dafür bezahlen - das machen die Leute hier mit allen Gast­arbei­tern so.

Vater: Tja - meistens haben diese Gastarbeiter aber selbst schuld. Sie brauchten doch diese Wucher­preise5 nicht zu zahlen.

Sohn: Charly hat gesagt, sonst kriegen6 die überhaupt keine Wohnung. Die meisten Leute hier mögen Italiener nicht. Du hast doch nichts gegen Italiener, Papa, oder?

Vater: Was sollte ich gegen Italiener haben?

Sohn: Was haben die Leute denn gegen die Italiener?

Vater: Die Leute sind eben der Meinung, daß Italiener und Türken und so weiter nicht viel taugen.7

Sohn: Und was denkst du von den Italienern?

Vater: Nichts. Was soll ich denn schon von ihnen denken!

Sohn: Man müßte viel mehr für die Italiener tun, sagt Charly.

Vater: Dann sag du Charly mal, es genügt nicht, daß man so etwas sagt - besser ist, man hält den Mund8 und tut etwas für sie.

Sohn: Tust du denn etwas für die Italiener, Papa?

Vater: Ich kann nichts für sie tun, weil ich keine Italiener kenne. Außerdem sind Italiener nicht die einzi­gen Gastarbeiter in der Bundesrepublik! Ich hab mich neulich9 zum Beispiel sehr nett mit einem türki­schen Ehepaar unterhalten.

Sohn: Und hast du auch was für die getan?

Vater: Ich kann doch nicht für jeden, den ich zufällig10 treffe, gleich was tun! Wie stellst du dir das denn vor?11 In gewisser Weise12 hab ich schon etwas für sie getan.

Sohn: Wie denn?

Vater: Ich habe sie wie Gäste behandelt.13

Sohn: Wie denn

Vater: Frag doch nicht so dumm! Wie behandelt man Gäste?

Sohn: Weiß ich nicht.

Vater: Gäste behandelt man höflich.

Sohn: Wie ist man denn, wenn man höflich ist?

Vater: Man vermeidet es,14 seine Überlegenheit15 zu zeigen, man benimmt sich16 taktvoll.17 Mir ist es zum Beispiel nicht in den Sinn gekommen,18 diesen Türken zu zeigen, daß ich mehr kann und weiß als sie.

Sohn: Weißt du denn mehr als die?

Vater: Natürlich weiß ich mehr als sie.



Sohn: Woher weißt du denn, daß du mehr weißt?

Vater: Weil ich als Beamter eine höhere Bildung19 besitze als türkische Fabrikarbeiter, das leuch­tet viel­leicht sogar dir ein.20

Sohn: Wie ist das denn, eine höhere Bildung?

Vater: Na, wenn man sich zum Beispiel gewählt ausdrückt,21 wenn man gutes Deutsch spricht.

Sohn: Sprichst du auch besser Türkisch als die Türken, Papa?

Vater: Unsinn, ich spreche überhaupt nicht Türkisch.

Sohn: Dann sind die Türken ja vielleicht auch gebildet. Und du merkst22 das bloß nicht, weil du ja nicht Türkisch sprichst. Oder?

Vater: Nein, diese Türken waren nicht gebildet.

Sohn: Haben die dir das gesagt?

Vater: Das habe ich gesehen. Schluß jetzt!

Pause

Sohn: Du, Papa, Charly hat gesagt, zwischen einem Türken und einem Italiener, da merkt man manchmal gar keinen Unter­schied.

Vater: Möglich. Ich hab noch nicht drauf geachtet.23

Sohn: Merkt man zwischen einem Deutschen und einem Italiener auch keinen Unterschied?

Vater: Die Frage kannst du dir doch selbst beantworten. Seh ich etwa aus24 wie Vincenzo?

Sohn: Nö, du bist dicker.

Vater: Darum geht es ja gar nicht!25 Die Deutschen sind meistens groß und hellhäutig,26 die Italie­ner sind klein und dunkelhäutig.26

Sohn: Vincenzo ist aber gar nicht klein.

Vater: Dann ist Vincenzo eben eine Ausnahme. Ich möchte zum Beispiel kein Italiener sein.

Sohn: Warum denn nicht? Wenn einer nicht so weiße Haut hat, das find ich aber viel schöner.

Vater: Auf das Aussehen kommt es ja überhaupt nicht an.27

Sohn: Auf was denn? Du? Papa?

Vater: Auf das, was jemand darstellt.28

Sohn: Was stellst du denn dar, Papa?

Vater: Solch eine blöde Frage beantworte ich nicht.

Sohn: Ich glaube, Mama findet Italiener auch viel schöner.

Vater: Mama? Mama würde sich schön bedanken,29 wenn sie mit einem Italiener verheiratet wäre.

Sohn: Warum denn?

Vater: Weil ein Italiener ihr nicht das alles bieten30 könnte, was ihr Leben jetzt so angenehm macht.

Sohn: Warum denn nicht?

Vater: Dir ist doch sicher schon aufgefallen,31 daß Mama besser angezogen ist als zum Beispiel Charlys Mutter und viele andere Frauen.

Sohn: Nö.

Vater: Sie ist aber besser angezogen. Deine Mutter ist eine gepfleg­te Frau.32

Sohn: Wenn sie mit einem Italiener verheiratet war, war sie dann keine gepflegte Frau?

Vater: Wenn sie mit einem Italiener verheiratet wäre, könnte sie nicht so hübsche Kleider tragen und nicht jede Woche zum Friseur gehen.

Sohn: Warum denn nicht?

Vater: Weil das zu teuer wäre.

Sohn: Würde der Italiener denn nicht so viel Geld verdienen wie du?

Vater: Nein, er würde vermutlich33 nicht so viel Geld verdienen.

Sohn: Warum denn nicht?

Vater: Weil die Italiener nicht so fleißig sind wie die Deutschen.

Sohn: Warum sind die denn nicht so fleißig?

Vater: Das liegt an ihrer Mentalität,34 an ihrer geistigen Einstel­lung.34

Sohn: Aber wenn die keine Lust zum Arbeiten hätten, dann wür­den die doch gar nicht herkommen, oder?

Vater: Sie kommen nicht, weil das Arbeiten ihnen Spaß macht, sondern weil sie Geld verdienen wollen, und das möglichst schnell und möglichst viel.

Sohn: Vincenzo hat gesagt, wenn alle Italiener auf einmal aufhör­ten, hier zu arbeiten, dann würden wir ganz schön in der Tinte sitzen.35 Stimmt das denn nicht?

Vater: Nein, so wie Vincenzo es sagt, stimmt es nicht.

Sohn: Charly hat gesagt, wir würden im Dreck umkommen,36 wenn wir die Gastarbeiter nicht hätten.

Vater: Früher hat hier auch ohne Gastarbeiter alles vortrefflich37 geklappt.38 Da hatten wir aller­dings auch noch eine andere Regierung.

Sohn: Vincenzo hat gesagt, heutzutage will kein Deutscher mehr Dreckarbeit machen.

Vater: Dann muß man eben durch Heiß so weit vorankommen,39 daß man es sich leisten kann, andere den Dreck wegschaffen40 zu lassen - damit muß Vincenzo sich eben abfinden.41

Sohn: Aber wenn die Deutschen jetzt noch ihren ganzen Dreck allein wegmachen müßten, würde denen das mehr Spaß machen als den Italienern?

Vater: Weiß ich nicht. Spaß macht so was nicht.

Sohn: Aber du hast doch vorhin gesagt, die Deutschen arbeiten lieber.

Vater: Das habe ich so nicht gesagt, nur sinnvolle Arbeit macht Spaß.

Sohn: Du, Papa, warum haben wir denn noch keinen Italiener?

Vater: Wir? Was sollen wir denn mit einem Italiener!

Sohn: Weil Mama doch sagt, sie war nur dazu da,42 immer unseren Dreck wegzumachen.

Vater: Zu wem hat Mama das gesagt?

Sohn: Zu Vincenzo ...

Vater: Mama zu Vincenzo ...

Sohn: Und da hat Vincenzo gesagt, er würde gern den ganze Dreck für Mama wegmachen, wenn Mama nur dabei zuguckt.

Vater: Wann hat Mama... Woher kennt Mama diesen Vincenzo denn?

Sohn: Von mir. Wir haben ihn mal auf der Straße getroffen, und da hat er zu Mama gesagt, er findet sie so schön, und er möchte mal eine neue Frisur an ihr ausprobieren. Weil er doch Friseur ist. Und da ist Mama mal hingegangen. Und sie hat zu m gesagt, Vincenzo wäre der beste Friseur von der ganzen Welt. Und Sonntag ...

Vater: Wie alt ist dieser Vincenzo eigentlich?

Sohn: Du, Papa, und Sonntag ...

Vater: Ich hab dich was gefragt!

Sohn: Was denn?

Vater: Wie alt dieser Italiener ist.

Sohn: Weiß ich nicht...

Vater: Wo ist Mama?

Sohn: Die ist nicht da.

Vater brüllt: Das seh ich selbst. Ich will wissen, wo sie ist!!

Sohn: Die? Beim Friseur.

Vater: So. Beim Friseur. Und wieso erfahre44 ich das erst jetzt?

Sohn: Du hast doch gesagt, du hast nichts gegen Italiener.

Vater brüllt noch lauter: Ich hab auch nichts gegen Italiener!

 

O sole mio

 

 

Abweichungen des gesprochenen Textes vom Originaltext:

Z. 5: Na ja, das war ... (statt: Das war ...)

Z. 22: Tja - na ja, meistens haben... (statt ;Tja - meistens haben...)

Z. 35: ... und tut wirklich etwas für sie. (statt:. . . und tut etwas für sie.)

Z. 39: Ich hab mich da neulich ... (statt: Ich hab mich neulich ...)

Z. 43: Im übrigen hab ich in gewisser Weise. .. (statt: In gewisser Weise hab ich ...)

Z. 65: ..., ich spreche natürlich überhaupt... (statt:..., ich spreche überhaupt...)

Z. 81: Ach, darum geht es doch gar nicht! (statt: Darum geht es ja gar nicht!)

Z. 84: Ich möchte jedenfalls kein ... (statt: Ich möchte zum Beispie kein ...)

Z. 92: Also solch eine ... (statt: Solch eine ...)

Z. 127: ..., dann würden wir aber ganz ... (statt:..., dann würden wir ganz ...)

Z. 142: ... wie den Italienern? (statt:... als den Italienern?)

Z. 156: Na ja und da hat... (statt: Und da hat...)

Z. 158: Sag mal, wann hat Mama ... Ich meine, woher... (statt: Wann hat Mama ... Woher ...)

 

 


Date: 2015-12-24; view: 7053


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