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I. Zur Einführung

Deutsche und Ausländer Thema: Die Gastarbeiter kommen Stunde 2

I. Zur Einführung

Lesen Sie das folgende Zitat. Warum bevorzugt Max Frisch den Begriff “Fremdarbeiter”? Welche deutsche Erwartungshaltung beinhaltet der Begriff “Gastarbeiter “?

“Ein kleines Herrenvolk sieht sich in Gefahr: Man hat Arbeitskräfte gerufen, und es kommen Menschen. Sie fressen den Wohlstand nicht auf, im Gegenteil, sie sind für den Wohlstand unerlässlich. Aber sie sind da: Gastarbeiter oder Fremdarbeiter? Ich bin fürs letztere, sie sind keine Gäste, die man bedient, um an ihnen zu verdienen, sie arbeiten und zwar in der Fremde, weil sie in ihrem eigenen Land auf keinen grünen Zweig kommen.“ Max Frisch

II. Zum Textverständnis und zum Verständnis des Fims „Deutsche und Ausländer – 100 Deutsche Jahre“

1. Erläutern Sie mit eigenen Worten folgende Begriffe:

der Vertriebene der Zivilbedienstete

das Einwandlungsland das Rotationsprinzip

die Wirtschaftsflaute der Vorarbeiter

die Fluktuation der Gastarbeiter

Zum Begriff „Gastarbeiter”Die ersten Neuankömmlinge wurden in der Bundesrepublik noch als „Fremdarbeiter” bezeichnet, auch von „Sondertransporten” nach Deutschland war zuweilen die Rede. Dies stieß bald auf Kritik, man wollte keine Erinnerungen an die NS-Zeit aufkommen lassen. So wurde der Begriff „Gastarbeiter” eingeführt. Als immer deutlicher wurde, dass viele Migranten in Deutschland bleiben wollten, schien auch „Gastarbeiter” zunehmend unpassend. 1971 lobte der WDR ein Preisausschreiben zur Namensfindung aus. Vorgeschlagen wurden u.a. „Auslandsmitmenschen”, „Eurobienen”, „Helferos”, „Eurosklaven” und „bundesdeutsche Heinzelmännchen”. Am Ende entschied sich die Jury für „ausländische Arbeitnehmer”.

2. Was bedeuten folgende Sätze und Ausdrücke?

§ Durch den Bau der Mauer 1961 versiegte die Zuwanderung oft hoch qualifizierter Facharbeiter aus dem Osten Deutschlands.

§ Im November 1954 fühlte der deutsche Wirtschaftsminister Ludwig Erhard beim italienischen Außenminister vor.

§ Das Procedere der Anwerbung war ganz auf die Bedürfnisse der Arbeitgeber zugeschnitten.

§ 1977 war mit 2595000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten der Höhepunkt erreicht.

§ Die westdeutsche Wirtschaft boomt.

§ Mit großem Bahnhof wird der einmillionste Gastarbeiter empfangen.

3. Beantworten Sie folgende Fragen aus dem Text und aus dem Film:

a.Welche Interessen der Wirtschaft bilden den Hintergrund für die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte in der Bundesrepublik Deutschland?

b.Mit welchen Maßnahmen sollte ein Verbleiben der Gastarbeiter verhindert werden?

c.Was verstand man unter dem Rotationsprinzip? Warum wurde es schon nach kurzer Zeit aufgegeben?

d.Warum wurden die ausländischen Arbeitnehmer in provisorischen Unterkünften einquartiert?

e.Wozu führten die regelmäßig verlängerten Arbeitsverträge vieler Ausländer?



 

Beschreiben Sie das Leben der italienischen Gastarbeiter in Deutschland der 50er – 60er Jahre. Warum war das deutsche Bild der der italienischen Einwanderer in den 50er/60er Jahren teilweise negativ geprägt? Listen Sie die Gründe dafür auf. Berufen Sie sich auf die folgende Information:

Gruppen von Italienern auf den Bahnhöfen – das ist ein Bild, das bei vielen Deutschen fest mit der Erinnerung an die ersten italienischen „Gastarbeiter“ verbunden ist. Italienische Männer, die zusammen standen, mit großen Gesten laut durcheinander redeten und den jungen Mädchen hinterher pfiffen. In den ersten Jahren nach Abschluss des Anwerbevertrags kamen hauptsächlich italienische Männer nach Deutschland. Viele von ihnen waren Junggesellen. Diejenigen, die verheiratet waren, kamen meist alleine, weil sie nur kurze Zeit in Deutschland arbeiten wollten. Der größte Teil des verdienten Geldes war für die Familie in Italien bestimmt. Für das Leben in Deutschland blieb nicht viel übrig:

 

„5,80 DM täglich = 174,- DM monatlich sind für die deutsche Lebensweise nicht viel, aber der Italiener rechnet in ca. 26.000 Lire, von denen in der Heimat seine ganze Familie einen Monat lang leben könnte. Deshalb will der Italiener gern bescheidener leben, um mehr für seine Familie erübrigen zu können.“

Bericht des Sozialfürsorgers der Caritas Mario de Matteis, Anfang der 1960er Jahre

Archiv des deutschen Caritas Verbandes e.V., Signatur 380.211.059 Fasz. 01

 

Kino- oder Kneipenbesuche wollten sich viele nicht leisten. Neben den Unterkünften blieben nur die Bahnhöfe als billige Treffpunkte. Vereine oder Ähnliches gab es noch nicht für Italiener. Bahnhöfe lagen in der Regel zentral, für jeden erreichbar, so dass sich alle dort treffen konnten. Neuankömmlinge wurden begrüßt, Neuigkeiten ausgetauscht. Von hier startete man auch zu gemeinsamen Ausflügen. Einen Luxus gönnten sich aber doch etliche der alleinstehenden Italiener: Tanzen gehen. Bei diesen Gelegenheiten lernten sie auch deutsche Frauen kennen. Häufig sahen sich deutsche Männer durch diese Konkurrenz in den Hintergrund gedrängt. Handgreifliche Konflikte zwischen Deutschen und Italienern führten dazu, dass manche Kneipenwirte Italienern Lokalverbot erteilten. Auf deutscher und auf italienischer Seite wurde immer wieder das Problem der moralisch-sittlichen Gefährdung der allein lebenden italienischen Männer in Deutschland angesprochen. Die deutschen Stellen sahen vor allem eine Gefahr für die Moral der deutschen Mädchen:

„[...] Die Kehrseite der Medaille zeigt ein Heim in Grevenbroich, dessen junge Insassen zum grossen Teil uneheliche Kinder deutscher Mädchen sind, Kinder deren Väter - ausländische Gastarbeiter - sich wieder in die Heimat abgesetzt haben. [...]“

Ruhrnachrichten 10.01.1964, Gastarbeiter isolieren sich in Baracken-Zentren

 

Auf italienischer Seite gab es dagegen Stimmen, die beklagten, dass die jungen Italiener fern der Heimat die Daheimgebliebenen vergaßen:

„[...] Giovanna Jabichella ist eine der annähernd 500 000 so genannten weißen Witwen Italiens, deren Männer auf Arbeitsuche ins Ausland gingen, dann noch eine Zeitlang schrieben und zumeist auch Geld schickten, schließlich aber nichts mehr von sich hören ließen.[...] In der Regel ist es eine fremdländische Frau, die den Emigranten seine Familie vergessen läßt. Beichtete ein Gastarbeiter in Rosenheim: „[...] Eines Sonnabends kam dann eine der Reinemachefrauen zu mir und sagte: ‚Du hast ja völlig zerrissene Strümpfe. Wenn du willst, stopfe ich sie dir.’ Da vergaß ich Frau und Familie.“ Nach den Unterlagen des ANFE [Nationaler Verband der Familien der Ausgewanderten] sind die allein stehenden Italiener in Deutschland, Frankreich und Südamerika besonders gefährdet, weil die Frauen in diesen Ländern als sehr zugänglich gelten. [...]“

„Weiße Witwen“, in: Der Spiegel, Nr. 13/1966

 

Um die seelsorgerische, aber auch die sittlich-moralische Betreuung der italienischen Emigranten im Ausland kümmerten sich italienische Priester. Diese Arbeit der katholischen Kirche Italiens ist so alt wie die Tradition der Auswanderung aus Italien selber. Bereits im 19. Jahrhundert wurden Priester für die Seelsorge der Italiener nach Nordeuropa und nach Amerika geschickt. In den 1950er Jahren führte die Kirche diese Arbeit fort. In den größeren Städten des Ruhrgebiets wurden – wie in der ganzen Bundesrepublik – katholische Zentren eingerichtet: die Missione Cattolica Italiana. Italienische Priester, häufig Ordensbrüder, übernahmen die seelsorgerische Betreuung für mehrere Gemeinden. Die italienischen Missionen waren und sind an die Bistümer in Essen, Paderborn und Münster angeschlossen. Vor allem seit dem verstärkten Familiennachzug in den 1960er Jahren entwickelten sich die Missionen zu lebendigen Gemeindezentren. Mit Sprachkursen, Hausaufgabenbetreuung, Nähkursen oder Folklore-Tanzgruppen boten sie weit über die religiöse Betreuung hinaus Unterstützung in der Fremde und gleichzeitig immer auch Brücke in die Heimat.
Ein anderes Betätigungsfeld für die Gemeinden war die Sozialberatung. Das deutsche Steuer-, Renten- und Krankenkassensystem war für die meisten Italiener kaum durchschaubar. Hinzu kamen Sprachprobleme. Um in diesen Fragen zu helfen, übernahmen die italienischen Missionen zusammen mit dem Sozialdienst für Italiener der Caritas und der italienischen ACLI auch die soziale und arbeitsrechtliche Beratung der Emigranten. Italienische Fürsorger betreuten dabei zum Teil riesige Gebiete:

 

„[...] Der Sozialfürsorger, Mario de Matteis [...] betreut die italienischen Arbeiter im östlichen Teil des Ruhrgebiets mit den Hauptzentren Dortmund, Bochum, Hagen, Castrop-Rauxel, Witten usw. und im übrigen Teil der Diözese Paderborn, die sich ungefähr von Siegen und Olpe bis nördlich von Bielefeld und Detmold erstreckt. In diesem Gebiet waren im Jahre 1960 laut offizieller Statistik ungefähr 6000 italienische Arbeiter beschäftigt. [...]“

Bericht über den Stand der Betreuung italienischer Arbeitskräfte in der Bundesrepublik; 2. Februar 1961; Dr. Giacomo Maturi, Referent des Deutschen Caritasverbandes für die Betreuung ausländischer Arbeiter

Archiv des Deutschen Caritasverbandes 380.21.059 Fasz. 01

„[...] Eine weitere Notwendigkeit läge in einer kulturellen Betreuung. Immer wieder, so berichten unsere Fürsorgerinnen, begegneten sie abends, samstags und sonntags italienischen Gruppen, die niedergeschlagen erschienen, die mit ihrer Freizeit nichts anzufangen wußten. Dies galt in besonderem Maße von jenen (in der Industrie oder Bauwirtschaft arbeitenden) Italienern, die in Sammelunterkünften untergebracht waren. [...]“

Bericht über die im Jahre 1956 vom DCV geleistete fürsorgerische Betreuung italienischer Saisonarbeiter; 2. Januar 1957; Prof. Dr. Rudolf Lange

Archiv des deutschen Caritas Verbandes e.V., Signatur 380.21.059 Fasz. 01

Die italienischen Sozialbetreuer richteten Treffpunkte für Italiener ein und organisierten Filmvorführungen und Sportveranstaltungen. Durch dieses Angebot gab es schließlich günstige Alternativen zu den Bahnhofstreffs.

 

Das deutsche Bild der italienischen Einwanderer war in den 1950er/60er Jahren teilweise sehr negativ geprägt. Viele Deutsche konnten den Kriegsaustritt Italiens im September 1943 nicht vergessen und beschimpften die angeworbenen Italiener in den 1950er Jahren als „Badoglio-Verräter“. Italiener galten als unzuverlässig. Vor allem fremde Gewohnheiten und Verhaltensweisen, die sich von denen der Deutschen unterschieden, wie bspw. die Jagd auf Singvögel, wurden misstrauisch beobachtet. Berichte über „heißblütige“ Italiener, denen das Messer locker saß, verfestigten ein negatives Italienerbild bei vielen Deutschen. Auf der anderen Seite wurde in den 1950er Jahren ein sehr romantisches Italienerbild populär, beeinflusst vor allem durch die Schlagermusik. Vicco Torriani, Caterina Valente und Rocco Granata gehörten zu den beliebtesten Schlagerstars in Deutschland. Die italienischen Stars prägten maßgeblich das deutsche Italienbild der 1950er/60er Jahre mit. Gleichzeitig entdeckten die Deutschen Italien als liebstes Urlaubsziel. Der Massentourismus an die italienischen Strände setzte bereits Mitte der 1950er Jahre ein. Trotz dieser „Italienbegeisterung“ änderte sich erst allmählich das Bild der Italiener in Deutschland. Die gemeinsame Arbeit als Kollegen im Betrieb und die Nachbarschaft zu Hause führten dazu, dass man sich aneinander gewöhnte und kennen lernte. Und von ihren Reisen nach Italien brachten einige Deutsche ein besseres Bild von Italienern mit, das sie dann auch auf die Italiener in Deutschland übertrugen.


Date: 2015-12-24; view: 884


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