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Verwandtschaften und Abgrenzungen

Die deutschen Mundarten sind Elemente des Dialektkontinuums (germanische Sprachen), das sich vom äußersten Norden (Sprachgrenze zum Dänischen) zum äußersten Süden (Sprach-grenze zum Italienischen) und vom Osten (Sprachgrenze zu den slawischen Sprachen) zum Wes-ten (Sprachgrenze zum Französischen) hinzieht. Aus diesem deutschen Dialektkontinuum heraus haben sich eine niederdeutsche Standardsprache (Amts- und Schriftsprache), das Niederlän-dische, und eine hochdeutsche Standardsprache, das Hochdeutsche oder einfach Deutsche, ent-wickelt. Eine weitere (sich entwickelnde) Standardsprache – mit gewissen Einschränkungen – ist das Luxemburgische, das noch nicht vollends die Kriterien einer Ausbausprache (bzw. Standard-sprache / Hochsprache) erfüllt.

Die enge sprachliche Verwandtschaft zwischen den Standardsprachen des Nieder-deutschen (Niederländisch) und des Hochdeutschen (Deutsch) steht neben der noch engeren Beziehung der Mundarten, da die Staatsgrenzen keine Dialektgrenzen sind.

Die Kompliziertheit in der Abgrenzung von niederländisch-niederdeutschen und hoch-deutschen Mundarten begründet sich in der frühmittelalterlichen Entwicklung der Dialekt-gruppen in eine ebenfalls erst später sogenannte „hochdeutsche“ (meint höhergelegenere Land-schaften) und eine ebenfalls erst später sogenannte „niederdeutsche“ (meint niedergelegenere Landschaften) Dialekt- und Sprachgruppe. Niederländisch ist eine vor allem aus niederfrän-kischen Mundarten, Hochdeutsch eine vor allem aus hochdeutschen Mundarten hervorgegangene Standardsprache und das junge Luxemburgisch eine moselfränkische (mitteldeutsche) Varianz.

Neben den Unterschieden haben die hochdeutsche (mittel- und oberdeutsche) Dialekt-gruppe und die „niederländisch-niederdeutsche“ Dialektgruppe (Niederfränkisch, Niedersächs-isch und Ostniederdeutsch) einige Gemeinsamkeiten. Die Geschichten beider Mundartgruppen weisen auf eine früher in bestimmten Bereichen vorhandene größere Einheitlichkeit hin. Durch Sprachwandlungen, die ihren Ursprung meist im Südosten haben und als „Zweite Lautver-schiebung“ zusammengefasst werden, kam es aber während des Mittelalters im heutigen hoch-deutschen Raum zu einer so starken Umgestaltung, dass man im Gegensatz zum ursprünglichen, älteren (Nieder-)Deutschen/Niederländischen von einem neuen, eigenständigen Sprachzweig sprechen kann, dem Hochdeutschen. Das Mitteldeutsche wird zwar als Teil des Hochdeutschen definiert, hat aber im Gegensatz zum Oberdeutschen partiell noch ältere (niederdeutsche) Ele-mente bewahrt.

Das moderne Standarddeutsch ist eine Variante des Hochdeutschen, weswegen sich für das „Standarddeutsch“ irreführenderweise auch der Begriff „Hochdeutsch“ (im Sinne von Hoch-sprache) durchgesetzt hat. Das Hochdeutsche (wie Ober-, Mittel- und Niederdeutsch nur topo-graphisch motivierter Ausdruck) hat über den „Umweg“ des Standarddeutschen die nieder-deutschen Gebiete in Norddeutschland überlagert und dort oft die niederdeutschen Dialekte ver-drängt. In den Niederlanden haben sich die älteren Formen (sowohl das überwiegende Nieder-fränkisch als auch Niedersächsisch) im Gegensatz zu „Niederdeutschland“ nicht nur auf Mund-artebene bewahren können, sondern sind dort zur Standardsprache ausgebaut worden.



Die friesische Sprache hingegen zählt nach den meisten germanischen Sprachgruppierun-gen zum nordseegermanischen Zweig des Westgermanischen. Das Ostfriesische ist fast völlig ausgestorben und wurde durch niedersächsische Mundarten verdrängt. Das Dänische gehört zum Nordgermanischen und liegt damit ebenso außerhalb jeder Betrachtung.

Gliederung

Die Gliederung von Dialekten eines Dialektkontinuums ist ein wissenschaftlich-ab-straktes linguistisches Konstrukt. Man könnte die einzelnen Dialekte auch ganz anders gruppie-ren und klassifizieren, was nicht zuletzt durch die zwischen allen Mundarträumen bestehenden Übergangsdialekte illustriert wird. Trotzdem sind die im 19. Jahrhundert entwickelten Glieder-ungen (liguistisch anhand der Zweiten Lautverschiebung, namenstechnisch problematischer-weise nach antik-frühmittelalterlichen Kulturkreisen) bisher nicht ersetzt worden.

Die Gliederung der Dialekte nach dem Grad der Ausbreitung von Merkmalen der Zwei-ten Lautverschiebung führte zur Unterteilung in Nieder- und Hochdeutsch und zur Einteilung des Hochdeutschen in Mittel- und Oberdeutsch. Beispiel für die in der Praxis bestehenden Über-gänge, die durch die theoretische Gliederung nicht abgebildet sind, ist das Berlinerische, das nieder- und mitteldeutsche Sprachmerkmale aufweist.

Die Zuordnung der Mundarten zu germanischen Gruppen der Antike und des Frühmittel-alters (vor allem Franken, Alemannen, Baiern, Sachsen) ist, wie man mittlerweile weiß, proble-matisch. Die Dialektgeographen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts hofften, einen Beitrag zur Rekonstruktion früherer Siedlungsgebiete germanischer Kulturkreise („Stämme“) leisten zu können. Dies ist jedoch fast überwiegend Aufgabe der Archäologie.

Die Benennung von Dialekten nach politischen Herrschaftsträgern oder bestimmten Kulturkreisen ist ferner deswegen problematisch, da so eine Übereinstimmung oder Identität von politischer, kultureller und sprachlicher Entwicklung suggeriert wird, die de facto nicht vor-handen ist. So sind beispielsweise Dialekte der Niederlande (Niederfränkisch) und Nordbayerns (Ostfränkisch) nach den Franken benannt, gehören aber zwei verschiedenen Entwicklungs-strängen an. Ebenso verhält es sich mit nach dem Sachsennamen bezeichneten Dialektnamen. Aber auch in den homogeneren Gebieten des Alemannischen und Bairischen kann man nicht davon ausgehen, dass einmal ein „Uralemannisch“ oder ein „Urbairisch“ bestanden hat. Die Bezeichnung der Dialekte nach ihrer geographischen Verortung ist ungleich unproblematischer (beispielsweise „westoberdeutsch“ statt „alemannisch“, „westniederdeutsch“ statt „nieder-sächsisch“).

Die sogenannten bairischen und alemannischen Dialekte liegen vollständig im Ober-deutschen. Die sächsischen im Mittel- und Niederdeutschen. Die fränkischen Dialekte werden in einem Gebiet gesprochen, das sich – bezieht man das Gebiet Niederländischer Mundarten mit ein – von der Nordseeküste vor allem über weite Teile der Beneluxstaaten und Westdeutschlands bis zum Oberrhein erstreckt und im Südosten fast das gesamte Einzugsgebiet des Mains bedeckt.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Hauptgruppen des niederländisch-deutschen Dialektkontinuums. Bei den niederfränkischen, niedersächsisch-westniederdeutschen und westmitteldeutschen Mundarten sowie den südbairischen weist ein N (niederländisch), ein D (deutsch), ein NB (niederländisch in Belgien), ein F (französisch in Frankreich, Belgien und Luxemburg) und ein I (italienisch) zusätzlich auf die Standard-Dachsprache hin.

Niederdeutsche Dialekte Niederfränkisch/Niederländisch Holländisch N
Brabantisch N+NB+D
Flämisch NB+F+N
Limburgisch NB+N+D
Niedersächsisch Westfälisch D+N
Ostfälisch
Nordniedersächsisch/Ostfriesisch D+N
Ostniederdeutsch Brandenburgisch
Mecklenburgisch-Vorpommersch
Ostpommersch
Niederpreußisch
Mitteldeutsche Dialekte Westmitteldeutsch Ripuarisch D+F+BN+N
Moselfränkisch/Luxemburgisch D+F
Rheinfränkisch D+F
Ostmitteldeutsch Thüringisch-Obersächsisch
Schlesisch
Hochpreußisch
Oberdeutsche Dialekte Fränkisch Ostfränkisch
Südfränkisch
Alemannisch/Schweizerdeutsch Schwäbisch
Bodenseealemannisch
Oberrheinalemannisch
Hochalemannisch
Höchstalemannisch
Bairisch Nordbairisch
Mittelbairisch
Südbairisch D+I

Date: 2015-12-24; view: 929


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