Home Random Page


CATEGORIES:

BiologyChemistryConstructionCultureEcologyEconomyElectronicsFinanceGeographyHistoryInformaticsLawMathematicsMechanicsMedicineOtherPedagogyPhilosophyPhysicsPolicyPsychologySociologySportTourism






Die deutsche Sprache im 19. Jahrhundert

Das 19. Jahrhundert war das Zeitalter der Industriellen Revolution in deutschen Ländern und deren politischen Aufstiegen, die in der Vereinigung Deutschlands 1871 gipfelten. Vor allem der Fortschritt der Wissenschaft und Technik beeinflusste die Entwicklung der deutschen Sprache durch Neubildung von Wörtern und neue Bedeutungen der Wörter; neue gesellschaft-liche Prozesse kamen in der Sprache auch zum Ausdruck.

Das 19. Jahrhundert war die erste Epoche, in der es zur schnellen Entwicklung des Fach-wortschatzes kam – wegen des raschen Fortschritts auf dem Gebiet der Wissenschaft und Tech-nik. Die Notwendigkeit, neuen Erfindungen und Entdeckungen einen Namen zu geben, führte zur Entstehung solcher neuen Wörter wie elektrisch, Elektrizität (lateinischer Herkunft) und vieler neuer Komposita wie Waschmaschine, Nähmaschine, Gasanstalt, Eisenbahn. Neuer Wör-ter bedurften auch neue Erscheinungen aus dem politischen und gesellschaftlichen Leben, wie Reichsgesetz, Streik. Viele der neuen Wörter waren fremder, meist englischer oder französischer Herkunft (Lokomotive, Telegramm, Perron, Coupé, Conducteur, Billet), was aus dem wirtschaft-lichen Übergewicht dieser Länder Anfang des 19. Jahrhunderts resultierte. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden sie, unter anderem wegen der nationalistischen Stimmungen im damaligen Deutschland, zum Teil durch deutsche Wörter (Bahnsteig, Abteil, Schaffner, Fahrkarte) ver-drängt.

Der allgemeine wissenschaftliche Fortschritt erfasste Anfang des 19. Jahrhunderts auch die Sprachwissenschaft. Seit dieser Zeit datiert die Linguistik in dem heutigen Sinne des Wortes, deren Vertreter sich nicht auf Erarbeitung bestimmter Normen, Sprachpflege oder Bekämpfung von Fremdwörtern (wie im 17. und 18. Jahrhundert), sondern auf die Untersuchung der Ge-schichte und Gegenwart des bestehenden Sprachsystems konzentrieren.

Die führenden Sprachwissenschaftler dieser Zeit waren die Brüder Grimm, Autoren des Deutschen Wörterbuchs, dessen erster Band 1854 erschien (das Wörterbuch wurde erst 1960 vollendet), und vieler anderer Werke auf dem Gebiet der Germanistik, zum Beispiel der histo-risch-vergleichenden Deutschen Grammatik von Jacob Grimm aus 1819.

Den Brüdern Grimm, die als Begründer der modernen Germanistik gelten, folgten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die so genannten Junggrammatiker, die sich auch vor allem für die historische Entwicklung der deutschen Sprache und Indogermanistik interessierten. Zu den Vertretern dieser Richtung gehörten Wilhelm Scherer, Autor des Werks Zur Geschichte der deutschen Sprache (1868) und Hermann Paul, Autor der Prinzipien der Sprachgeschichte. Ihre Forschungen und Vergleichsversuche indogermanischer Sprachen brachten sie zu der Formu-lierung der These von der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze. Der Versuch der Bestätigung dieser These führte zum Beginn der Arbeiten am Sprachatlas des Deutschen Reiches von Georg Wenker im Jahre 1876, die bis heute fortgesetzt werden (der Versuch widerlegte übrigens auch diese Hypothese und zeigte, dass sprachliche Prozesse viel komplizierter sind, als sich dies die Junggrammatiker vorstellten).



Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war die deutsche Rechtschreibung nicht normiert in dem Sinne, dass es keine amtlichen, für alle verbindlichen orthographischen Regeln gab. Die Situation auf diesem Gebiet sah ähnlich aus wie im heutigen Englischen, wo es keine über-geordnete Behörde gibt, die über die Fragen der orthographischen Richtigkeit entscheidet, und wo verschiedene Schreibweisen eines Wortes (zum Beispiel realiserealize) zulässig sind. So kamen zum Beispiel außer den Formen Hilfe, Silbe auch Hülfe, Sylbe vor, beim Suffix -ieren waren auch die Formen ohne e (studierenstudiren) zulässig, auch bei Fremdwörtern konnte man verschiedenen Schreibweisen (MedizinMedicin, KanalCanal) begegnen.

Erst 1880 versuchte Konrad Duden die Fragen der deutschen Rechtschreibung zu regeln, als er in diesem Jahr sein Vollständiges orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache herausgab. Die Vorschläge Dudens wurden weitgehend auf der Orthographischen Konferenz im Jahre 1901 angenommen, auf der erstmals in der Geschichte der deutschen Sprache die deutsche Rechtschreibung amtlich festgelegt wurde. Die Regeln, die damals angenommen wurden, galten bis zur Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996.

Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte auch die Normierung der deutschen Aussprache. Zum Standardwerk wurde hier Die Deutsche Bühnenaussprache (1898) von Theodor Siebs.

Die Brüder Wilhelm (links) und Jacob Grimm Konrad Duden


Date: 2015-12-24; view: 3501


<== previous page | next page ==>
Die deutsche Sprache von 1650 bis Ende des 18. Jahrhunderts | Die deutsche Sprache im 20. und frühen 21. Jahrhundert
doclecture.net - lectures - 2014-2024 year. Copyright infringement or personal data (0.008 sec.)