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Die deutsche Sprache von 1650 bis Ende des 18. Jahrhunderts

In der neuhochdeutschen Periode kam es endlich zur Entstehung der einheitlichen deutschen Literatursprache mit überlandschaftlichem Charakter, und das trotz der großen politi-schen und konfessionellen Zersplitterung deutscher Gebiete nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs. Zum großen Teil basierte diese Gemeinsprache auf der ostmitteldeutschen Variante des Deutschen, für die noch im 17. Jahrhundert zum Beispiel Martin Opitz und Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen und im 18. Jahrhundert Johann Christoph Gottsched plädierten. Diese Vorrangstellung der ostmitteldeutschen Variante bedeutete natürlich nicht, dass andere Varianten, zum Beispiel die oberdeutsche Variante, für die sich zum Beispiel süddeutsche Gelehrte aussprachen, völlig verdrängt wurden. In Wirklichkeit war die Literatursprache ein Konglomerat verschiedener Dialekte und Varianten der deutschen Sprache. Im 18. Jahrhundert entwickelten sich auch verschiedene Umgangssprachen, die sich aus Territorialdialekten heraus-bildeten, in einem größeren Gebiet gesprochen wurden und eine Zwischenstellung zwischen der Literatursprache und den Dialekten einnahmen. Sie gewannen erst später, im 19. und 20. Jahr-hundert, an Bedeutung, als große Menschenmassen auf der Suche nach Arbeit in andere Re-gionen auszuwandern begannen.

Im Bereich der Phonologie erfolgten im Neuhochdeutschen keine wesentlichen Änderun-gen mehr, obwohl es natürlich immer noch Unterschiede in der Aussprache in einzelnen Regio-nen gab – eine standardisierte, landesweit bindende Aussprache gab es noch nicht.

In der Morphologie wurden Tendenzen fortgesetzt, die auf die klare Unterscheidung der Singular- und Pluralformen zielten. Zu diesem Zweck wurde häufiger der Umlaut (zum Beispiel HahnHähne, BogenBögen) und das -r Suffix (zum Beispiel Männer, Geister, Würmer, die die mittelhochdeutschen Formen manne, geiste, würme verdrängten) benutzt. In der Flexion ent-stand ein ganz neues Deklinationsmuster, in dem die so genannte starke Deklination (mit -s im Genitiv) mit der schwachen (mit -n) zusammenfiel. Im Singular werden Wörter dieser Klasse (zum Beispiel Auge, Bett, Ohr) stark und im Plural schwach dekliniert: das Auge die Augen, des Auges der Augen, dem Auge den Augen, das Auge die Augen. Im Präteritum der starken

Verben kam es zur endgültigen Angleichung der Singular- und Pluralformen. Während sie im Mittelhochdeutschen oft noch unterschiedlich (ich sangwir sungen, ich fandwir funden) waren, setzte im Frühneuhochdeutschen der Prozess ihrer Anpassung ein, der jetzt im Neuhochdeutschen zum Schluss kam – sowohl die Singular-, als auch die Pluralform haben jetzt den gleichen Vokal im Verbstamm (ich sangwir sangen). Zu einer Angleichung kam es auch beim Perfektpartizip, das unter anderem zur Bildung des Perfekts dient. Noch im 16. Jahrhundert bildeten manche Verben (werden, kommen, finden, bringen) das Perfektpartizip ohne das Präfix ge- (vgl. darum bin ich kommen und taufe im Wasser); im Neuhochdeutschen werden schon geworden, gekommen, gefunden, gebracht angewandt. Als Relikt der frühneuhochdeutschen Periode ist bis heute nur worden in passivischen Sätzen im Perfekt (wie im Satz er ist nach Berlin versetzt worden) erhalten geblieben.



Das 18. Jahrhundert, das Zeitalter der Aufklärung, war das Zeitalter der Anfänge der modernen Wissenschaft, was auch auf den Wortschatz der deutschen Sprache Einfluss hatte. Neue Wörter wurden geprägt (zum Beispiel Sauerstoff, nach Vorbild des französischen oxygène gebildet); die Präzision des Ausdrucks wurde wichtig, was zu Versuchen der klaren Abgrenzung des Bedeutungsumfangs der Wörter führte. Die Sprache der Wissenschaft beeinflusste aber auch die Gemeinsprache, die viele Wörter aus dem Fachwortschatz einzelner Wissenschaftsgebiete übernahm. Aus dem Wortschatz der Philosophie wurden solche Wörter wie Bedeutung, Bewusst-sein, Verhältnis, Verständnis übernommen, aus dem Bereich der Mathematik Abstand, Schwer-punkt, Spielraum (viele dieser philosophischen und mathematischen Begriffe stammen vom Uni-versitätsgelehrten, Philosophen und dem Mathematiker Christian Wolff).

Wie in früheren und späteren Perioden wurde die deutsche Sprache durch Fremd-sprachen, besonders Französisch, beeinflusst. Aus der französischen Sprache übernahm man Wörter, die sich auf die Mode bezogen, aber auch Verwandtschaftsbezeichnungen: solche Wör-ter wie Onkel, Tante, Cousin, Cousine sind alle französischer Herkunft. Viele Dichter und Wissenschaftler versuchten, gegen diese fremden Einflüsse zu kämpfen. Zu nennen ist hier vor allem Joachim Heinrich Campe, der bekannteste Sprachpurist dieser Zeit, der in seinem schon im nächsten Jahrhundert (1801–1804) erschienenen Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke nach der Verdeutschung dieser Fremd-wörter rief. Von Campe stammen solche Wörter wie Erdgeschoss (das er für Parterre vor-schlug), Hochschule (Universität) oder Stelldichein (Rendezvous). Auch Dichter dieser Zeit trugen zur Bereicherung der deutschen Sprache durch Neuprägungen bei, durch welche sie frem-de Wörter zu ersetzen versuchten. Von Johann Christoph Gottsched stammen solche Wörter wie angemessen (für adäquat), Begeisterung (Enthusiasmus), von Friedrich Gottlieb Klopstock – Einklang (Harmonie), von Johann Wolfgang von Goethe – beschränkt (für borniert) und hochfahrend (arrogant) und von Friedrich Schiller – Gaukelbild (für Phantom).

Das 17. und 18. Jahrhundert war eine Periode, in der das wissenschaftliche Interesse für die deutsche Sprache vertieft wurde. Wörterbücher wurden verlegt, darunter Großes Teutsch-Italienisches Dictonarium, oder Wort- und Red-Arten-Schatz der unvergleichlichen Hoch-teutschen Grund- und Hauptsprache von Matthias Kramer (1700)), Teutsch-Lateinisches Wör-terbuch von Johann Leonhard Frisch (1741) und vor allem der fünfbändige Versuch eines voll-ständig grammatisch-kritischen Wörterbuchs der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Ver-gleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der oberdeutschen von Johann Christoph Adelung (1774–1786), mit dem der Verfasser ein normatives Werk für alle, die deutsch sprechen und schreiben, zu schaffen versuchte. Der letzte Autor verfasste auch Werke aus dem Bereich der Grammatik, wie Deutsche Sprachlehre (1781) oder Umständliches Lehrgebäude der Deutschen Sprache (1782). Früher (1748) erschien die Grundlegung einer Deutschen Sprach-kunst, nach den Mustern der besten Schriftsteller des vorigen und jetzigen Jahrhunderts von Johann Christoph Gottsched, der sich auch für die Einfachheit, Klarheit und Sachlichkeit im Geiste der Aufklärung einsetzte.

Joachim Heinrich Campe Christian Freiherr von Wolff


Date: 2015-12-24; view: 1683


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