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Merseburger Zaubersprüche

Merseburger Zaubersprüche (Althochdeutsch) Moderne Übersetzung
Eiris sazun idisi sazun hera duoder. suma hapt heptidun, suma heri lezidun, suma clubodun umbi cuoniouuidi: insprinc haptbandun, inuar uigandun. Einst saßen Frauen, setzten sich hierher [und] dorthin. Einige banden Fesseln, einige hielten das Heer auf, einige lösten ringsumher die (Todes)Fesseln: Entspringe [dem] Fesselband, entflieh den Feinden.

Mittelhochdeutsch

Die Anfänge der mittelhochdeutschen Sprache werden auf das Jahr 1050 datiert; diese Entwicklungsphase der deutschen Sprache dauerte bis zirka 1350 und entspricht in der Mediävis-tik ungefähr der Epoche des Hochmittelalters. Wie bei allen sprachlichen Erscheinungen sind diese zeitlichen Rahmen nur grob angegeben; die Prozesse, die zur Entstehung des Mittelhoch-deutschen und dann seines Nachfolgers, des Frühneuhochdeutschen führten, verliefen in ver-schiedenen Regionen des deutschen Sprachgebiets unterschiedlich schnell; wie in den sonstigen Epochen war die deutsche Sprache auch räumlich weitgehend differenziert.

In der politischen Geschichte Deutschlands begann um 1050 die politische Zersplitterung des Staates; die Herrscher einzelner Territorien machten sich von dem Kaiser immer unabhän-giger, was schließlich dazu führte, dass die Macht des Kaisers nur illusorisch war und das deutsche Kaiserreich zu einem Konglomerat praktisch unabhängiger Staatsgebilde wurde. Ein anderer Faktor, der zur Differenzierung der deutschen Sprache beitrug, war die Ostexpansion einzelner Herrscher und der deutschen Bevölkerung, die sich in westlichen Gebieten Polens (zum Beispiel in Schlesien und Böhmen) ansiedelte.

Das geistig-kulturelle Leben im hochmittelalterlichen Deutschland war nicht auf ein Zen-trum beschränkt, sondern konzentrierte sich an Höfen des Kaisers und einzelner Herrscher. Von besonderer Bedeutung war der süddeutsche (bayrische, österreichische und alemannische) Raum. Im Einflussbereich der Welfen in Bayern entstanden solche Dichtungen wie das Alexanderlied des Pfaffen Lamprecht oder die deutsche Übertragung des Rolandslieds des Pfaffen Konrad. Den Höhepunkt erreichte das hochmittelalterliche literarische Schaffen an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert am Hof der staufischen Kaiser und der Babenberger in Wien. Meist nach fran-zösischem Vorbild entstanden hier solche Epen wie der Erec und der Iwein von Hartmann von Aue, der Parzival von Wolfram von Eschenbach oder der Tristan von Gottfried von Straßburg.

Das literarische Schaffen entwickelte sich auch im Norden Deutschlands – im nieder-rheinisch-maasländischen Gebiet und in Thüringen, wo Ministeriale schufen, die antike Stoffe verarbeiteten. Der bekannteste Dichter aus diesem Kreis ist Heinrich von Veldeke, Autor des Eneasromans; in diesem Umkreis entstanden auch das Liet von troye von Herbort von Fritzlar und die Übersetzung der Metamorphosen des Ovid von Albrecht von Halberstadt.



Diese Entwicklung der Literatur in verschiedenen Zentren im deutschen Sprachraum be-wirkte auch, dass wir von keiner einheitlichen literarischen deutschen Sprache sprechen können. Es gab verschiedene Varianten der Literatursprache, die auf Territorialdialekten basierte; die wichtigsten waren die bairische Variante, die westmitteldeutsch-maasländische Variante und die bedeutsamste von ihnen – die so genannte mittelhochdeutsche Dichtersprache des alemannisch-ostfränkischen Raums, die im Einflussbereich staufischer Kaiser entstand. In dieser Sprache ver-fassten ihre Werke Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach und der unbekannte Autor des Nibelungenlieds.

Die Änderungen im phonologischen System des Mittelhochdeutschen gegenüber dem Althochdeutschen waren nicht so einschneidend, wie es im Fall des Althochdeutschen im Ver-gleich zum Urgermanischen war – die mittelhochdeutsche Sprache ist wesentlich näher dem modernen Deutschen, obwohl mittelhochdeutsche Texte unübersetzt nur mit Mühe verständlich sind. Trotzdem kam es im Mittelhochdeutschen zu einigen wichtigen Änderungen im konsonan-tischen und vokalischen System.

Die wichtigste Änderung im phonologischen System des Mittelhochdeutschen war die Abschwächung unbetonter Silben. Der Grund dieses Wandels war der starke dynamische Akzent, der schon im Germanischen und Althochdeutschen auf die Stammsilbe fiel. Dieser starke Akzent bewirkte schließlich, dass sich Vokale in unbetonten Endsilben zum Schwa-Vokal ([ə]), der e geschrieben wurde, entwickelten. So wurde aus dem althochdeutschen boto der mittelhochdeutsche bote, aus dem althochdeutschen hōran das mittelhochdeutsche hœren. Eine andere wichtige Erscheinung im Vokalismus war der Umlaut, der zwar schon im Althoch-deutschen begann aber erst jetzt zur vollen Entfaltung kam und jetzt auch lange Vokale und Diphthonge umfasste. So entwickelten sich ahd. sālida zu mhd. sælde, ahd. kunni zu mhd. künne, ahd. hōhiro zu mhd. hoeher, ahd. gruozjan zu mhd. grüezen.

Es kam auch zu wichtigen Änderungen im Konsonantismus. Die Konsonanten b, d, g und h begannen zu verschwinden, wenn sie zwischen Vokalen standen. So entwickelte sich ahd. gitragidi zu mhd. getreide, ahd. magadi zu mhd. meit, ahd. habēn zu mhd. hān. In manchen Fällen setzten sich später allerdings die alten Formen wieder durch (vgl. Magd, haben). Der alt-hochdeutsche Konsonant z, der sich aus dem germanischen t entwickelte (vgl. ezzan – engl. eat) fiel mit dem alten, noch aus dem Germanischen stammenden, Konsonanten s zusammen – ezzan“ wurde zu essen. Die althochdeutsche Lautverbindung sk wurde zu sch. So entstand zum Beispiel aus dem althochdeutschen Wort scōni die mittelhochdeutschen schōne und schœne (bei-de Wörter – schon und schön – haben im heutigen Deutschen dieselbe Herkunft). Der Konsonant s wandelte sich zu sch, wenn er vor l, m, n, w, p, t stand. Diesem Wandel verdanken wir solche mittelhochdeutschen (und heutigen) Formen wie schwimmen, schmerz, schlange, schnē, die aus den althochdeutschen swimmen, smerz, slange und snē entstanden. In der Rechtschreibung war diese Änderung allerdings nicht sofort sichtbar: zuerst wurde im Mittelhochdeutschen zum Bei-spiel swimmen geschrieben und schwimmen gesprochen. Bei den Buchstabenverbindungen st und sp ist der Unterschied zwischen der Aussprache und Schreibweise bis heute geblieben – vgl. die Aussprache der Wörter stehen, spielen.

Änderungen im morphologischen System der mittelhochdeutschen Sprache waren weitgehend vom phonologischen System abhängig. Von entscheidender Bedeutung war hier die Abschwächung der Vokale in unbetonten Endsilben zum Schwa-Vokal ([ə]). Dieser Wandel führte zu einschneidenden Änderungen in der Deklination der Substantive – es kam zu der for-malen Übereinstimmung früher unterschiedlicher Kasusformen. Als Beispiel kann man hier die Deklination des mittelhochdeutschen Wortes bote (aus dem althochdeutschen boto) angeben:

Kasus Althochdeutsch Mittelhochdeutsch
Nominativ Singular boto bote
Genitiv Singular botin boten
Dativ Singular botin boten
Akkusativ Singular botun boten
Nominativ Plural boton/botun boten
Genitiv Plural botōno boten
Dativ Plural botōm boten
Akkusativ Plural boton/botun boten

Durch diese Entwicklung erhielt der Artikel (der im Althochdeutschen schon existierte) große Bedeutung (zum Beispiel des Boten, dem Boten) – ohne ihn wäre die Identifizierung des Kasus unmöglich.

Die Abschwächung der vollen Vokale zum Schwa-Laut bewirkte auch Änderungen im System der Konjugation der schwachen Verben, die heute das Präteritum mit dem Suffix -te bilden (zum Beispiel ich machte, wir antworteten). Im Althochdeutschen bestanden noch drei Unterklassen dieser Verben mit den Suffixen -jan (zum Beispiel galaubjan), -ôn (salbôn) und -ên (sagên). Nach der Abschwächung lauteten die genannten Verben: glauben, salben, sagen; die alten drei Suffixe verschmolzen zu einem -en.

Bei den Verbformen kam es im Mittelhochdeutschen zur weiteren Differenzierung des Tempussystems. Analytische Tempora, wie das Perfekt, das Plusquamperfekt und das Futur (die schon im Althochdeutschen bestanden) wurden häufiger. So können wir zum Beispiel im Nibe-lungenlied lesen:

Swaz der Hiunen mâge / in dem sale was gewesen,
Der enwas nu keiner / dar inne mê genesen.

Die Struktur der Sätze war noch nicht zu kompliziert, in der Syntax dominierte noch das Prinzip der Nebenordnung, was das nächste Fragment aus dem Nibelungenlied zeigt:

Dō stuonden in den venstern / diu minneclīchen kint.
Ir schif mit dem segele / daz ruorte ein hōher wint.
Die stolzen hergesellen / die sāzen ūf den Rīn.
Dō sprach der künec Gunther: / wer sol nu schifmeister sīn?

Vereinzelt tauchen aber in mittelhochdeutschen Texten auch ausgebaute Strukturen (Satz-gefüge mit Nebensätzen) auf, die es schon in der früheren Periode gab.

Die deutsche Kultur des Hochmittelalters wurde stark durch die französische Kultur beeinflusst, was in der großen Zahl der Entlehnungen aus dem Französischen zur Erscheinung kam. Diese Entlehnungen kamen nach Deutschland oft über Flandern. Den französischen Ent-lehnungen im Mittelhochdeutschen verdanken wir zum Beispiel solche Wörter wie Turnier (mhd. turnei), Palast (mhd. palas), Kissen. Aus dem Französischen stammen auch bestimmte Lehnprägungen, die nach dem Vorbild dieser Sprache geformt wurden. Dazu gehören zum Bei-spiel die Wörter hövesch (höfisch), das nach dem altfranzösischen courtois gebildet wurde, und ritter (aus dem altfranzösischen chevalier). Französischer Abstammung sind auch bestimmte Suffixe, wie -ieren (studieren, marschieren), das aus dem Französischen -ier entstand, und -ei, das sich aus dem mittelhochdeutschen -īe entwickelte (zum Beispiel zouberīe – Zauberei, erzenīe – Arznei. Kontakte der Deutschen mit ihren slawischen Nachbarn im Osten führten auch zur Übernahme bestimmter Wörter, obwohl die Zahl dieser Entlehnungen viel weniger als beim Französischen war. So stammen aus dem Polnischen solche Wörter wie Grenze (mhd. grenize, poln. granica) und Jauche (mhd. jûche, poln. jucha).

Textproben:

Der arme Heinrich von Hartmann von Aue

Der arme Heinrich (Mittelhochdeutsch) Moderne Übersetzung
Ein ritter sô gelêret was, daz er an den buochen las, swaz er dar an geschriben vant: der was Hartmann genannt, dienstman was er zouwe. Es war einmal ein Ritter, der so gebildet war, dass er alles, was er in den Büchern geschrieben fand, lesen konnte. Er hieß Hartmann und war Lehnsmann zu Aue.

Nibelungenlied

Nibelungenlied (Mittelhochdeutsch) Moderne Übersetzung
Uns ist in alten mæren wunders vil geseit von helden lobebæren, von grôzer arebeit, von fröuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen, von küener recken strîten muget ir nu wunder hœren sagen. Ez wuohs in Burgonden ein vil edel magedîn, daz in allen landen niht schœners mohte sîn, Kriemhilt geheizen: si wart ein scœne wîp. dar umbe muosen degene vil verliesen den lîp.   Uns wurde in alten Erzählungen viel Wundersames gesagt von ruhmreichen Helden, von großem Leid, von Freuden, Festen, von Weinen und von Klagen, vom Kampf kühner Recken sollt ihr nun Wunder hören sagen. Es wuchs in Burgund ein sehr feines Mädchen heran, dass in allen Ländern kein schöneres sein konnte, Kriemhild geheißen: Sie wurde eine schöne Frau. Deswegen mussten viele Kämpfer ihr Leben verlieren.

Date: 2015-12-24; view: 1373


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