Einst saßen Idisen, saßen nieder hier und dort. Die hefteten Hafte, die hemmten das Heer, die entflochten Gliedern den Fesseln: "Entspring den Banden, entflieh den Feinden!".
Zweiter Spruch
Phol ende uuodan uuorun zi holza. du uuart demo balderes uolon sin uuoz birenkit. thu biguol en sinthgunt, sunna era suister, thu biguol en friia, uolla era suister, thu biguol en uuodan, so he uuola conda: sose benrenki, sose bluotrenki, sose lidirenki: ben zi bena, bluot zi bluoda, lid zi geliden, sose gelimida sin.
Phol und Wodan fuhren zu Walde. Da ward dem Fohlen Balders sein Fuss verrenkt. Da besprachen ihn Sinthgund und Sunna, ihre Schwester, da besprachen ihn Frija und Volla, ihre Schwester, da besprach ihn Wodan, wie er's wohl verstand: So Beinverrenkung, so Blutverrenkung, so Gliedverrenkung: Bein zu Beine, Blut zu Blute, Glied zu Glieden, als wenn sie geleimet wären.
· Hildebrandslied (ca. 830) - anonym
· Abrogans (760/765) - Arbeo von Freising
· Wiener Hundesegen - anonym
Anonym
Wiener Hundesegen
Christ uuart gaboren êr uuolf ode deiob. do uuas sancte marti christas hirti. der heiligo Christ unta sancte marti der gauuerdo uualten hiuta dero hunto, dero zohono, daz in uuolf noh uulpa zascedin uuerdan nemegi se uuara se geloufan uualdes ode uueges ode heido. der heiligo christ unta sancte Marti de fru ma mir sa hiuto alla hera heim gasunta.
· Ludwigslied (881) - anonym
· Wessobrunner Gedicht und Gebet (ca. 770) - anonym
Anonym
Wessobrunner Gedicht und Gebet
de poeta. Dat gafregin ih mit firahim firiuuizzo meista, Dat ero ni uuas noh ufhimil, noh paum noh pereg ni uuas, ni [...] nohheinig noh sunna ni scein, noh mano ni liuhta, noh der mareo seo. Do dar niuuiht ni uuas enteo ni uuento, enti do uuas der eino almahtico cot, manno miltisto, enti dar uuarun auh manake mit inan cootlihhe geista. enti cot heilac [...]
Cot almahtico, du himil enti erda. gauuorahtos, enti du mannun so manac coot forgapi, forgip mir in dino ganada rehta galaupa enti cotan uuilleon, uuistom enti spahida enti craft, tiuflun za uuidarstantanne enti arc za piuuisanne enti dinan uuillein za gauurchanne.
· Muspilli (9. Jh.) - anonym
· Petruslied (ca. 880) - anonym
Anonym
Petruslied
Unsar trohtin hat farsalt sancte Petre giuualt daz er mac ginerian ze imo dingenten man Kyrie eleyson Christe eleyson Er hapet ouh mit vuortun himilriches portun dar in mach er skerian den er uuili nerian Kyrie eleison Christe eleyson Pittemes den gotes trut alla samant uparlut daz er uns firtanen giuuwerdo ginaden Kyrie eleyson Christe eleison
Unser Herr hat übertragen St. Peter Macht daß er retten kann einen auf ihn vertrauenden Menschen "Kyrie eleyson Christe eleyson" er kann offen halten des Himmelreiches Pforte da hinein kann er lassen den, den er retten will "Kyrie eleison Christe eleyson" Lasst uns den Freund Gottes bitten alle zusammen überlaut daß er uns Verlorenen Gnade zuteil werden lasse "Kyrie eleyson Christe eleison"
· Übersetzung der Evangelienharmonie Tatians (ca. 830) - anonym
· Heliand (ca. 830) - anonym
· Evangelienharmonie (ca. 865) - Ofrid von Weißenburg
· Paraphrase des Hohen Liedes (ca. 1060) - Williram von Ebersberg
· Ezzolied (ca. 1065) - Ezzo
· Memento mori (ca. 1070) - Noker von Zwiefalten
· Annolied (ca. 1080) - anonym
· Alexanderlied (ca. 1120/40) - Pfaffe Lamprecht
· Kaiserchronik (ca.1135/55) - anonym
· Rolandslied (ca. 1170) - Pfaffe Konrad
· Von des tôdes gehugde (Mitte-Ende 12. Jh.) - Heinrich von Melk
Heinrich von Melk
Von des tôdes gehugde
Mich läitet mînes gelouben gelubde daz ich von des tôdes gehugde eine rede fur bringe. dar an ist aller mîn gedinge, daz ich werltlîchen liuten beschäidenlîchen mûze bediuten ir aller vräise unt ir nôt, die ûf den täglîchen tôt der allen liuten ist gemäine sich beräitent läider säine. die mache uns der wîssage chunt, er sprichet 'omnes declinaverunt', daz sprichet 'si hânt sich alle genäiget'. er mäinet die dâ haben gesäiget von got ze dem êwigem valle. er mac wol sprechen 'alle', wan under tousent sundaeren mug wir vil choum einen bewaeren der durnechtic muge häizzen. owê, waz wir alle tage gefräischen unchristenlîcher sunden! man hoeret uns niender chunden wâ einer stech in einer chliuse der sîne sunde alsô beriuse oder anderswâ gebûzze als Mâriâ diu sûzze, diu nâch Christes ûfverte cît unt stat bischerte in einer äislîchen wûste, dâ si inne wonen mûste âne der liute mitwist, die sie nâch unserm hêrren Christ nimmer mêr bischowen wolde, sît si in nicht lenger sehen solde.
· König Rother (ca. 1150) - anonym
· Salman und Morolf (ca. 1160) - anonym
· Sanct Oswald (ca. 1170) - anonym
· Herzog Ernst (ca. 1180) - anonym
· Orendel (ca. 1180) - anonym
· Liber Scivias (1141/53) - Hildegard von Bingen
Hochmittelalter
1170 - 1250
Inhalt
· I. Begriff
· II. Weltbild
· III. Historischer Hintergrund
· 1. Die hochmittelalterliche Dichtung
· 2. Literarische Formen
· 3. Vertreter
· 4. Werke
I. Begriff
Der Begriff Mittelalter ging aus der nachfolgenden Epoche, der Renaissance, hervor. Die Humanisten wählten den Begriff für die Zeit zwischen Antike und der Neuzeit. Für die hochmittelalterliche Dichtung werden auch die Bezeichungen Höfische Literatur und Stauffische Klassik verwendet.
II. Weltbild
Das mittelalterliche Weltbild ist tief von Kirche und Bibel geprägt. Gott ist der Erschaffer der Welt, der Natur und des Menschen und lenkt diese. Die Vertreibung aus dem Paradies wird als Beginn der Geschichte angesehen, die europäischen Königs- und Kaiserreiche - unter Einfluss der Kirche - als Vorläufer des Gottesreichs auf der Erde, nach dem Jüngsten Gericht. Der einzelne Mensch ist Bestandteil dieser Ordnung, er fühlt sich als Teil der Gesellschaft, nicht als Individuum.