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Mein umständlicher Großonkel

Julia Klein

Als ich so alt war wie Ihr, da besuchte ich jeden Mittwoch nach der Schule meine Großtante und meinen Großonkel. Wir aßen zusammen und meine Großtante machte immer meinen Lieblingsnachtisch: Karamelpudding mit Kirschen und Schokoladensoße. Das war toll! Was ich nicht mochte, waren die Nachmittage, an denen mein Großonkel unbedingt mit mir meine Hausaufgaben machen wollte und furchtbar beleidigt war, wenn ich nein sagte. Normalerweise habe ich nichts dagegen, wenn jemand mir bei den Hausaufgaben hilft, überhaupt nicht, aber mein Großonkel war furchtbar umständlich, bei ihm dauerte alles drei mal so lange. Ich sage Euch mal ein Beispiel: Wenn er zum Beispiel seine Brille absetzen wollte, dann setzte er sie nicht einfach ab und legte sie irgendwo hin. Nein, erst ging er zum Wandschrank und holte das Brillenetui, dieses öffnete er und stellte es auf den Tisch. Aus dem geöffneten Brillenetui holte er das Brillenputztuch, das faltete er auf und legte es ausgebreitet auf den Tisch links neben das Etui. Dann stellte er sich ganz still hin, atmete tief ein, dann erst hob er ganz langsam die Arme, fasste mit den Fingerspitzen die Brillenbügel rechts und links vorsichtig an, hob die Brille leicht an, um sie dann mit großem Schwung abzusetzen. Mit der Brille in der Hand stand er einen Moment da um sich auszuruhen. Dann erst legte er die Brille auf das Brillenputztuch und wickelte sie in dieses hinein. Brille und Brillenputztuch verstaute er dann im Etui und mit diesem in der Hand ging er zum Wandschrank.
Könnt ihr ihn jetzt genauer vorstellen und verstehen, warum ich mir lieber von meiner energischen Großtante bei den Hausaufgaben helfen ließ?

Ich mochte meinen Großonkel aber sehr gerne. Besonders mochte ich die Geschichten, die er erzählte. Er erzählte genauso umständlich und eigenartig, wie er alles machte. Er saß dann mit seiner Pfeife im Sessel und sagte: „Du willst von mir viele aneinandergereihte Worte hören?“
Könnt Ihr euch denken, was er damit meinte? „Viele aneinandergereihte Worte“ hieß bei ihm eine Geschichte. Immer wenn ich herausgefunden hatte, was er mit seinen umständlichen Beschreibungen meinte, sagte ich ihm schnell das kürzere Wort. In diesem Fall rief ich also: „Ja, ich möchte eine Geschichte hören!“ Und dann kuschelte ich mich aufs Sofa und er erzählte mir.
Ich erzähle Euch jetzt mal eine der Geschichten, wie mein Großonkel sie mir erzählt hat und Euch bitte ich gut aufzupassen und die Worte zu sagen, die mit seiner umständlichen Rede meinte.

„Es war einmal eine große, grüne Fläche auf der viele kleine grüne und gelbe Pflanzen standen.“
Könnt ihr euch denken, was er damit meinte? Wenn er eine große, grüne Fläche auf der viele kleine grüne und gelbe Pflanzen standen sagte, dann meinte er eine Wiese.
„Auf dieser großen, grünen Fläche auf der viele kleine grüne und gelbe Pflanzen standen, ging ein ein Meter und 10 Zentimeter großes Wesen auf zwei Beinen entlang.“
Wisst ihr was damit gemeint haben könnte? Wenn er von einem ein Meter und 10 Zentimeter großen Wesen auf zwei Beinen sprach, meinte er einen Jungen.
„Das ein Meter und 10 Zentimeter große Wesen auf zwei Beinen entdeckte unter einer Blume ein fingergroßes Männchen mit einem Hut.“ (Zwerg).
„Das ein Meter und 10 Zentimer große Wesen auf zwei Beinen schnappte sich das fingergroße Männchen mit Hut.
Wie wir alle wissen besitzen fingergroße Männchen mit Hut viereckige Kästen voller goldener Kreise. (Schatzkiste mit Gold)
‚Gib mir deinen viereckigen Kasten voller goldener Kreise!’ sagte das ein Meter und 10 Zentimeter große Wesen auf zwei Beinen. Und hielt das fingergroße Männchen mit Hut fest.
‚Bitte, bitte tu mir nichts!’ sagte das fingergroße Männchen mit Hut, ‚ich verrate dir auch, wo mein viereckiger Kasten voller goldener Kreise ist.’
Er zeigte auf eine der vielen gelben Blumen, die auf der großen grünen Fläche standen.
Das ein Meter und 10 Zentimeter große Wesen auf zwei Beinen begann zu graben. Aber die Erde war so hart, dass er mit seinen Händen nicht weiter kam, er brauchte zum Graben also einen Stock mit Metallplatte. (Schaufel)
Weil auf der großen grünen Fläche viele gelbe Blumen waren, nahm das ein Meter und 10 Zentimeter große Wesen auf zwei Beinen seinen roten länglichen Halsumhang. (Schal) Diesen roten länglichen Halsumhang legte er um die gelbe Blume unter der der viereckige Kasten voller gelber Kreise versteckt war.
Er warnte das fingergroße Männchen mit Hut: ‚Wage es bloß nicht den roten länglichen Halsumhang um eine andere gelbe Blume auf der großen grünen Fläche zu legen!
Das fingergroße Männchen mit Hut versprach es zähneknirschend. Und was fingergroße Männchen mit Hut versprechen , das müssen sie halten.
Das ein Meter und 10 Zentimeter große Wesen auf zwei Beinen ging nach Hause, holte den Stock mit Metallplatte und freute sich auf den viereckigen Kasten voller goldener Kreise. Und wisst er was er sah, als er auf die große grüne Fläche kam? Das fingergroße Männchen mit Hut war verschwunden und um jede gelbe Blume lag ein länglicher roter Halsumhang.
Mit diesem Trick hatte das Männchen mit Hut sein Versprechen gehalten und seinen viereckigen Kasten voller goldener Kreise gerettet.“



Auf Schatzsuche

Johannes Merkel

Harald Specht war ein waschechter Abenteurer. Jedes Jahr stürzte er sich in ein neues Abenteuer: Allein über den Ozean nach Amerika segeln, im Urwald giftige Schlangen fangen oder Eisbären auf Grönland jagen.
Bei solchen Abenteuern hatte Harald Specht eine untrügliche Spürnase entwickelt, und das bewies sich wieder, als er letztes Jahr mit seinem Freund Wolfgang auf einem Segelboot durch die Karibik schipperte. Dabei gerieten sie eines Tages auf eine kleine unbewohnte Insel.
„Paradiesisch!“ rief Harald Specht. „Hier machen wir uns einige ruhige Tage!“
Sie landeten, vertauten das Segelboot sorgfältig an einem Baumriesen und begannen an Land ihr Zelt aufzubauen. Als sie eine Zeltstange in den Sand der Bucht drückten, stießen sie auf etwas Hartes.
Da kitzelte Harald die untrügliche Spürnase. Sein Freund hätte die Zeltstange einfach einen halben Meter weiter in den Sand gesetzt, doch Harald bestand darauf, erst genau zu untersuchen, worauf sie gestoßen waren. Mit dem Spaten grub er den Sand auf, bis er auf Widerstand stieß. Es klang metallisch. Und siehe da, als er weitergrub, holte Harald Specht eine verrostete Blechkassette aus dem Boden. Sie war verschlossen, aber Harald sprengte sie mit dem Stemmeisen auf. In der Kassette lagen zwei vergilbte Papiere.
Aufgeregt faltete er den ersten Bogen auseinander. Das Blatt war in einer altertümlichen Schrift beschrieben. Harald Specht sah sofort, dass es sich um einen französischen Text handelte. Zum Glück beherrschte er fließend französisch, und so übersetzte er seinem staunenden Freund die Botschaft der Kassette.
„Fremder, der du diese Nachricht findest, wisse: Ich bin der letzte aus meiner Mannschaft. Wir haben als Piraten gelebt und alle meine Kameraden sind als Piraten umgekommen. Die Schätze, die wir raubten, brachten wir auf diese Insel und vergruben sie, um sie später unter uns aufzuteilen. Aber nun sind alle meine Kameraden tot. Ich bin der letzte Überlebende, aber ich bin ein alter Mann. Ich will meine letzten Tage auf dieser einsamen Insel verbingen, um hier zu sterben. Was aber soll ich hier mit den vielen Goldmünzen? Unser Schatz mag weiter in der Erde ruhen, bis ihn ein glücklicher Finder entdeckt.
Fremder, vielleicht bist du der glückliche Finder. Doch dafür musst du die verschlüsselten Botschaften entdecken, sie richtig deuten und ihren Anweisungen folgen. Viel Glück! Der einsame alte Pirat.“
Auf dem zweiten Blatt stand in großen Buchstaben: „Botschaft eins“. Und darunter stand: „Krummaus den Berg hinunter. An der Quelle links die Platte von Stein. Auf ihr vergraben wartet die nächste Botschaft.“

Nun war auch Haralds Freund Wolfgang Feuer und Flamme. Sie beschlossen, nach dem versteckten Schatz zu suchen. Aber als sie loslaufen wollten, blickten sie sich verwirrt um. Von der Bucht stiegen nach allen Seiten die Berge an. Wie sollten sie hier Berge hinuntergehen?
Was sollte die Botschaft bedeuten? Harald Specht vermutete: „Vielleicht müssen wir erst auf die Berge steigen und dann auf der anderen Seite hinuntergehen.“ Sie stiegen den Hang in Richtung auf einen Sattel zwischen zwei Bergen hoch, dabei stießen sie auf halber Höhe auf eine Quelle. Moment! In der Nachricht des alten Piraten war doch von einer Quelle die Rede! Tatsächlich lag neben der Quelle eine Steinplatte, aber sie lag rechts und nicht links von der Quelle. Da hatte Freund Wolfgang eine Eingebung: „Vielleicht ist das Gegenteil gemeint! Krummaus heißt geradeaus, runter meint rauf, und links meint rechts.“
Tatsächlich, als sie die Steinplatte rechts von der Quelle hoch wuchteten, fanden sie darunter wieder eine Kassette.

Sie brachen sie Kassette auf und darin lag wieder ein vergilbtes Papier: „Botschaft zwei. Blicke zurück! Siehst du den weißen Felsen? Vor dem Felsen steht ein schmächtiges Bäumchen. In seinen Ästen wartet die nächste Botschaft.“
Wie war denn das zu verstehen? War damit auch wieder das Gegenteil gemeint? Richtig! Als sie nicht zurück, sondern nach vorne blickten, erkannten sie oben auf einer Bergkuppe einen schwarzen Felsen, doch von einem Bäumchen hinter dem Felsen war nichts zu sehen. Vielleicht versteckte er sich dahinter. Aber auch als sie hinter dem Felsen standen, fanden sie dort keinen Baum, weder einen schmächtigen noch einen mächtigen. Aber dann stolperte Freund Wolfgang über einen vermoderten Stumpf. Er hatte einen guten Meter im Durchmesser und das musste einmal ein mächtiger Baum gewesen sein. Und am Boden zeichnete sich, fast schon ganz vermodert, ein mächtiger lange Stamm ab. "Spannst du was?" fragte Harald.
"Halt mich bloß nicht für blöd!" entrüstete sich Wolfgang. "Offensichtlich schon ewig her, dass der alte Pirat hier hauste. Aus dem Bäumchen ist ein Baum geworden, und der ist auch schon wieder hinüber. Die Kassette ist längst aus den Ästen gefallen. Aber vielleicht liegt sie ja hier noch irgendwo am Boden.“ Und damit untersuchte er die Erde im weiten Umkreis um den Baumstumpf herum.
Harald Specht grinste nur und holte seinen aufklappbaren Spaten aus dem Rucksack. Mit der Spatenspitze stieß er rings um den alten Baumstumpf in das Erdreich.
Freund Wolfgang kam und stöhnte: „Hat keinen Sinn! Die Kassette ist sicher längst verrostet.“ In diesem Moment spürte Harald Widerstand, der Spaten stieß wieder auf einen metallischen Gegenstand. Er grub tiefer und zog die Kassette mit der dritten Botschaft aus der Erde. Was Wolfgang übersehen hatte: „In den Ästen“ meinte natürlich „zwischen den Wurzeln.“

Die nächste Botschaft lautete: „Botschaft drei. Du bist auf der falschen Spur! Gehe hundert Schritte zurück ins Tal! Dort unten dreh dich im Kreis! Wenn du das Meer nicht mehr siehst, hast du die falsche Richtung. Geh zweihundert Schritte zurück bis zum Loch im Himmel! Durch das Loch hindurch rutsche nach oben! Im Himmel wartet die nächste Botschaft.“
Das wurde ja immer seltsamer. Was war wohl aus dieser Botschaft zu schließen?
„Das heißt: Wir sind auf der richtigen Spur!“ kombinierte Harald Specht.
Sie standen dort auf einer Bergkuppe und hatten einen weiten Blick über die Insel. Aber nur in einer Richtung war das Meer zu sehen. In alle anderen Richtungen erstreckten sich grün wuchernde Hügel und Berge. Welches war die Richtung, die sie einschlagen sollten?
Sie entschieden in die Richtung zu gehen, in der sie das Meer gesehen hatten. Aber das war leichter gesagt als getan. Hier wuchs dichtes Buschwerk. Sie mussten sich mit Buschmessern durch das Gestrüpp kämpfen und rissen sich die Haut an den Dornen auf, die auf den Sträuchern wuchsen. Und wie sollten sie die Richtung halten, wenn sie kaum mehr über das Gestrüpp wegsehen konnten? Und in diesem Gelände dann auch noch zweihundert Schritte abzuschätzen, war völlig unmöglich.
Freund Wolfgang verging langsam die Lust an der Schatzsuche. Er hockte sich auf einen Stein und schimpfte: „Ich habe es satt, ich mache keinen Schritt mehr! Merkst du nicht, dass uns dieser Pirat nur verarscht? Und wer ist so blöd und geht ihm auf den Leim? Natürlich niemand anders als Harald Specht!“
Harald Specht war vielleicht sauer! Wütend schlug er mit dem Buschmesser auf das Gestrüpp ein: „Dann bleib doch hocken, bis du hier versteinerst! Aber das kann ich dir sagen: Krieg ich den Schatz, schaust du in die Röhre!“ Und er kämpfte sich weiter durch die Büsche.
Plötzlich hörte er hinter sich einen dumpfen Laut, wie wenn ein Stein über auf feuchte Erde plumpst, dann einen Aufschrei. Er drehte sich um, aber von Wolfgang war nichts mehr zu sehen. Da, wo er gesessen hatte, gähnte ein Loch in der Erde. Harald Specht beugte sich über den Rand und hörte es von unten stöhnen.
„Hallo“, rief er durch das Loch. „Hörst du mich?“
„Na klar hör ich dich," kam es dumpf zurück. „du schreist ja, dass einem die Ohren wehtun. Hilf mir lieber heraus!“
Als echter Abenteurer trug Harald Specht auf seinen Touren stets eine genau durchdachte Ausrüstung mit sich. Natürlich hatte er auch ein Seil im Rucksack. Er verknotete das eine Ende an einem Bäumchen, ließ das Seil in das Loch hinunter und rutschte daran in die Tiefe. Er landete neben seinem Freund, der sich wimmernd die verstauchten Knochen massierte.
Es war schummerig hier unten, nur durch das Loch, durch das Freund Wolfgang gefallen war, fiel etwas Licht. Harald Specht holte seine Taschenlampe aus dem Rucksack und schaute sich um. Der Lichtkegel der Lampe huschte über durch den weitläufigen Raum. Sie befanden sich in einer Art unterirdischer Halle. Es tropfte von der Decke, der Boden war glitschig, es roch feucht und modrig. Mitten in der Halle stand ein riesiger grob gezimmerter Tisch. Zwei Füsse waren durchgebrochen und die Platte neigte auf einer Seite bis zum Boden. Hinter dem Tisch standen die Reste einer langen Bank, von der nur noch die Lehne aufrecht stand. An der Wand neben dem Tisch steckten noch die Pfosten eines Gestells im Boden, das wohl einmal eine Art Regal darstellte. Davor lagen auf dem Boden verstreut zerbrochene Teller, Tassen und Schüsseln.
"Ein nettes Heim! Echt anheimelnd!" lachte Freund Wolfgang bitter. "Ich wüsste nur gerne, wo wir gelandet sind."
"Das werden wir gleich genauer wissen. Bleib hier und warte!" sagte Harald. Niedergeschlagen setzte sich Freund Wolfgang auf den Stuhl, den Harald anleuchtete. Kaum aber saß er, knackste und knirschte es und Freund Wolfgang saß wieder auf dem flachen Boden. "Was soll das? Komm zurück und lass uns abhauen!" rief ihm Wolfgang hinterher. Aber Harald Specht ließ sich davon nicht beirren. Ihn hatte eben wieder die Spürnase gekitzelt.
Er ließ Wolfgang im Dämmerlicht sitzen und durchsuchte alle Winkel der Höhle. Von der großen Halle zweigten kleinere Seitengänge ab. In einem dieser Gänge stieß er auf eine Feuerstelle: Auf dem Boden lagen noch verkohlte Holzreste, die Wände waren schwarz vom Ruß. Er leuchtete die Decke ab, um nach einem Abzug zu suchen. Tatsächlich öffnete sich in der Mitte eine Art Schlot. Der Lichtkegel der Lampe zeigte, dass der Abzug verstopft war.
Im nächsten Seitengang machte er eine grausige Entdeckung. Dort stand noch ein halb zerfallenes Bett mit zerschlissenen und vermoderten Kissen und Decken. Und zwischen den Lumpen, unter denen sich ein Skelett abzeichnete, blickte ihn ein Totenkopf aus leeren Augenhöhlen an. Der alte Pirat! durchfuhr es Harald Specht.
Aber er ließ sich auch von diesem Anblick nicht beirren. An der dem Bett gegenüber liegenden Wand entdeckte er ein kleines Wandschränkchen. Es hing schräg an der Wand, nur noch von einem Nagel gehalten. Die Türchen hingen halb zerbrochen in den rostigen Angeln, aber zwischen ihnen blitzte es im Lichtschein der Lampe silbrig auf. Aufgeregt griff Harald Specht hinein und hielt die gesuchte Kassette in der Hand.
Harald ging zu seinem Freund zurück, sprengte die Kassette auf und las: „Botschaft vier. Bravo! Du sitzt in der Falle. Das Gold kriegst du nicht! Suche nicht weiter! Auch durch das dunkle Loch am Ende der Höhle kommst du nicht mehr heraus. Es liegt kein Schatz mehr auf dem Stein.“
Was hieß jetzt wieder diese Botschaft? Freund Wolfgang war das schnurzegal! Er lachte nur bitter: „Merkst du nicht, dass es diesen Schatz gar nicht gibt? Dieser Pirat lacht sich noch in seinem Grab ins Fäustchen. Das ist doch nur eine Falle, und wir sind ihm wie zwei Blödiane auf den Leim gegangen! Dass ich Idiot mich von deiner Abenteuersucht habe anstecken lassen! Ich ich hab die Schnauze voll, ich will hier raus!“
Dem Loch gegenüber, durch das Freund Wolfgang herunter gestürzt war, erfasste die Taschenlampe eine aus rohen Ästen gezimmerte Leiter. "Halt!" rief Wolfgang, "Leuchte mir!" Er tastete sich bis zur Leiter, fasste sie mit beiden Händen und lehnte sie unter der Öffnung in der Decke gegen die Wand der Höhle. Vorsichtig stieg er die Sprossen hoch. Aber Freund Wolfgang war nicht gerade ein Fliegengewicht. Schon auf der vierten Sprosse knackste es. Die morsche Leiter gab unter dem Gewicht seines Körpers nach, er brach durch alle Sprossen und landete hart auf seinem Hinterteil.
Harald Specht konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Das brachte Freund Wolfgang nur noch mehr auf. "Such du deinen Schatz, bis du schwarz wirst! Ich verdufte." Und damit griff er sich das Seil, an dem sich Wolfgang herunter gelassen hatte, und versuchte sich daran hochzuhangeln. Das war für ihn nicht einfach, schließlich musste er ein gutes Gewicht hochziehen. Aber wütend, wie er war, schaffte er es fast bis unter das Loch. Mit einer Hand konnte er schon durch das Loch greifen, und suchte nach etwas, woran er sich festhalten und vollends durch das Loch ziehen konnte, da krachte und splitterte es, das Seil mitsamt dem daran hängenden Wolfgang sauste zu Boden, die Öffnung über ihm war plötzlich dicht und er saß im Dunkeln.
"Harald!" rief er und, als Harald die Lampe auf ihn richtete, hing dort, wo die Öffnung gewesen war, die Krone eines Bäumchens mit den Ästen nach unten. Was war passiert? Offensichtlich hatte Wolfgang mit seinem Gewicht das Bäumchen, an dem das Seil befestigt war, aus dem Boden gezogen und das Bäumchen hatte mit seinem Wurzelwerk die Öffnung verschlossen. Freund Wolfgang landete auf dem Matsch des Höhlenbodens. Jetzt saßen sie tatsächlich in der Falle: Das Loch, durch die sie in die Höhle geraten waren, war dicht. Wie sollten sie wieder an die Oberfläche zurückkehren?
Aber es war nicht das erste Mal, dass Harald Specht sich einer ausweglosen Situation gegenübersah. Er kombinierte: Warum hieß es in der letzten Botschaft: „Durch das dunkle Loch am Ende der Höhle kommst du nicht mehr heraus?" Es musste also noch einen Ausgang aus der Höhle geben. Wo aber war wohl das Ende der Höhle?
Harald Specht leuchtete die Höhle nach allen Richtungen ab. Dabei geriet er in einen weiteren Seitengang und entdeckte einen Lichtschein am Ende des Gangs. Er holte seinen Freund und sie krochen durch den Gang, der immer enger wurde, bis sie sich schließlich gerade noch hindurchzwängen konnten. Am Ende, als sie das Tageslicht schon vor sich sahen und sich gerettet glaubten, verschloss ihnen ein Stein jedes Durchkommen.
„Na bitte!“ stöhnte Freund Wolfgang. „Was habe ich gesagt? Es ist eine Falle.“
Harald Specht versuchte sich gegen den Stein zu stemmen. Der Stein aber hielt. Nun begann auch den erfahrenen Abenteurer die Angst zu packen. Aber er gab dennoch nicht auf. Mit dem Mute der Verzweiflung fischte er sein Allzweckmesser aus der Hosentasche und begann die Erde um den Stein herum aufzukratzen. Wieder und wieder stemmte er sich gegen den Stein, grub weiter und stemmte sich wieder gegen den Stein. Und siehe, nach einer guten Stunde verzweifelter Arbeit löste sich der Stein und rollte nach draußen. Sie hörten ihn den Abhang hinunterkullern und weit unter ihnen ins Meer plumpsen. Sie krochen hinaus und waren frei.
Aber kaum waren sie draußen, drehte sich Harald Specht um und untersuchte die Mulde, die der herausgebrochene Stein hinterlassen hatte. Und was entdeckte er darunter? Eine eiserne Truhe. Er grub das Erdreich um die Truhe herum auf und hob sie aus dem Boden. Als er sie aufsprengte, lagen darin 220 Maria-Theresien-Taler aus purem Gold.
„Na bitte!“ sagte Harald Specht. „Ich wusste doch, dass mich meine Spürnase nicht trügt.“
Wie kam Harald Specht wohl darauf, die Erde unter dem herausgebrochenen Stein zu untersuchen?

Die beiden bargen die Truhe, kamen dann aber noch einmal in die Höhle zurück und begruben den Alten Piraten. Danach teilten sie den Schatz unter sich auf, denn Harald Specht erwies sich schließlich doch als guter Freund und beide kehrten sie als reiche Männer nach Deutschland zurück.


 


Date: 2015-12-24; view: 786


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