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Ein schlechtes Geschäft

Johannes Merkel

Unser Herr Meier ist ein ausgesprochen lieber und höflicher Mensch, jedenfalls meistens. Denn sobald er sich ärgern muss, kann er einem auch ganz anders daherkommen. Dann ist er wie verwandelt: Sein Kopf läuft rot an, er schreit, dass die Wände wackeln, und dabei lässt er Beschimpfungen los, dass einem die Ohren heiß werden. Und ich wette, der kennt mehr Schimpfworte als jedes Lexikon. Nehmen wir einmal an, du würdest ihm aus Versehen in der überfüllten Straßenbahn auf die Schuhspitze treten, da könntest du was hören!
"Herrgottnochmal, ist mein Schuh vielleicht ein Parkplatz für Ihre elefantösen Krautstampfer, Sie dahergelaufenes Trampeltier...." Und so ginge das noch gut zehn Minuten weiter. Ich habe ein schlechtes Gedächtnis für solche Wörtchen, ich nehme fast an, ihr beherrscht das besser und könnt euch die netten Bezeichnungen denken, die Meier loslassen würde. Der würde mindestens bis zur nächsten Haltestelle in dieser Tour weiter schimpfen. Da leert sich dann meist schlagartig der Waggon, weil die Fahrgäste lieber die nächste Bahn abwarten als mit diesem Grobian weiterzufahren.
Man sollte sich aber von Meiers Schimpfkanonaden nicht abschrecken lassen. Lässt man ihm nämlich Zeit, seinen Ärger herausschimpfen, dann ist seine Wut bald verraucht, er verwandelt sich gleich wieder in den freundlichsten Menschen der Welt und lacht einen an, als wäre nichts gewesen. So ist unser Herr Meier eben, und wenn man es weiß, kommt man glänzend mit ihm aus.
Aber das ahnen die wenigsten, sie fühlen sich angemacht und nehmen es dem guten Mann krumm, wenn er so hemmungslos drauflos schimpft. Vor allem bei der Arbeit sehen das die Chefs gar nicht gern, und Meier hat sich damit schon oft genug in die Nesseln gesetzt. Wie auf seiner vorletzten Arbeitsstelle zum Beispiel: Da hatte ihm doch der Chef drei Minuten vor der Frühstückspause noch zwei Eilaufträge gebracht. War ja schon ein Wunder, dass er nicht gleich loslegte, sondern nur die Augen verdrehte. Nun gut, er pfuscht sie eben schnell noch hin. Aber nach dem Frühstück kommt der Chef ins Büro geschossen: "Mann Meier, was soll dieser Murks? Wenn Sie mir das noch mal liefern, setzt es eine Verwarnung."
Da läuft unser Herr Meier auch schon rot an und brüllt: "Sie müssen grade das Maul aufreißen, Sie Faulenzer. Den ganzen Tag auf dem Arsch herumhocken, nichts tun als das Kissen durchzuwetzen, und dann auch noch die Klappe aufreißen und herummeckern..." Na ja, undsoweiter undsoweiter. Ihr könnt euch ja ausmalen, was der noch alles losgelassen hat. Als er sich ausgeschimpft hatte, nutzte auch sein nettestes Lächeln nichts mehr: Meier musste seine Sachen zusammenpacken und war wegen mangelhafter Arbeitsleistung und Vergiftung des Betriebsfriedens entlassen.



Zum Glück war Meier gar nicht lang arbeitslos. Das Arbeitsamt konnte ihn als Anlernkraft in eine Fabrik für Sportschuhe vermitteln. Meier sollte im Lager Sendungen für die Schuhläden zusammenstellen. Der Personalchef führt ihn an seinen neuen Arbeitsplatz und bleibt noch einen Augenblick, um zu sehen, wie sich der Neue anstellt. Der Lagermeister schickt Meyer drei Kartons roter Stöckelschuhe Größe 38 holen, aber Meyer erwischt Kartons mit grünen Stoöckelschuhen "Du dämliches Rindvieh," schimpft der Lagermeister. "Bist du denn farbenblind?"
Unserm Herrn Meier schwillt wieder die Birne: "Du blöder Brüllaffe! Wenn du durch die Kartonschachtel durchschauen kannst, dann such dir doch deine komischen Latschen selber!" Undsoweiter undsoweiter.
"Den können Sie gleich wieder mitnehmen, so einen kann ich nicht brauchen," schimpft der Lagermeister. Der Personalchef ist einer, der gelernt hat, mit allen möglichen Figuren umzugehen. Der meint nur: "Abwarten! Dem werden wir die Schneid schon noch abkaufen."
Das hatte auch unser Meier mitgekriegt und er fragt darauf ganz locker: "Hab ich recht gehört? Sie wollen mir das Schimpfen abkaufen? Was zahlen Sie denn dafür?"
Und was glaubt ihr, antwortet der Personalchef? Er bietet ihm einen Euro für jedes Schimpfwort, das er ihm im Personalbüro abliefert, unter der Bedingung, dass er es nicht weiter benutzen darf, weil es ihm dann ja nicht mehr gehört.
Sagenhaft, sagt sich Meier. Von da an geht er jeden Morgen aufs Personalbüro, liefert eine Ladung neuer Schimpfwärter ab und kriegt für jedes davon eine ganzen Euro. Der Traumjob aller Zeiten, freut sich Herr Meier.
Welche Schimpfwörter wird er da wohl jeden Morgen abgeliefert haben?

Aber bald merkt er, dass die Sache einen Haken hat: Mit der Zeit fallen ihm immer weniger Schimpfwörter ein. Er grübelt jetzt manchmal Nächte lang, nur um einziges Schimpfwort zu finden. Und schließlich ist es ganz aus. Er kann sich drehen und wenden, wie er will, er hat sein letztes Schimpfwort an den Personalchef verkauft.
Und das Schlimmste daran ist, dass er mit den Schimpfwörtern auch alle seine Wut verloren hat. Er kann plötzlich nur noch lammfromm und sanft mitmachen, was ihm gesagt wird. Und als der Personalchef ins Lager kommt und verkündet: "Nun Meier, Sie wissen, wir leiden gerade unter einer Absatzflaute und müssen unser Personal ausdünnen. Sie behalten wir natürlich, aber Sie werden die Arbeit für einen ausscheidenden Kollegen mit übernehmen," da fehlen ihm die Worte. Wie bitte, er soll allein die Arbeit machen, die bisher zwei gemacht haben? Zwar schwillt ihm noch die Birne, aber es fehlen ihm einfach die Worte! Und er meint nur ganz leise: "Aber selbstverständlich! Wenn es nicht anders geht." Unser Herr Meier ist ehrlich erschüttert. Dass ihm das passieren muss! Das hätte er im Traum nicht für möglich gehalten.
Am nächsten Tag geht er aufs Personalbüro und will seine Schimpfwörter zurückkaufen. "Aber selbstverständlich," lacht der Personalchef. "Allerdings werden Sie dafür in die Taschen greifen müssen." Wieso denn das?
Was glaubt ihr, verlangte der Personalchef für jedes Schimpfwort, das Meier zurückkauft? Ganze fünf Euro! Ein Wucherpreis! "Wie Sie wissen, wird auch des Öl immer teurer," grinst der Personalchef. Als ob das was mit dem Öl zu tun hätte! Aber der Personalchef bleibt unerbittlich. Wie soll Meier jetzt nur wieder zu seinen Schimpfwörtern kommen?
Schließlich hat unser Herr Meier einen Ausweg gefunden: Er ging Schimpfwörter betteln.
Kommt er zum Beispiel an einer aufgerissenen Straße vorbei, wo sie gerade einen neuen Kanal verlegen. Unten aus der Kanalröhre hört er einen Arbeiter schreien: "Na, vielleicht wird's bald, du Hornochse?"
Unser Herr Meyer wirft sich auf den Boden und ruft in die Röhre: "He, Sie da unten, würde Sie mir bitte dieses Wörtchen schenken?"
Der Kanalarbeiter schaut aus der Röhre und meint: "Mann, was bist du für ein spinnerter Uhu!".
Da langt unser Herr Meier rasch zu und schon hat er wieder zwei schöne Schimpfwörter für seine Sammlung.
Er hat es aber dann gar nicht beim Betteln belassen. Er fing an Beschimpfungen regelrecht zu provozieren. Neulich zum Beispiel war ich im Garten am Arbeiten, da kommt unser Herr Meier am Zaun vorbei und wirft mir einen Grasbüschel an den Hals. Ich fahre herum: "Bescheuerte Wildsau!" Schon grabscht er sich meine Schimpfwörter zusammen, steckt sie in die Tasche und bedankt sich auch noch ganz freundlich.
Solltet ihr villeicht auch noch einige nette Schimpfwörter für unsern Herrn Meier übrig haben, dann lasst sie hören!

Herr Meier hatte sich bald wieder eine prächtige Sammlung Schimpfwörter zusammengebettelt, damit ging er eines Morgens zum Personalchef. "Nun Meier," fragt der ihn, "was haben wir auf dem Herzen?"
Meier erklärte ihm, dass er hiermit die Abmachung aufkündigt und sich nichts mehr abkaufen lässt.
"Ach was!" meinte der Personalchef. "Geben Sie doch zu, Sie haben keine mehr im Kasten."
Da hättet ihr unsern Herrn Meier hören sollen! Er lud sämtliche Schimpfwörter, die er in den letzten Wochen gesammelt hatte, auf den Personalchef ab. Und das waren nicht wenige, und darunter einige ganz harte Brocken, die wirklich weh taten. Vielleicht kriegt ihr sie ja noch zusammen.
Man kann sich ja vorstellen, was dann passierte: Unser Herr Meier war leider wieder arbeitslos. Und in sein Zeugnis schrieb ihm der Personalchef: "Aufbrausender Charakter mit einer fatalen Neigung zu unflätigem Schimpfen." Damit tat sich Herr Meier natürlich schwer, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Wenn er sich irgendwo bewarb und sein Zeugnis zeigte, hieß es plötzlich: "Tut uns sehr leid, aber die Stelle ist leider schon besetzt." Aber Herr Meier meinte, das wäre ihm trotz allem lieber als sich wieder seine Wut abkaufen zu lassen.
Zum Glück geriet er schließlich an einen Chef, der bemerkte, dass Meier nicht nur aufbrausend war, sondern auch gewissenhaft und zuverlässig arbeitete. Der meinte nur: "Von mir aus dürfen Sie quasseln, was Sie wollen. Wenn Sie mir nur ordentlich zupacken!" Seitdem hat unser Herr Meier auch wieder Arbeit, und wenn ihm mal wieder der Kamm schwillt und er herumbrüllt, dass die Wände wackeln, schimpft der Chef einfach zurück und sie schimpfen beide so laut udn so lange, bis einem von ihnen die Puste ausgeht. Und dann brechen sie in Lachen aus. Und wenn es der Chef schafft, länger zu schimpfen, meint er: "Eins zu null für mich." Aber wenn es Meier länger aushält, geht die Rund an ihn. Und meistens ist es unser Herr Meier, der gewinnt.


 

Auf Gespensterjagd

Johannes Merkel

Es war einmal ein Mann, der hieß Harald Spukfresser. Das war natürlich nicht sein wirklicher Name, er hatte sich diesen Namen zugelegt, damit die Leute gleich wussten, mit wem sie es zu tun hatten. Was glaubt ihr, was Herr Spukfresser von Beruf war?
Natürlich war er von Beruf Gespensterjäger. Er vertrieb Gespenster, die in Häusern oder in Schlössern herumgeisterten, die Leute belästigten und ihnen nachts den Schlaf raubten. Das machte er natürlich nicht umsonst, schließlich ist es eine Kunst, lästige Gespenster zu vertreiben. Im Gegenteil er ließ sich dafür gut bezahlen. Aber wenn Leute Nacht für Nacht von Gespenstern belästigt und am Schlafen gehindert werden, sind sie auch bereit, tief in die Tasche zu greifen um sie zu vertreiben.
Und damit Leute, die von Gespenstern belästigt wurden, auch erfuhren, wer ihnen helfen konnte, ließ er Anzeigen in alle Zeitungen setzen, in denen er schrieb: "Lassen Sie sich nicht länger Ihre Ruhe und Ihren Schlaf rauben! Dr. Spukfresser beseitigt zuverlässig und dauerhaft jede Art von Störgeistern, Poltergeistern oder anderen lästigen Gespenstern. Die Beseitigung erfolgt nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und auf dem Stand der modernsten Technologie. Hundertprozentige Wirksamkeit garantiert!"

Diese Anzeige las auch eine Frau, die jede Nacht von einem dreisten Gespenst am Schlafen gehindert wurde. Die gute Frau war Friseuse und hatte im Lotto eine Million gewonnen. Da hatte sie ihren Friseurladen dicht gemacht und sich ein Schloss gekauft. Sie zog in ihr neues Schloss, aber sie ahnte ja nicht, dass es in diesem Schloss spukte. Immer wenn sie gerade dabei war in ihrem neuen Himmelbett einzuschlafen, kitzelte sie jemand an den Fußsohlen, kniff sie ins Ohrläppchen oder zog ihr die Bettdecke weg. Und dann kicherte das Gespenst auch noch so schaurig, dass die Frau davon eine Gänsehaut bekam und vor Angst erst recht nicht einschlafen konnte.
Als sie die Anzeige gelesen hatte, rief diese Frau sofort bei Dr. Spukfresser an. "Bitte, Sie müssen mir helfen!" rief sie ins Telefon. "Ich weiß nicht mehr aus noch ein".
Harald Spukfresser kam noch am gleichen Tag gegen Abend ins Schloss. Er beruhigte die aufgeregte Friseuse. Sie sollte die kommende Nacht in einem Hotel schlafen und ihn allein im Schloss zurücklassen. Morgen früh würde das Schloss von dem lästigen Spuk befreit sein und von da an würde sie in aller Ruhe und ungestört in ihrem Himmelbett schlafen können.
"Sie sind ein Engel", hauchte die Frau und ließ den Gespensterjäger allein im Schloss zurück.

Allein im Schloss begann er seine Jagdausrüstung ins Schloss zu schaffen. Er hatte gleich geahnt, dass es sich um einen hartnäckigen Störgeist handeln musste, und hatte nicht nur die Standardausrüstung, sondern auch die brandneuen technischen Wunderwaffen mitgebracht, mit denen er auch extrem lästige Störgeister zur Strecke brachte.
Die Standardausrüstung umfasste eine Gespensterkneifzange, eine Gespenstertrennschere, einen Gespensterkäscher, eine Gespensterfalle und eine Packung Gespensterköder. Ich schätze, ihr wisst, was damit gemeint ist und wozu Harald Spukfresser diese Ausrüstung benutzt.
Aber wie gesagt, in diesem Falle hatte er auch die allerneuesten Geräte mitgenommen, und da würde mich doch interessieren, ob ihr ahnt, wie sie funktionieren. Zum Beispiel hatte er auch eine hoch auflösende Gespenstersuchbrille im Gepäck. Und er hatte das Gespenstersauggerät mit der elektronisch gesteuerten Gespensteransaugautomatik mitgebracht. Dazu einen unentrinnbaren Gespenstertransportkoffer, der mit einem elektronisch gesteuerten Gespenstervernichtungsprogramm ausgestattet war, die erlaubten, die Gespenster in Luft aufzulösen.

Als es dunkel zu werden begann, zog sich Harald Spukfresser das Nachthemd der guten Frau an, stülpte sich eine Perücke über den kahlen Schädel und legte sich in ihr Himmelbett. In dieser Aufmachung würde ihn das Spukgespenst für die Frau halten und ihn wie gewohnt belästigen. Aber heute Nacht würde er dabei eine böse Überraschung erleben.
Punkt Mitternacht schwebte das Spukgespenst durch das Schlüsselloch ins Schlafzimmer. Natürlich hielt es sich für unsichtbar, aber Harald Spukfresser hatte es längst durch die Gespenstersuchbrille ausgemacht. Wie gewohnt schlüpfte es unter die Bettdecke, um die Schlossherrin an den Fußsohlen zu kitzeln. Aber das schien heute die Schlossherrin gar nicht zu stören. Also ging das Gespenst dazu über, sie ins Ohrläppchen zu kneifen und dazu schaurig zu kichern. Als die Schlossherrin noch immer nicht in Angstschweiß ausbrach, zog es ihr schließlich die Bettdecke weg und ließ ein grauenvolles Kreischen hören. Jetzt aber sprang Harald Spukfresser aus dem Bett, ortete das Gespenst durch die Gespenstersuchbrille und stülpte den Gespensterkäscher über ihn. Kaum war das Gespenst im Käscher, schloss die Verschlussautomatik die Klappe und das Gespenst saß im Käscher fest.
Zu früh gefreut! Leider hatte Harald Spukkieker übersehen, dass der Spezialstoff des Käschers vom vielen Gebrauch einen haarfeinen Riss bekommen hatte. Das Spukgespenst machte sich dünn und dünner, bis es fadendünn wurde und durch den Riss schlüpfen konnte. Nun, auch Harald Spukkieker war auf der Hut. Als er das Spukgespenst durch die Gespenstersuchbrille als fadendünnen Streifen aus dem Käscher entweichen sah, bekam er es im letzten Augenblick noch mit der Gespensterkneifzange zu fassen. Da stieß das Gespenst einen schreckerregenden Schrei aus, der dem Gespensterjäger in die Knochen fahren sollte, damit er den Zangengriff lockerte. Als erfahrener Gespensterjäger ließ sich Harald Spukfresser davon nicht beeindrucken. Das Gespenst, das mit einem Ende im Gespensterkäscher festsaß, griff nun mit seinem langgezogenen Körper um den Gespensterjäger herum. Mit dem fadendünnen Ende schlüpfte es dem Gespensterjäger von hinten unter das Nachthemd und kitzelte ihn unter der Achsel. Harald Spukfresser biss die Zähne zusammen, aber schließlich half alles nichts, er musste laut loskichern, dabei lockerte er den Griff um die Gespensterkneifzange und das Gespenst konnte als endlos lange fadendünne Schnur aus dem Käscher entkommen.
Auf der Stelle wickelte sich nun das befreite fadendünne Gespenst um den überraschten Gespensterjäger, um ihn durch die Umwickelungen zu fesseln und kampfunfähig zu machen. Der erfahrene Gespensterjäger reagierte jedoch blitzschnell, indem er die Gespenstertrennschere aus seinem Werkzeuggürtel zog und den fadendünnen Gespensterleib mit der Schneide der Trennschere in zwei Teile zerschnitt.
Das Gespenst stieß einen furchtbar spitzen Schrei aus und ging zum Gegenangriff über: Die beiden fadendünnen Gespensterhälften begannen wie mit Peitschenhieben auf Harald Spukkieker einzuschlagen. Die Hiebe schlugen dem Gespensterjäger blutige Striemen in den Rücken, aber er wusste nur zu gut, dass er sich von diesen Schlägen nicht ablenken lassen durfte. Trotz der Schmerzen gelang es ihm, die Gespensterfalle in Stellung zu bringen und den Gespensterköder in der Falle auszulegen. Sobald die beiden Gespensterhälften den Köder schnupperten, ließen sie von dem Gespensterjäger ab und wurden unwiderstehlich von dem hochwirksamen Gespensterköder angezogen, der sie in die Falle lockte.
Schon glaubte Harald Spukfresser das Gespenst im Fangkorb festgesetzt zu haben. Was der Gespensterjäger jedoch nicht bedacht hatte: Im Fangkorb der Falle wickelten sich die fadendünnen Gespensterhälften zu einem dicken Knäuel zusammen und konnten sich in eine energiegeladene Gespensterkugel verwandeln. Diese Gespensterkugel dehnte sich aus, drückte mit ihrer geladenen Energie gegen die Wände des Fangkorbes und sprengte den Fangkorb mit einem ohrenbetäubenden Knall auseinander.
Die Energie war so groß, dass das Gespenst dabei in tausend Einzelteile zerriss. Jedes einzelne dieser Teile ging nun gegen den überraschten Gespensterjäger vor, prasselte auf ihn ein und riss ihm blutige Striemen in die Gesichtshaut. In seinem langen Berufsleben war Harald Spukfresser solch eine Attacke noch nicht untergekommen. Wenn es ihm nicht gelang, die tausend Einzelteile des Gespenstes einzufangen, war es um ihn geschehen. Mit dem Mut der Verzweiflung schloss er das Gespenstersauggerät an den Gespenstertransportkoffer und richtete das Saugrohr gegen die angreifenden Einzelteile. Prasselnd schossen die Einzelteile durch die Saugröhre und landeten im Gespenstertransportkoffer. Die Innenwände des Koffers waren mit einer Schutzschicht beschichtet, die Gespenstern jedes Durchdringen verwehrten. Die Einzelteile rumorten im Fangkorb wie ein wild gewordener Bienenschwarm, aber diesmal gab es kein Entrinnen. Harald Spukfresser musste nur noch die wenigen frei herumfliegenden Einzelteile des Gespenster aus der Luft absaugen und er hatte gewonnen. Dann aktivierte er das Gespenstervernichtungsprogramm, das die gefangenen Einzelteile nacheinander in Luft auflöste. Und damit war der ganze Spuk zu Ende.
Am nächsten Morgen konnte er der überglücklichen Schlossherrin ein Schloss übergeben, das von dem lästigen Gespenst befreit war. Von da an schlief die Friseuse, die zu einer Schlossherrin geworden war, jeden Tag glücklich und ungestört bis in den hellen Morgen in ihrem Himmelbett.


 


Date: 2015-12-24; view: 887


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