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Der Junge, der immer das Gegenteil sagen musste

Die Dingsda

Johannes Merkel

 

Es war einmal ein Mädchen, das ging genau wie ihr jeden Morgen zur Schule. Zum Glück hielt der Bus, der sie zur Schule brachte, genau vor ihrem Haus. Am Morgen konnte sie so lange warten, bis sie den Bus kommen hörte, um dann schnell aus dem Haus zu laufen und in den Bus zu steigen.
Eines Morgens hatte ihre Mutter die Treppe gewischt und, als das Mädchen den Bus hörte, rutschte sie auf der nassen Treppe aus, fiel auf den Hintern und hoppelte die ganze Treppe auf dem Hosenboden herunter. So ein Mist! Am Ende der Treppe rappelte sie sich wieder auf. Sie ging ein paar Schritte. Nein, gebrochen hatte sie sich zum Glück nichts, aber alle Knochen taten ihr weh.
Die Mutter hatte es rumpeln hören und kam aus dem Zimmer gelaufen: „Was ist denn passiert?“
Aber was sagte da das Mädchen? „Ich hörte den Ding und bin die Ding runtergerannt. Da bin ich auf den nassen Dingern ausgerutscht. Und jetzt ist der Ding weg und ich komme viel zu spät in die Dings!“
Ahnt ihr, was passiert war? Die Knochen hatte sie sich nicht gebrochen, aber ihr Gehirn war beim Hoppeln über die Treppenstufen so durchgeschüttelt worden, dass sie alle Hauptwörter vergaß und nicht mehr wusste, wie die Sachen alle heißen. Statt der vergessenen Wörter redete sie immer nur von „Ding“, „Dingern“ und „Dingsda“.
Das war nun wirklich ein tolles Ding, denn das hörte sich so an: Wenn ihre Mutter fragte, ob sie ihre Hausaufgaben schon gemacht hatte, sagte sie: „Für morgen hat uns der Dingsda gar keine Dinger aufgegeben, aber bis Dings müssen wir alle Dinger gemacht haben“. Versteht ihr das? Was wollte sie damit sagen?
Oder als sie einmal in einer Auslage ein knallrotes T-Shirt entdeckte, lief sie in den Laden und fragte: „Ich hab im Ding so ein Ding gesehen, da wollte ich fragen, was das Ding kostet“. Was hat sie damit wohl gemeint? Glaubt ihr, die Verkäuferin hat das verstanden?
Weil sie immer so redete, hieß sie bald nur noch „die Dingsda.“

2.
Ihr könnt euch ja ausmalen, dass es gar nicht so einfach war, zu verstehen, was die Dingsda meinte.
Zum Beispiel sagte ihre Mama eines Morgens beim Frühstück: „Hör zu! Wir haben so gut wie nichts mehr im Haus, aber ich bin heute bis spät abends im Geschäft. Deshalb musst du nach der Schule einkaufen gehen, damit wir etwas für das Abendbrot haben. Ich schreibe dir auf einen Zettel, was wir brauchen.“
Die Mutter gab ihr Geld und schrieb ihr auf einen Einkaufszettel:

„Zwei Flaschen klaren Apfelsaft.
Sechs runde Brötchen.
Eine Packung Butter.
Hundert Gramm Salami.
Drei große Becher Joghurt.“

Dingsda steckte den Zettel und das Geld in ihre Schultasche und ging zur Schule. Es war ein schöner warmer Sommertag und in der Pause wurde sie von ihrer besten Freundin gefragt: „Willst du mit uns zum Baden an einen See fahren? Mein Papa holt mich gleich von der Schule ab und dann machen wir Picknick am See.“
Natürlich wollte sie da mitfahren. Das passte auch gut. Sie schwammen im Turnunterricht und sie hatte ihre Badesachen ja noch in ihrem Fach in der Klasse liegen. Aber sie hatte doch ihrer Mama versprochen einkaufen zu gehen! So was Dummes! Sie überlegte hin und her, dann hatte sie eine Idee. Sie konnte doch ihren Opa fragen! Der wohnte nur ein paar Straßen weiter, und nett er auch, der würde das bestimmt für sie machen. Sie lieh sich das Handy ihrer Freundin und rief ihren Opa an.
Dingsda fragte ihn: „Ich hab meiner Ding versprochen einkaufen zu gehen, aber meine Ding lädt mich ein, mit ihrem Ding an einen Ding zu fahren und zu baden. Kannst du vielleicht für mich die Dinger einkaufen?“
Der Opa war wirklich nett. Er verstand auch so ungefähr, was sie meinte, dass sie nämlich irgendwo baden gehen wollte, und ihn fragte, ob er für sie einkaufen ging. Jaja, das wollte er schon machen. Aber er musste doch wissen, was er einkaufen sollte. Und was erklärte ihm da die Dingsda?
„Erstens. Zwei Dinger klaren Dingsding!“
„Wie bitte? Was meinst du damit?“ fragte der Opa.
„Naja, damit wir was zu trinken haben.“
Aha, was zu trinken, das verstand der Opa. Und was sollte er noch einkaufen?
„Sechs runde Dinger, auf die wir was draufmachen können.“
„Aha,“ meinte Opa. Glaubt ihr, er hat sie verstanden?
„Und was noch?“
„Eine Ding Ding, die wir immer auf die Dinger streichen.“
„Verstehe,“ meinte Opa.
„Hundert Ding Dings, die wir auf die runden Dinger legen.“
„Gleich hundert?“ fragte Opa.
„Ja. Und dann noch drei große Dinger Dingsding, die ich so gerne auslöffle.“
Dann fuhr Dingsda zum Picknick am See und Opa ging einkaufen. Er hatte sich alles genau notiert, was ihm Dingsda gesagt hatte.
Also erstens „zwei Dinger klaren Dingsding“. Das war ja klar, was das bedeutete. Er kaufte zwei Flaschen klaren durchsichtigen Schnaps.
Was weiter? „Sechs runde Dinger, auf die man was draufmachen kann.“ Ist ja auch klar: Sechs Untersetzer für Weingläser.
Was noch? „Eine Ding Ding. Weißt du, die wir immer auf die Dinger streichen.“ Das war schon schwieriger. Aber Opa war ein findiger Mensch. Er kaufte eine Dose Hautcreme, die konnte man auf die Finger schmieren.
Was noch? „Hundert Ding Dings, die wir auf die runden Dinger legen.“ Da war der Opa doch etwas verwundert. Zu Hause hatten sie Stühle mit runden Sitzflächen. Aber wozu brauchten sie dafür gleich hundert Kissen? Aber schließlich hat sie das gesagt, also kaufte Opa hundert runde Sitzkissen.
Und was fehlte jetzt noch? „Drei große Dinger Dingsding, die sie so gerne auslöffelt.“
Endlich auch noch was zum Essen, dachte Opa und kaufte drei riesengroße Grapefruit-Früchte.
Das gab vielleicht ein leckeres Abendessen, als Mama von ihrem Geshäft und Dingsda vom Baden zurück kamen!



3.
Aber am schlimmsten stand es mit Dingsda in der Schule. Beim Reden ging das ja noch. Da verstand sogar die Lehrerin meistens, was die Dingsda meinte. Aber was glaubt ihr, wie Dingsda jetzt schrieb? Wenn die Lehrerin zum Beispiel für die Eltern eine Nachricht zum nächsten Klassenausflug diktierte, dann stand bei Dingsda im Heft:

„Liebe Dinger,
Am Dings, den 24. Ding, planen wir einen Ding aufs Ding. Bitte warme Dinger mitbringen, um sich auch gegen Ding und Ding zu schützen. Wir fahren um acht Ding mit dem Ding los und kommen um 16 Ding wieder zurück. Bitte holen Sie dann ihre Dinger von der Dingsding ab!
Ihre Dingsda“

Da verzweifelte selbst ihre Mutter. An welchen Tag sollte denn der Ausflug starten? Montag, Dienstag, Mittwoch oder was? Wenn sie dann wenigstens den Monat gewusst hätte, dann hätte sie ja rausbringen können, was für ein Wochentag der 24. war. Aber „der 24. Ding“! Wie sollte man daraus schlau werden? Da rief ihre Mutter lieber gleich bei der Lehrerin an, um nachzufragen.

Und was sie erst bei Diktaten in ihr Heft schrieb! Stellt euch vor, was sie eines Tages bei einem Diktat aufgeschrieben hat.
„Der hinterhältige Ding.“
„Wenn man den Ding im Frühling rufen hört, freuen sich alle Dinger. Dabei denkt keiner daran, dass der Ding ein ganz und gar hinterhältiger Ding ist. Er ist nämlich viel zu faul, um sich selber ein Ding zu bauen. Deswegen legt er seine Dinger in ein fremdes Ding. Wenn das kleine Dingsding aus den Dingern ausgekrochen ist, wird es von den fremden Dingern gefüttert. Weil das junge Dingsding größer ist als die anderen jungen Dinger, erwischt es das meiste Ding und wird immer größer. Wenn es dann groß geworden ist, fliegt der Ding einfach weg. Er ist aber genauso wie seine Dinger zu faul, um selber ein Ding zu bauen. Darum legt er seine Dinger auch wieder in ein fremdes Ding.“

Habt ihr verstanden, was die Lehrerin diktiert hatte? Was würde eure Lehrerin sagen, wenn ihr so ein Diktat abliefern würdet?

4.
Es war klar, dass es so nicht mehr weitergehen konnte mit der Dingsda. Ihre Mutter lief von einem Arzt zum andern, damit sie ihr helfen, wieder die richtigen Wörter zu finden, statt ständig von Dingern und Dingsda zu reden. Die Ärzte machten mit ihr einen Test nach dem andern. Sie nahmen ihr Blut ab, um es zu untersuchen, sie musste in eine Röhre pinkeln und sie durchleuchteten ihren Kopf. Aber sie fanden nichts und wussten nicht, was sie mit ihr machen sollten. Schließlich gibt es keine Pillen, die einem beibringen, die richtigen Hauptwörter zu gebrauchen.
Darum kam sie zu einem Psychologen in Behandlung. Der zeigte ihr viele Sachen und sagte ihr vor, wie sie heißen. Zum Beispiel zeigte er ihr seinen Kugelschreiber und sagte: „Das ist ein Kugelschreiber! Merke dir: ein Kugelschreiber! Was ist das also?“
Und was antwortete die Dingsda? „Das brauchen Sie mir nicht zu sagen. Ich sehe doch selber, dass das ein Dingsding ist!“
Da wusste auch der Psychologe nicht mehr, was er mit ihr machen sollte.

Zum Glück verstand ihre Mutter ja meistens, was Dingsda meinte, und ihr Freund, ein Junge aus dem Nachbarhaus, der hatte sich so an ihre Rederei gewöhnt, dass er sie immer ganz genau verstand.
Und eines Tages fragte sie dieser Freund, wie das denn gekommen ist, dass sie das Gedächtnis für die Hauptwörter verloren hat.
Na, ihr könnt euch ja denken, wie sie es ihm erzählte. „Ich hörte den Dingsda kommen und rannte, um ihn noch zu erwischen. Aber meine Dingsda hatte die Ding gewischt, da bin ich auf den nassen Dingern ausgerutscht und Ding für Ding auf meinem Dingsda runtergehoppelt. Und seitdem hab ich alle Dingsdinger vergessen!“
Der Junge hatte verstanden, was ihm die Dingsda da erzählte. Er dachte einen Moment nach und dann meinte er: „Wenn du die Hauptwörter beim Runterhoppeln verloren hast, kannst du sie ja vielleicht beim Hochhoppeln wiederfinden.“
Da musste die Dingsda lachen, aber ihr Freund meinte das ernst. Am nächsten Tag besorgte er sich ein langes Seil. Das band der Junge Dingsda um den Bauch und sie setzte sich unten vor der Treppe auf den Boden. Ihr Freund lief mit dem Seil nach oben und fragte: „Kann es losgehen?“ Und die Dingsda rief: „Zieh am Ding!“
Und da zog der Junge mit aller Kraft am Seil und die Dingsda holperte Treppenstufe um Treppenstufe die Treppe hinauf. Das tat ja sogar noch mehr weh als beim Runterrutschen! Als sie oben angekommen war, sprang sie auf, tastete ihren Hintern ab und schrie: „Aua! Das war eine blöde Idee von dir! Ich dachte schon, der Hintern fällt mir ab!“
Aber so blöd war die Idee vielleicht doch nicht. Endlich hatte sie nämlich das Gedächtnis für die Hauptwörter wieder gefunden und konnte von da an wieder genau so reden wie du und ich.


 

Der Junge, der immer das Gegenteil sagen musste

Johannes Merkel

Es war einmal ein frecher Junge, der hieß Robert und kam gerade aus der Schule. Er wollte nach Hause gehen, hatte Hunger und freute sich auf das leckere Essen, das ihn daheim erwartete. Da begegnete ihm eine gute Fee. Aber die gute Fee sah aus wie eine alte Hexe. Auf dem Rücken hatte sie einen Buckel, mitten im Gesicht eine schiefe Nase und sie blickte den Jungen aus zwei Triefaugen an. Deswegen hielten sie alle für eine Hexe und niemand ahnte, dass sie eigentlich eine gute Fee war.
Als Robert die gute Fee sah, zeigte er mit dem Finger auf sie und lachte.
„Was gibt es da zu lachen?“ fragte die gute Fee.
„Hast du dich schon einmal im Spiegel gesehen?“ fragte der Junge. „Igitt, wie du ausschaust! Wie eine hässliche alte Hexe!“
Darüber ärgerte sich die gute Fee und sagte zu dem frechen Jungen: „Na warte, zur Strafe für deine Frechheit wirst du heute den ganzen Tag das Gegenteil von dem sagen müssen, was du sagen willst. Und dann wirst du das auch noch das Gegenteil von dem tun müssen, was du eigentlich willst.“
Da lachte der freche Junge und dachte: „Lass die Alte doch quatschen!“ Und er ging einfach weiter.

Der freche Junge hatte keine Ahnung, dass er verzaubert worden war. Da kam ihm ein Nachbar entgegen.
„Hallo, Robert,“ meinte der Nachbar, „Gehst du nach Hause? Dann grüß mir deine Eltern!“
Aber was musste da der freche Junge sagen? „Quatsch! Ich geh nicht nach Hause! Ihren Gruß können Sie sich an den Hut stecken!“
Und damit drehte er sich auf dem Absatz um und ging in die entgegengesetzte Richtung weiter. „Komisch!“ dachte er. „Ich will doch eigentlich nach Hause. Ich habe Hunger und zu Hause warten sie mit dem Essen auf mich. Warum sage ich denn das Gegenteil? Und dann tu ich das auch noch!“

Aber es nutzte nichts, er musste in die falsche Richtung gehen. Als er an einer Parkanlage vorbeikam, sah er dort auf einer Bank einen Fernfahrer sitzen, der Mittagspause machte. Er biss in ein dickes Baguette mit Schinken, Wurst und Käse. Mit hungrigen Augen schaute Robert auf das leckere Baguette. Da fragte der Fernfahrer: „He Junge, du schaust aus, als hättest du Hunger. Willst du einen Bissen abhaben?“
Aber was musste da der freche Junge sagen? „Quatsch! Ich hab keinen Hunger! Und schon gar nicht auf dein ranziges Baguette!“
Aber während er weiterging, musste er wieder denken: „Komisch, ich bin doch eigentlich scharf auf das Baguette. Warum sage ich denn das Gegenteil?“

Beim Weitergehen kam er an einer Imbissbude vorbei und studierte die Gerichte, die auf Plakaten an der Wand der Imbissbude ausgestellt waren. Das Wasser lief ihm darüber im Mund zusammen. Er wusste auch schon ganz genau, was er gerne essen würde: Bratwürstchen mit Kartoffelsalat. Aber leider hatte er doch kein bisschen Geld in der Tasche!
An der Imbissbude stand eine Frau und schaute ihm zu. Da sagte die gute Frau: „Du schaust hungrig aus, mein Junge. Soll ich dir ein Würstchen mit Kartoffelsalat ausgeben?“
Aber was musste da der freche Junge sagen? „Quatsch! Ich hab keine Hunger! Und Ihre Würstchen können Sie sich an den Hut stecken.“
Aber während er weiterging, musste er wieder denken: „So ein Mist! Ich bin scharf auf Bratwürstchen mit Kartoffelsalat. Warum zum Teufel sag ich, dass ich sie sich ihre Würstchen an den Hut stecken kann?“

Schließlich kam er an einem Gasthaus vorbei. Vor dem Gasthaus roch es so lecker nach Braten, dass er sich nicht mehr halten konnte. Er ging einfach rein und setzte sich an einen Tisch. Ein Kellner kam zu ihm und fragte, was er für ihn tun kann. Und was musste da der freche Junge sagen? „Einen Dreck können Sie für mich tun“.
Dabei musste er wieder denken: „Warum sag ich so einen Quatsch? Der kann doch eine Menge für mich tun! Mir zum Beispiel was Leckeres zu essen bringen.“

Der Kellner schaute den Jungen an und meinte: „Zieh besser Leine, bevor ich ungemütlich werde! Du hast doch sowieso kein Geld.“
Was glaubt ihr, wie sich da Robert freute? Klar, hatte er kein Geld. Aber was konnte er jetzt sagen? „Woher wollen Sie das wissen? Natürlich habe ich Geld“.
Zum Glück wollte der Kellner das Geld nicht sehen. „Na schön,“ sagte er nur. „Was darf ich dem feinen Herren dann bringen?“
„Wenn ich den Mund aufmache, sag ich wieder das Gegenteil von dem, was ich haben möchte,“ überlegte Robert. Und deshalb zeigte er mit dem Finger stumm auf die Speisekarte. Was glaubt ihr wohl, was er sich bestellte? Sechs Würstchen mit Kartoffelsalat.
Der Kellner schüttelte den Kopf über den komischen Bengel, aber er brachte ihm das gewünschte Essen. Da hättet ihr Robert essen sehen sollen! Er futterte, was das Zeug hielt. Und wie ihm das schmeckte!
Als der Kellner den Teller abräumte, fragte er: „Na, hat es wenigstens geschmeckt?“
Was musste da Robert wieder antworten? „Geschmeckt? Ekliger als ein Paar alte Socken!“
Der Kellner schüttelte nur den Kopf und kam mit der Rechnung. „Bezahlen wirst du es trotzdem!“
Aber was musste da der freche Junge wieder sagen? „Ich denke doch nicht daran, für diesen Fraß auch noch zu zahlen!“

Da holte der Kellner den Chef des Gasthauses. Der fragte nicht lang, sondern durchsuchte die Schultasche und die Hosentaschen des Jungen. Aber er fand kein Geld.
Da sagte er zu Robert: „Du hast hier gegessen und kannst nicht bezahlen. Eigentlich müsste ich die Polizei holen. Aber gut, ich lasse dich laufen, wenn du dafür heute Nachmittag bei uns in der Küche arbeitest.“
Wie gern hätte das Robert mitgemacht! Dann wäre das Problem mit dem Geld doch aus der Welt geschafft worden. Aber was musste er stattdessen sagen? „In der Küche arbeiten? Bin ich euer Küchenjunge? Ich bin doch nicht bescheuert!“

Da rief der Chef die Polizei an. Die kam mit zwei Beamten. Sie fragten den frechen Jungen, wer seine Eltern sind.
Aber was musste da der freche Junge wieder sagen? „Eltern? Was ist denn das? Sowas hab ich nicht!“
Dann fragten sie ihn, wo er zur Schule geht.
Aber was musste da der freche Junge wieder sagen? „Welche Schule? Ich bin doch nicht blöd! Ich gehe nicht zur Schule!“
Dabei sahen sie doch, dass er einen Schulranzen voller Hefte und Bücher dabei hatte. Weil sie aus ihm nicht schlau wurden, fuhren sie mit ihm auf die Wache und holten einen erfahrenen Kriminalbeamten. Der fragte Robert: „Wie ist dein Name?“
Und was musste Robert darauf sagen? „Name? Nie gehört! So was hab ich nicht!“
Da merkte der Kriminalbeamte, dass der Junge immer das Gegenteil sagen musste. Deswegen fragte er jetzt: „Du wirst mir doch nicht erzählen wollen, dass du in die Schule gehst!“
Und was konnte Robert da sagen?
„Quatsch! Klar, geh ich in die Schule!“
„Du hast aber längst vergessen, wie deine Eltern heißen.“
Und was konnte Robert da sagen?
„Quatsch! Das habe ich bestimmt nicht vergessen.“ Und er sagte den Namen seiner Eltern.
„Wetten, dass deine Eltern kein Telefon haben!“
„Quatsch! Natürlich haben sie ein Telefon“. Und er verriet auch die Telefonnummer. Da rief der Kriminalbeamte die Eltern an. Sie holten ihren Robert von der Polizeiwache ab. Der Kriminalbeamte erklärte ihnen, sie sollten sich nicht wundern, wenn der Junge immer das Gegenteil von allem behauptete.

Die Eltern hatten sich natürlich schon Sorgen gemacht, als Robert nicht nach Hause gekommen war.
Sie fragten ihn, was denn los gewesen war, warum er nicht gleich nach Hause gekommen ist. Könnt ihr euch denken, was Robert da seinen Eltern erzählte?
„Auf dem Heimweg von der Schule hab ich eine gute Fee getroffen. Die hab ich angelächelt und da hat sie mir gesagt: ‚Du wirst heute den ganzen Tag nur sagen, was du wirklich denkst.’
Dann hab ich unsern Nachbarn getroffen, der hat mir verboten euch zu grüßen.
Dann hab ich einen Fernfahrer getroffen, der ein Baguette gegessen hat. ‚Kannst du mir ein Stück abgeben?’ hab ich gefragt. Aber der gemeine Kerl wollte mir nichts abgeben.
An einem Imbiss hab ich eine Frau gefragt, ob sie mir Würstchen mit Kartoffelsalat ausgibt. Aber die geizige Tante wollte mir nichts zahlen.
Im Gasthaus hab ich zum Kellner gesagt: ‚Ich hab kein Geld.’ Da hat er mir nichts zu essen gebracht. Da wollte ich in der Küche arbeiten und das Essen verdienen. Aber der Chef hat mich nicht arbeiten lassen. Da habe ich die Polizei gerufen. Die hat mir gesagt, wie ich heiße und wer meine Eltern sind.“

Da merkten auch die Eltern, dass der Junge irgendwie immer das Gegenteil sagen musste.
Deswegen sagten sie ihm immer auch das Gegenteil von dem, was sie von ihm wollten. Was sagte ihm zum Beispiel die Mutter, wenn sie wollte, dass er das Geschirr in die Spülmaschine räumte? Oder was sagte ihm der Vater, wenn er wollte, dass ihm Robert einen Schraubenzieher aus der Garage holte?
Ihr könnt euch sicher denken, was die noch alles zu ihm sagten an diesem Tag.

Aber am nächsten Tag war der Bann gebrochen und der Junge konnte wieder gerade heraus sagen, was er selber wollte und was er wirklich dachte. Nur wusste seine Mutter nicht, dass ihn die gute Fee nur für einen Tag verzaubert hatte. Am nächsten Morgen ging die Mutter deshalb in sein Zimmer und rief: „Robert, du darfst noch nicht aufstehen. Du musst heute doch gar nicht in die Schule.“
Und was machte da Robert? Der drehte sich um, zog die Bettdecke über den Kopf und schlief weiter. Nach einer halben Stunde kam die Mutter in sein Zimmer gerannt und schrie: „Ich habe dir doch verboten aufzustehen! Warum stehst du dann einfach von selber auf?“
„Was hast du denn, ich lieg doch noch im Bett“ meinte Robert. Da merkte auch die Mutter, dass der Bann gebrochen war und Robert wieder sagen konnte, was er wirklich dachte und wirklich wollte.


 


Date: 2015-12-24; view: 1062


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