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Ob es das ist, was sie unüberwindlich macht?

Stumm saßen sie beieinander.

Sie marschierten weiter. Endlich ein größeres Dorf, wieder Auffangkommandos, SS-Leute, ein Rottenführer: „Warum verlaßt ihr die Linie?“ – „Jungchen, es gibt keine Linie mehr! Nur noch Russen, bildschöne Kerle! Warte nur, bis sie kom­men!“ Burgkert schob den Rottenführer zur Seite. Vetter rief: „Aus Frankreich kommen die, so was!“ Ein Hauptmann, zit­ternd vor Nervosität: „11. Panzerdivision? Hier gibt’s keine Panzer, in Breslau gibt’s Panzer, aber keine Besatzungen! Was treiben Sie sich hier herum? Sie bekommen Papiere nach Strehlen!“

Ein klappriger Lastwagen rumpelte in Richtung Westen durch den Schnee. Auf der Straße zogen ihnen Truppen ent­gegen, Alarmkompanien, eine Batterie Nebelwerfer, Pak, auch ein paar Selbstfahrlafetten, Troßkolonnen. Hinter ihnen grollte schweres Artilleriefeuer.

In Strehlen machte man Anstalten, sie mit einer Alarmkom­panie wieder nach vorn zu schicken. „Drücken wollen Sie sich! Zurück an die Front!“ Burgkert erfand faustdicke Lü­gen: Funker mit Sonderausbildung, Festung Breslau, Armee­kommando! Sie erhielten Marschpapiere nach Breslau.

In Strehlen staute sich ein Menschenstrom, mit Stäben, Truppen, Troß, Arbeitsdienstabteilungen und Kriegsgefange­nenkommandos. Als der Kanonendonner im Osten anschwoll, griff Panik um sich. Alle halben Stunden kämmten Feldgendar­men die Lokale durch.

Holt sank in einem Cafe auf einen Stuhl. Der Transport nach Breslau ging erst am Abend. Es war warm und stickig. Wolzow schimpfte auf das Heißgetränk. Burgkert goß die Limonade unter den Tisch und füllte das Glas mit dem Schnaps, den er unbeschädigt durch den Angriff geschleppt hatte. Er trank rasch eine ganze Flasche leer. Dann schlief er ein.

„Mit Burgkert im Panzer“, sagte Wolzow, „das war nicht übel. Aber nur, wenn er genug Schnaps hat. Der ist überhaupt nur noch unter Alkohol lebensfähig.“ Er haschte nach einem vorbeigehenden Zivilisten und entriß ihm eine Zeitung. Er faltete das Blatt auseinander. „Von heute! Aus dem Führer­hauptquartier ... ,Zwischen Kosel und Breslau wurden zahlrei­che Ubersetzversuche des Feindes vereitelt...’“ Vereitelt ist gut, dachte Holt. Wolzow rauchte. „Werner, hör zu! ,Wie fällt die Entscheidung im Osten?’“ – „Wahrscheinlich kom men nun bald die neuen Waffen“, rief Vetter. Wolzow las. Vetter hörte mit offenem Munde zu. „,. . . Pflicht darin sieht, ohne Rücksicht auf die eigene Person in mühsamer Kleinar­beit einen bolschewistischen Panzer und Infanteristen nach dem anderen auszuschalten ...’“ Auszuschalten? Es war erst gestern gewesen: Sepp und der Gefreite... die Panzersperre . . . Wolzow und seine „überlegene Taktik“ .. . nicht dran denken! „Hier heißt es, der Russe hätte alles eingesetzt, was er noch besitzt, und wenn es uns gelingt...“ Wolzow las: „,. . . was er jetzt eingesetzt hat, zu zerschlagen, dann ist er fast wehrlos und muß alles, was er raubte, wieder herausge­ben.’“ – „Fast wehrlos ist gut!“ sagte Vetter. „Wer das schreibt, der will uns doch glatt veralbern!“



„Was war eigentlich gestern an der Panzersperre los?“ fragte Holt.

„Ich hab doch gedacht“, antwortete Wolzow unwirsch, „die Überraschung wird so groß sein, daß die sich nicht zu helfen wissen!“

„Junge“, sagte der Oberfeldwebel plötzlich, mit dröhnen­dem Baß, und er blinzelte schlaftrunken mit den geschwolle­nen Lidern. „Den Trick mit der Panzersperre kennen die doch! Die kennen doch alle Tricks, die’s gibt. Ich bin ein ausge­wichster Panzermann, aber die sind doch keine halbe Nase weniger schlau!“ Er goß sich den Aluminiumbecher voll Schnaps. „Panzerfaust ist Krampf, Junge, ,dem besten Sol­daten die besten Waffen’...“ Er trank den Becher leer und sank in den Stuhl zurück. „Was sind wir beschissen wor­den!“ Er schloß die Augen.

Wolzow kniff ein Auge zusammen. Der Oberfeldwebel sagte stoßweise, halb bewußtlos vor Trunkenheit: „Wir warn drei. . . auf sechs Morgen ... in Pommern ... Alles in Kartoffeln auf­gefressen, und dann ... auf dem Gut, für Deputat... Der Baron war Major. Einmal war Sauhatz ... Ist ihm der Jagd­wagen abgehauen, vier Wallache . . . Ich hab sie am Halfter geschnappt...“ Er sprach mit schwerer Zunge: „Sagt der Ba­ron: ,Name? Von hier?’ Ich sag: ,Ihr Nachbar... Drei Brüder, sechs Morgen.’ Volk ohne Raum... Der Major: ,Hol dir Land. Im Osten gibt’s Land!’“ Der Kopf des Oberfeld­webels sank auf die Brust. „Hab’s nie mehr vergessen. Hab gedacht: Wirst Berufssoldat. Schaffst dir ’n Hof.“ Er knallte plötzlich den Becher auf den Tisch. „Eingießen, Rekrut!“ Wol­zow grinste und füllte den Becher abermals. Burgkert trank, mit geschlossenen Augen, der Schnaps troff über Kinn, Hals und Uniform. Wie gelähmt wischte der Arm über den Mund, fiel schwer herab. Ein Röcheln: „Sonst nichts... Immer nur für ... einen Hof ... gekämpft...“

„Randvoll!“ sagte Wolzow. „Stockblau, der Mann!“

Vetter sagte: „Da hat er sich aber auf die Schippe nehmen lassen, von wegen ,Land im Osten’! Jetzt wird er sich richtig verarscht vorkommen!“

Der bullige Mann war haltlos zusammengesunken und schnarchte mit offenem Mund. Der wird nie mehr hinter dem Pflug gehn, dachte Holt. Der sät und melkt und erntet nicht mehr. Der kann bloß noch saufen und dreinschlagen. Der lebt gar nicht mehr richtig. Der ist fertig. Eines Tages werden wir alle so fertig sein, besoffen, verkommen, betrogen.


Date: 2015-12-24; view: 1093


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Holt beobachtete es. Er dachte: Was ist das für einer? | Und sterbensmüde dachte er: War doch alles vorbei! 1 page
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