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SALON LOISITSCHEK«. 14 page

Andererseits ging daraus hervor, daß Wassertrum Angelinas Briefe noch nicht in Händen hatte.

Ich grübelte nach – – –

Mit einem Schlag stand alles mit entsetzlicher Deutlichkeit vor mir, als wäre ich selbst dabei gewesen.

Ja; nur so konnte es sein: Wassertrum hatte meine eiserne Kassette, in der er Beweise vermutete, heimlich an sich genommen, als er gerade mit seinen Polizeikomplizen meine Wohnung durchstöberte, – konnte sie nicht sogleich öffnen, da ich den Schlüssel bei mir trug, und war – – – vielleicht gerade jetzt daran, sie in seiner Höhle aufzubrechen.

In wahnsinniger Verzweiflung rüttelte ich an den Gitterstäben, sah Wassertrum im Geiste vor mir, wie er in Angelinas Briefen wühlte –

Wenn ich nur Charousek benachrichtigen könnte, daß er Savioli wenigstens rechtzeitig warnen ging!

Einen Augenblick klammerte ich mich an die Hoffnung, meine Verhaftung müsse bereits wie ein Lauffeuer in der Judenstadt bekannt geworden sein, und ich vertraute auf Charousek wie auf einen rettenden Engel. Gegen seine infernalische Schlauheit kam der Trödler nicht auf; »Ich werde ihn genau in der Stunde an der Gurgel haben, in der er Dr. Savioli an den Hals will«, hatte Charousek schon einmal gesagt.

In der nächsten Minute wieder verwarf ich alles, und eine wilde Angst packte mich: Wie, wenn Charousek zu spät kam?

Dann war Angelina verloren. – – –

Ich biß mir die Lippen blutig und zerkrallte mir die Brust aus Reue, daß ich die Briefe damals nicht sofort verbrannt hatte; – – – ich schwor es mir zu, Wassertrum noch in derselben Stunde aus der Welt zu schaffen, wo ich wieder auf freiem Fuß sein würde.

Ob ich von eigener Hand starb oder am Galgen – was lag mir daran!

Daß der Untersuchungsrichter meinen Worten glauben würde, wenn ich ihm die Geschichte mit der Uhr plausibel machte, ihm von Wassertrums Drohungen erzählte, – keinen Augenblick zweifelte ich daran.

Bestimmt morgen schon mußte ich frei sein; zumindest würde das Gericht auch Wassertrum wegen Mordverdachts verhaften lassen.

Ich zählte die Stunden und betete, daß sie rascher vergehen möchten; starrte hinaus in den schwärzlichen Dunst.

Nach unsäglich langer Zeit fing es endlich an, heller zu werden, und zuerst wie ein dunkler Fleck, dann immer deutlicher, tauchte ein kupfernes, riesiges Gesicht aus dem Nebel: das Zifferblatt einer alten Turmuhr. Doch die Zeiger fehlten; – neuerliche Qual.

Dann schlug es fünf.

Ich hörte, wie die Gefangenen erwachten und gähnend eine Unterhaltung in böhmischer Sprache führten.

Eine Stimme kam mir bekannt vor; ich drehte mich um, stieg von dem Brett herunter und – sah den blatternarbigen Loisa auf der Pritsche, gegenüber der meinigen, sitzen und mich verwundert anstarren.

Die beiden anderen waren Gesellen mit verwegenen Gesichtern und musterten mich geringschätzig.

»Defraudant? Was?«, fragte der eine halblaut seinen Kameraden und stieß ihn mit dem Ellenbogen an.



Der Gefragte brummte irgend etwas verächtlich, kramte in seinem Strohsack, holte ein schwarzes Papier hervor und legte es auf den Boden.

Dann schüttete er aus dem Krug ein wenig Wasser darauf, kniete nieder, bespiegelte sich darin und kämmte sich mit den Fingern das Haar in die Stirn.

Hierauf trocknete er das Papier mit zärtlicher Sorgfalt ab und versteckte es wieder unter der Pritsche.

»Pan Pernath, Pan Pernath«, murmelte Loisa dabei beständig mit aufgerissenen Augen vor sich hin, wie jemand, der ein Gespenst sieht.

»Die Herrschaften kennen einand, wie ich bemerkö«, sagte der Ungekämmte, dem dies auffiel, in dem geschraubten Dialekt eines tschechischen Wieners und machte mir spöttisch eine halbe Verbeugung: »Erlaubens mich vorzustellen: Vóssatka ist mein Name. Der schwarze Vóssatka. – Brandstiftung«, setzte er eine Oktave tiefer stolz hinzu.

Der Frisierte spuckte zwischen den Zähnen durch, blickte mich eine Weile verächtlich an, deutete sich dann auf die Brust und sagte lakonisch:

»Einbruch.«

Ich schwieg.

»No, und zweng wos für einen Verdachtö sin Sie hier, Herr Graf?« fragte der Wiener nach einer Pause.

Ich überlegte einen Moment, dann sagte ich ruhig: »Wegen Raubmord«.

Die beiden fuhren verblüfft auf, der spöttische Ausdruck auf ihren Gesichtern machte einer Miene grenzenloser Hochachtung Platz, und sie riefen fast wie aus einem Munde:

»Räschpäkt, Räschpäkt.«

Als sie sahen, daß ich keine Notiz von ihnen nahm, zogen sie sich in die Ecke zurück und unterhielten sich flüsternd miteinander.

Nur einmal stand der Frisierte auf, kam zu mir, prüfte schweigend die Muskeln meines Oberarms und ging dann kopfschüttelnd zu seinem Freund zurück.

»Sie sind doch auch unter dem Verdacht hier, den Zottmann ermordet zu haben?« fragte ich Loisa unauffällig.

Er nickte. »Ja, schon lang.«

Wieder vergingen einige Stunden.

Ich schloß die Augen und stellte mich schlafend.

»Herr Pernath. Herr Pernath!« hörte ich plötzlich ganz leise Loisas Stimme.

»Ja?« – – – Ich tat, als erwachte ich.

»Herr Pernath?, bitte entschuldigen Sie, – bitte – bitte, wissen Sie nicht, was die Rosina macht? – Ist sie zu Hause?«, stotterte der arme Bursche. Er tat mir unendlich leid, wie er mit seinen entzündeten Augen an meinen Lippen hing und vor Aufregung die Hände verkrampfte.

»Es geht ihr gut. Sie – sie ist jetzt Kellnerin beim – – alten Ungelt«, log ich.

Ich sah, wie er erleichtert aufatmete.

Zwei Sträflinge hatten auf einem Brett Blechtöpfe mit heißem Wurstabsud stumm hereingebracht und drei davon in die Zelle gestellt, dann knallten nach einigen Stunden abermals die Riegel und der Aufseher führte mich zum Untersuchungsrichter.

Mir schlotterten die Knie vor Erwartung, wie wir treppauf, treppab schritten.

»Glauben Sie, ist es möglich, daß ich heute noch freigelassen werde?«, fragte ich den Aufseher beklommen.

Ich sah, wie er mitleidig ein Lächeln unterdrückte. »Hm. Heute noch? Hm – – Gott, – möglich ist ja alles.« –

Mir wurde eiskalt.

Wieder las ich eine Porzellantafel an einer Tür und einen Namen:


Date: 2015-12-18; view: 750


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