Home Random Page


CATEGORIES:

BiologyChemistryConstructionCultureEcologyEconomyElectronicsFinanceGeographyHistoryInformaticsLawMathematicsMechanicsMedicineOtherPedagogyPhilosophyPhysicsPolicyPsychologySociologySportTourism






Phraseologische Polysemie und Homonymie

Die phraseologische Polysemie weist im Vergleich zur Polysemie in der Lexik grundsätzliche Unterschiede auf. Sie unterscheiden sich in erster Linie quantitativ. Die meisten Vollwörter einer Sprache sind bekanntlich mehrdeutig. Die meisten Phraseologismen dagegen sind monosem. Nur wenige Gruppen der Phraseologie können Mehrdeutigkeit entwickeln. In der deutschen Phraseologie ist sie praktisch nur den verbalen Einheiten eigen. Dazu kommt auch eine unterschiedliche semantische Struktur der polysemen Phraseologismen. In der Regel besitzen sie nur zwei, seltener drei Sememe im Unterschied zur lexikalischen Polysemie, wo die Anzahl der Sememe bedeutend größer ist. Die semantische Ableitung, die die Entwicklung der lexikalischen Mehrdeutigkeit bewirkt, ist für diese Polysemie nicht relevant.

Die semantische Ableitbarkeit phraseologischer Fügungen ist eingeschränkt bzw. dadurch verhindert, dass die phraseologische Bedeutung selbst Resultat einer Metaphorisierung ist. Eine weitere Ableitbarkeit ist nur dann möglich, wenn im Prozess primärer Metaphorisierung die Abstrahierung nicht den höchsten Grad erreicht hat. Erst in diesem Fall ist dann eine sekundäre Metaphorisierung möglich. Eine solche Entwicklung der semantischen Struktur phraseologischer Fügungen kann man am folgenden Beispiel verfolgen:

Die phraseologische Fügung jmdn. über die Klinge springen lassen hat zwei Sememe:

1. jmdn. töten

2. jmdn. wirtschaftlich, beruflich vernichten

Das erste Semem stammt aus der alten Kriegssprache. Um 1700 wurde der ursprüngliche Sinn der Redensart schon nicht mehr allgemein verstanden. Der semantischen Transformation bzw. Metaphorisierung liegt demnach das Bild eines mit der Klinge abgehauenen Kopfes, der eben über die Klinge springt, zugrunde. Diese innere Form oder bildliche Motiviertheit dieser phraseologischen Fügung wird im 17. Jh. vergessen. Geblieben ist der allgemeine Sinn «töten». Diese Bedeutung lässt eine weitere sekundäre Metaphorisierung zu, indem die referentielle Bezogenheit verändert wird: statt der körperlichen eine wirtschaftliche oder berufliche Vernichtung.

Da aber die Phraseologismen bereits durch die primäre Metaphorisierung über eine übertragene, abstrahierte Bedeutung verfügen, ist die weitere Derivation meistens blockiert.

Es gibt im phraseologischen System eine andere Entwicklungsweise: Neue Bedeutungen oder neue homonymische Phraseologismen entstehen dabei durch parallele Metaphorisierung ein und derselben Syntagmas. So z. B. die Tapeten wechseln (ugs.) bedeutet:

1. umziehen

2. sich am Arbeitsplatz, im Beruf verändern.

Die angegebenen Sememe sind assoziativ zusammenhängend, aber sie sind nicht voneinander abgeleitet, denn jedes davon weist dieselbe Abstraktionsebene auf.

Die parallele Metaphorisierung kann Sememe entstehen lassen, die semantisch nicht zusammenhängend sind, d.h. eine unterschiedliche referentielle Bezogenheit haben. So im Phraseologismus jmdm. schwillt der Kamm (ugs):



1. jmd. wird überheblich, bildet sich etwas ein

2. jmd. Gerät in Zorn, wird wütend.

In diesem Fall sind die Sememe 1 und 2 Homonyme. Die parallele Metaphorisierung ist ein spezifischer Entwicklungsweg der phraseologischen Homonymie.

 


Date: 2015-12-17; view: 1894


<== previous page | next page ==>
Sprichwörtliche Satzredensarten | Modellierte Bildungen
doclecture.net - lectures - 2014-2024 year. Copyright infringement or personal data (0.007 sec.)