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Die Realisierung der Wortbildungsmodelle

 

Innersprachliche Gesetzmäßigkeiten bei der Realisierung der Wortbildungsmodelle

Der Begriff der Valenz

Die innere Valenz des Wortes

Der Ausdruck «Valenz» hat zwei Grundbedeutungen. Die 1. Bedeutung ist als Synonym der Zusammenfügung der Sprachelemente zu betrachten: Das ist die Valenz im weiten Sinne des Wortes. Die 2.Bedeutung (die Valenz im engeren Sinne des Wortes) ist die Fähigkeit des Wortes, eine grammatisch richtige Wortfügung zu gestalten. So besitzen solche Lexeme wie «machen», «ähnlich», «Mitglied» eine obligatorische Valenz, denn sie verlangen einen obligatorischen Mitspieler: (eine Arbeit) machen, (dem Vater) ähnlich, das Mitglied (der Familie).

In diesem Abschnitt wird der Ausdruck «Valenz» im 1. Sinne des Wortes gebraucht. Die Valenz kann als «äußere (d.h. als Gesetzmäßigkeit der Verbindung der Wörter im Satz) und als «innere Valenz» betrachtet werden.

Die «innere Valenz» des Wortes ist als Gesamtheit von Gesetzmäßigkeiten der Zusammenfügung von Wortsegmenten zu definieren. Dabei handelt es sich nicht um lexikalische Morpheme, sondern um «unmittelbare» bzw. maximale Konstituenten des lexikalischen Wortstammes, die nur in den einfachsten Fällen mit Morphemen zusammenfallen. Die Füllung der Modelle mit primären Stämmen, die sich innerhalb des gesamten (sekundären) Stammes der fertigen Ganzheit aussondern lassen (vgl.: Arbeiterschaft – sekundärer Stamm; arbeiter – primärer Stamm, gleichzeitig sekundärer Stamm in bezug auf den Stamm arbeit, der sich als Wurzelmorphem nicht weiter zerlegen lässt), ist durchaus nicht unbegrenzt. Sie richtet sich nach den Gesetzmäßigkeiten der «inneren Valenz», die sich als formale und als semantische Voraussetzungen betrachten lassen. Dabei muss betont werden, dass sich diese Voraussetzungen sowohl auf produktive und aktive als auch auf unproduktive Modelle beziehen. Aber von besonderer Wichtigkeit sind sie bei der Realisierung der produktiven und aktiven Modelle, d.h. bei der Bildung neuer Wörter.

Die formalen Gesetzmäßigkeiten der Füllung der Wortbildungsmodelle lassen sich in phonematische, strukturelle, morphologische und genetische einteilen. Die phonematischen Gesetzmäßigkeiten sind noch sehr wenig untersucht. In der Fachliteratur gibt es einzelne Hinweise auf die Besonderheiten der Verbindung

einiger Suffixe mit den UK im Zusammenhang mit deren Auslaut: der Verkleinerungssuffixe -chen und -lein, -heit und -keit u.a.

Auch der Gebrauch der Bindeelemente im Bestand der Komposita unterliegt keinen bestimmten Regeln. Es scheint, hier spiele die phonematische Struktur der Komposita als Ganzheit eine bestimmte Rolle.

Die strukturelle innere Valenz hängt davon ab, welche Wortbildungsstruktur die primären Stämme haben. Selbstverständlich handelt es sich hier nur um bestimmte Tendenzen, denn die Analyse der Ableitungen und Zusammensetzungen zeigt, dass ihre UK verschiedene Struktur haben können. Dennoch darf man vermuten: je einfacher die Struktur des Wortstammes ist, desto eher kann er an der Ableitung und Zusammensetzung beteiligt sein. Was die determinativen Komposita betrifft, so hängt ihre Wortbildungsstruktur von dem funktionalen Stil ab: In der schönen Literatur und in der Umgangssprache haben die Komposita meist eine einfachere Struktur, während in der wissenschaftlichen, besonders in der technischen Prosa, Mehrwurzelwörter üblich sind.



Die morphologische innere Valenz (d.h. die Einfügung primärer Stämme) entsprechend den verschiedenen Wortarten lässt sich leicht auf Grund der üblichen, uns bekannten Gesetzmäßigkeiten feststellen.

Für die determinativen Zusammensetzungen gilt eine allgemeine Regel. Die zweite UK bestimmt die Wortart, zu der das Kompositum gehört; in der Funktion der ersten UK können die Stämme (Wortformen) verschiedener Wortarten gebraucht werden.

Die kopulativen (additiven) Komposita sind durch Substantive, Adjektive und Numeralien vertreten. Dabei gehören ihre UK zu den den Ganzheiten entsprechenden Wortarten: Dichterkomponist, taubstumm, zweiunddreißig: Für die übrigen nicht determinativen Komposita gelten keine bestimmten Regeln, denn es handelt sich um Zusammenrückungen von im Satz nebeneinander stehenden Wörtern verschiedener morphologischer Art. Eine Ausnahme bilden die Imperativnamen; sie enthalten in der Regel eine verbale Wortform, die die übrigen Elemente regiert: das Rühr-mich-nicht-an, das Vergißmeinnicht u.a.

Die Präfixe lassen sich deutlich in nominale und verbale teilen. Die nominalen Präfixe verbinden sich mit nominalen Stämmen: Unglück, Erzdieb, Urwald, Antifaschist, unschön, hypermodern, superkorrekt u.a.m. Die verbalen Präfixe (außer miss- und ge-) stehen bei Verben sowohl vor verbalen als auch vor nominalen Stämmen: beherrschen – behaupten; verlaufen – vergolden; zerreißen – zerstücken. Zwei Präfixe bilden sowohl Nomina auch Verben: miss- und ge-. Dabei hat miß- in allen Fällen ein und dieselbe Bedeutung: Missernte – misstreu – misshandeln. Anders steht es mit ge-, das den Substantiven eine prozessuale und kollektive Bdeutung verleiht: Geheul, Gehölz, bei den Verben und Adjektiven demotiviert ist – gehören, geziemen, gestreng, getreu u.a. Es handelt sich um zwei homonyme Morpheme. Unter den fremden Präfixen gibt es solche, die in verschiedenen Wortarten erscheinen: a-, anti-, extra- u.a. in Substantiven und Adjektiven, ko-, re- bei Substantiven und Verben etc.

Die Suffixe, die jede Wortart kennzeichnen, sind im Vergleich zu den Präfixen vom Standpunkt ihrer morphologischen Valenz aus weniger spezialisiert: das heißt, dass sie in den meisten Fällen an verschiedene morphologische Stämme trefen, unabhängig davon, welche Wortart sie bilden. Man vgl.: Lehrer, Engländ -er, Zwanzig -er; bärt -ig, belieb -ig, heut -ig, hüst -eln, äug -eln, klüg -eln, nacht -s, jenseits -s, bereit -s, eilend -s u.a.m. Es gibt auch Suffixe mit beschränkter morphologischer Valenz: -aner (-ianer), -enser verbinden sich nur mit substantivischen Stämmen (den geographischen und Personennamen), -en (-ern) ebenfalls mit substantivischen Stämmen (den Stoffnamen), die meistens konsonanntischen verbalen Suffixe erscheinen in schallnachahmenden Verben u.a.m. Die fremden Suffixe werden meist neben Pseudowurzeln und Restelementen gebraucht, vgl.: Ingenieuer, Republik, Moment, eventeuell, elektrifizieren u.a.m.

Vom Standpunkt der Genesis aus gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen der Zusammensetzung und der Ableitung. Die determinativen nominalen Komposita enthalten oft UK verschiedener Herkunft: Autozubehör, Ballasteisen, Bromwasser, Kühlapparat, Saugbagger, Saugventil, rosafarben u.a.

Was die Ableitungen anbetrifft, so gibt es eine deutlich ausgeprägte Tendenz: die deutschen Affixe verbinden sich mit deutschen primären Stämmen, die fremden Affixe mit fremden Stämmen (oder mit fremden Pseudowurzeln und Restelementen). Ausnahmen sind verhältnismaßig selten, z.B. hausieren, stolzieren; Benehmität, Expropiierung, Antikörper u.a.

Das am schwersten zu lösende Problem der inneren Valenz ist ihr semantischer Aspekt, d.h. die Gesetzmäßigkeiten der semantischen Kongruenz, die die Zusammenfügung der UK innerhalb des Wortstammes bedingen. Diese Gesetzmäßigkeiten sind mit mehreren Faktoren verbunden, nicht nur linguistischer, sondern auch außerlinguistischer und situationsbestimmter Natur. Dabei sind zu unterscheiden: die innere Valenz der Komposita und die innere Valenz der Ableitungen.

Die innere semantische Valenz der Komposita kann teilweise mit der äußeren Valenz der Wörter verglichen werden (denn auch hier handelt es sich um die Wortbedeutung), teilweise weist sie aber spezifische Züge auf: sie hängt von den semantischen Besonderheiten der Komposita ab. Ihre semantische Valenz wird mit der Einteilung in vier Gruppen verbunden.

Die Komposita der 1.Gruppe weisen keine innere Valenz auf, denn sie sind vollständig idiomatisiert. Zur 2. Gruppe gehören Komposita, die durch metaphorische Übertragung gekennzeichnet werden: ihre innere Valenz richtet sich nach dem Bild, das ihnen zugrunde liegt, man vgl.: Wassermantel – «Mantel für Wasser», Seehund – «Hund in der See», Langfinger – «jmd. mit langen Fingern» u.a.m.

Die Valenz der Komposita der 3. Gruppe fällt mit der Valenz der ihnen entsprechenden freien Wortfügungen zusammen, z.B. Briefmarkenverkauf «Verkauf von Briefmarken», kissenbelegt – «mit Kissen belegt» u.a.

Die meisten Komposita der 4.Gruppe gehören zum allgemeinen Wortschatz: nach gleichen Modellen, oft mit gleichen (ersten oder zweiten) UK können aber auch

neue Ganzheiten gebildet werden, die für unser Sprachgefühl leicht verständlich sind. Die zweite UK vertritt hier eine weite semantische Kategorie, zu der das Ganze als Bestandteil gehört, man vgl.: -baum und Birnbaum, -stunde und Morgenstunde, -ring und Goldring, -blau und hellblau, -liebend und friedliebend, -kommen und zurückkommen u.a.m. So haben die zweiten Komponenten feldmäßigen Charakte,r was noch dadurch verstärkt wird, dass viele von ihnen nicht in Einzelbildungen, sondern auch in ganzen Wortreihen erscheinen.

Auch die erste UK kann als Ausdruck eines kategorialen Merkmals, als eigenartiges «Feld» verstanden werden.

Die semantische Kongruenz der UK kommt in solchen Zusammensetzungen darin zur Geltung, dass die 1. UK im allgemeinen zum «Feld» der 2. UK gehört (Bäume und Obst, Schule und Studierende; verschiedene Schattierungen ein und derselben Farbe; Metall und Gegenstand aus diesem Metall u.a.m.).

Die Gesetzmäßigkeiten der inneren semantischen Valenz der affixalen Wörter haben einige allgemeine Züge, die sie von der inneren Valenz der Komposita unterscheiden, u.z. in dem Sinn, dass sie strenger umrissen sind und bedeutend deutlicher erscheinen. Das geschieht aus folgenden Gründen:

1. die lexikalischen Affixe bilden zum Unterschied von den Komponenten der Komposita ein «geschlossenes» System von Morphemen, die sich sowohl aufzählen als auch registrieren, d.h. auch beschreiben lassen;

2. das Bedeutungsgefüge eines jeden Affixes umfasst einen engeren Kreis von Bedeutungen (außer den wenigen Fällen, wo die Affixe keine spezifische Semantik besitzen und nur als Merkmal der betreffenden Wörter dienen, wie z.B. -ig bei mehreren Adjektiven, ge- bei den Verben);

3. die innere Valenz ist oft mit ihrer morphologischen Valenz verbunden, d.h., dass die Vieldeutigkeit der Affixe teilweise durch die morphologische Art des primären Stammes neutralisiert wird.

Selbstverständlich lässt sich die innere Valenz der Ableitungen wie auch der Zusammensetzungen bei weitem nicht immer leicht erschließen. Es gibt Wörter mit deutlich auszusondernden Affixen und verdunkelten Motivation wie höflich, hässlich, bekommen, gehören usw., die keine innere semantische Valenz aufweisen; das gleiche gilt für Wörter mit Restelement und Pseudowurzeln.

Es wurde schon konstantiert, dass die Halbaffixe meist ein- oder zweideutig sind. Was ihre innere Valenz betrifft (sowohl die formelle als auch die semantische), weist sie ebennfalls wesenhafte Merkmale auf: Sie unterliegt im Vergleich zu den Zusammensetzungen konsequenteren Gesetzmäßigkeiten, ist auch im Vergleich zu den Ableitungen stärker beschränkt (man vgl.: die Valenz des Halbsuffixes -mann, das sich meist mit substantivischen Stämmen verbindet, die einen Beruf eine Tätigkeit bezeichnen und die mannigfaltige Valenz des Suffixes -er; der adjektivischen Halbsuffixe -voll, -reich, -arm, die nach substantivischen Stämmen mit beschränkter Semantik stehen, und die Valenz der adjektivischen Suffixe -ig, -lich u.a.). Eine Ausnahme bilden die verbalen Halbpräfixe, die in ihrer Valenz den

Präfixen nahestehen, obgleich schon hier eine bestimmte Beschränkung vorhanden ist.

Die Besonderheiten der innerren Valenz dieser Bildungen dienen vielleicht als einer der Beweise dafür, dass sie nicht ohne weiteres zu den gewöhnlichen Zusammensetzungen und zu den Ableitungen gezählt werden können.

Die Wirkung der außersprachlichen Faktoren

bei der Realisierung der Wortbildungsmodelle.

Von besonderer Bedeutung ist die Realisierung der einzelnen Wortbildungsmodelle im Zusammenhang mit den funktionalen Stilen.

Hier werden nur ganz allgemeine Fragen der stilistischen Aspekte der Wortbildung genannt:

1. Die stilistische Färbung der Wortbildungsmodelle und ihrer Varianten sowie der Gebrauch dieser Modelle in verschiedenen funktionalen Stilen.

2. Beziehungen zwischen der stilistisch-kommunikativen Funktion des Modells und dem Kontext, in dem das Wort gebraucht wird.

Im ersten Fall handelt es sich um bestimmte stilistische, dem Wortbildungssystem der deutschen Sprache eigenen Normen. Im zweiten Fall hängt die stilistische Rolle des Modells nicht nur von seiner Füllung ab, sondern auch von dem engeren oder weiteren Kontext, in dem das Wort gebraucht wird.

 

WBK als Neologismen und Okkasionalismen

 

Die Entstehung neuer Wörter in der Sprache ist ein unaufhörlicher Prozess. Die Wortbildung spielt dabei innerhalb der übrigen Wege der Wortschatzerweiterung die führende Rolle. Es muss aber in Betracht gezogen werden, dass nicht jede in einem Text auftrende «neue» WBK als «Neologismus» anzusehen ist.

Am leichtesten lassen sich die Neologismen aussondern, die ganz neue Gegenstände und Erscheinungen bezeichnen wie z.B. das Wort «Container» als Benennung eines «transportablen Großbehälters», das in einem ganzen Wortnest als Komponente mit hoher Frequenz gebraucht wird: Containernetz, -system, -schiff, -verkehr u.a.m.

Die Neologismen werden nach produktiven Wortbildungsmodellen und (vom Standpunkt der inneren Valenz) mit der gesetzmäßigen Füllung gebildet, obgleich es sich auch um übertragene Bedeutung handeln kann (z.B. in «Heimsonne»).

Von den Neologismen sind die «Okkasionalismen» zu unterscheiden (man nennt sie auch «Einmalbildungen», «Augenblicksbildungen»). Sie werden nicht als fertige Bildungen dem Wortschatz entnommen, sondern im Text «produziert». In den meisten Fällen erscheinen sie bei ein und demselben Autor, manchmal in ein und demselben Text. Dabei sind folgende Unterarten der Okkasionalismen zu unterscheiden:

 

1. Okkasionalismen sind nach den vorhandenen Modellen und ohne Verletzung ihrer gesetmäßigen Füllung gebildet, d.h., dass sie systemgeprägt sind. Z.B. «... mit blauen Plüschaugen» (L.Frank. Links, wo das Herz ist). Solche Okkasionalismen lassen sich sogar außrhalb des Textes leicht verstehen, auch wenn eine Bedeutungsübertragung (z.B. «Sprechfeuerwerk») vorhanden ist.

2. Weniger produktiv sind Okkasionalismen, die durch Verletzung der morphologischen oder (öfter) semantischen Gesetzmäßigkeit der inneren Valenz gekennzeichnet werden, z. B. (die) mondeinsame Halle, lilagehungerte Kinder (W. Borchert), die Haben-haben-haben-Wirtschaftsordnung (L. Frank). Diese Okkasionalismen sind an den Text gebunden und lassen sich nicht immer ohne Kontextumgebung verstehen.

Zu den Verletzungen der morphologischen Regeln der Füllung der Modelle gehört die Bildung der «Zwillingsverben», die aus zwei verbalen Stämmen bestehen. Sie finden sich als stilistisch expressive Bildungen in der Dichtung und in gewissem Ausmaß auch in der Fachsprache der Technik: rollrasseln, lebdonnern, schwatzlachen u.a.

Die Okkasionalismen verursachen einen mehr oder weniger greifbaren stilistischen Effekt, besonders die Okkasionalismen mit Verletzung der allgemeinen Regeln der Wortbildung.

 


Date: 2015-12-17; view: 1511


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