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er|sprieß|lich

DUW: <Adj.> [zu veraltet ersprießenÿ= von Nutzen sein] (geh.): nutzbringend, fruchtbar: eine -e

Zusammenarbeit.

(29) Meine Frau und ich waren einmal in

sein Haus nach Wewelsfleth eingeladen.

Er kochte besser als all unsere Fernsehköche

von Clemens Wilmenrod bis Alfred

Biolek. Er gab uns fünf Radierungen mit

auf den Heimweg, nach zwei Tagen tauchte

eine Rechnung über 15000 Mark auf.

Wir schickten zwei davon zurück, bezahlten

aber für die drei anderen die gebührenden

9000 Mark. Ersprießlichwar

das nicht.

WDG: ersprießlich: /Adj/ geh.gedeihlich, fruchtbar: etw. ist für jmdn. e.; eine e.

Unterhaltung; e. Gedanken haben; sich zu einer e.

Zusammenarbeit, Tätigkeit zusammentun; das ist ja wenig e.!

Fach|sim|peln

DUW: <sw.ÿV.; hat> [aus Fach (4 a) u. veraltet simpelnÿ= einfältig werden] (ugs.): sich ausgiebig über rein

fachliche, rein berufliche Angelegenheiten unterhalten.

(30) Die beiden Mächtigsten im Staat sind

derzeit beide ungewöhnlich populär, aber

auf unterschiedliche Weise. Den ungestümen

Chirac, der mit stämmigen Auvergne-Bauern

über Viehzucht fachsimpelnkann

oder bei Ordensverleihungen eigenhändig

alte Damen und deren Enkel fürs Erinnerungsfoto

in Positur bringt, finden bis zu 74

Prozent der Bürger sympathisch.

(31) Jeden Montag, morgens um elf, treffen

sich die Vorstände der Volkswagen

AG zu ihrer routinemäßigen

Sitzung. Seit kurzem geht der Lagebesprechung

ein immer gleiches Ritual voraus:

Die Topmanager fachsimpelnüber die

Leistungen, die die Fußballprofis des VfL

Wolfsburg am Wochenende vollbracht

haben.

(32) Auch die von Heydrich erwähnten Gaswagen

wurden verbessert – in einer Expertise

vom 5. Juni 1942 fachsimpelteder

zuständige SS-Offizier über die technischen

Probleme, Begriffe wie „Beschickung“

und „Stückzahl“ umschreiben

Juden: „Die Beschickung der Wagen beträgt

normalerweise 9 – 10 pro m 2 . Bei

großräumigen Saurer-Spezialwagen ist

eine Ausnutzung in dieser Form nicht möglich,

weil dadurch zwar keine Überlastung

eintritt, jedoch die Geländegängigkeit

sehr herabgemindert wird.

(33) Auch beim Fachsimpelnüber die allwöchentlichen

Berichte des „Kicker“ und

der „Fußball-Woche“ vergessen die beiden

eine Zeitlang den Terror um sie herum. Peter

Fröhlich wird zum Fan von Arsenal London,

der damals schon berühmten Mannschaft

aus dem Mutterland des Fußballs.

(34) Dragan & Alder gammeln meistens auf

Parkplätzen herum und fachsimpelnüber

Autos: „Hey, Dragan, hab isch Cabrio gemacht

mit Flex.“ Richie verbringt seine

Zeit am liebsten in Spielhöllen. Erkan und

Stefan hängen im Eiscafé ab und ordern



„Döner-Eis mit ohne Sahne und vier Kugel

Schtratella“, erzählen,

wie man einen „krassen

Shanghai-Döner“ (Fladenbrot

mit Fleisch und Sojasoße)

macht, und rätseln

darüber, wo die „Dönertiere“

leben, die angeblich den

Rohstoff für ihre Leibspeise,

den Döner Kebab, liefern.

(35) Abends um 20 Uhr parkt er seinen

klapprigen Renault 4 neben der Piste des

Flugplatzes Bienenfarm, rund 60 Kilometer

von Berlin. Auf dem Privatflugplatz im Havelland,

umgeben von riesigen Rapsfeldern,

ist Bodo S. als begeisterter Pilot bekannt,

der häufig Maschinen chartert, gern

mit anderen Fliegern fachsimpelt.

(36) Der Verfasser des neuen

Stalingrad-Buches kreidet allerdings

Paulus einen anderen

Fehler an: Er sei ohne Phantasie

gewesen, was seine rückwärtigen

Stellungen anbelangt.

Hier kann man nur fachsimpeln.

Aber ein anderes,

auch von der Nazipropaganda

häufig vorgebrachtes Argument

ist nicht ganz falsch: Die

6. Armee habe Kräfte des

Feindes gebunden, der sonst

an einem größeren Frontabschnitt

hätte angreifen

können.

WDG: fachsimpeln: Nicht angeführt.

Ha|ge|stolz

DUW: der; -es, -e [mhd. hagestolz, volksetym. umgedeutet aus älterem hagestalt < ahd. haga-, hagustalt;

2.ÿBestandteil zu einem germ. Verb mit der Bed. »besitzen«, also eigtl. = Hagbesitzer, Besitzer eines

(umfriedeten) Nebengutes, dessen Kleinheit einen Hausstand nicht erlaubte] (veraltet): älterer, eingefleischter,

etwas kauziger Junggeselle.

(37) Den Frauenmangel auf den Äußeren Hebriden will die Europäische

Union mit finanzieller Hilfe beseitigen: Das wettergehärtete Archipel

vor der Westküste Schottlands, wegen großen Männerüberschusses als

„bachelor country“, als Reich der Hagestolze, verschrien, soll künftig für

weibliche Bewohner attraktiver werden. Mit rund zwei Millionen Mark

aus dem Brüsseler Fonds für die „Überlebensfähigkeit von Kommunen in

Randgebieten“ sind vor

allem passende Arbeitsplätze

für Frauen vorgesehen.

WDG: Hagestolz: der; -es, -e spött.älterer etwas wunderlich gewordener

Junggeselle: da er ich nie zur Heirat entschließen konnte, war aus

ihm schließlich ein H. geworden; er war der Typ des Hagestolzes

Hoch|not|pein|lich

DUW: <Adj.> [Verstärkung von veraltet hochpeinlich = unter Anwendung verschärfter Foltermethoden]

(altertümelnd scherzh.): sehr streng: eine -e Untersuchung.

(38) Weihnachtliche Stimmung

Nr. 49/1999, Affären: Dieter Baumann –

Dopingsünder oder Komplottopfer?

Obwohl ein Dopingfall im Normalfall

sehr einfach dargestellt wird, werden im

Ausnahmefall Dieter Baumann alle möglichen

vorhandenen oder auch nicht vorhandenen

Register gezogen. Und nun

wird dieser als Sonderfall dargestellte

und bereits als Kriminalfall deklarierte

Fall Baumann als hochnotpeinlicheingestuft

und zerredet. Die Dinge nehmen

auch in diesem Fall ihren Lauf und werden

mit hoher Wahrscheinlichkeit in

Kürze durch eine noch bessere und hoffentlich

etwas glaubhaftere, wenn schon

nicht humorvollere Doping-Geschichte ersetzt.

Und, Familie Baumann, man muss

das Unmögliche so lange anschauen, bis

es eine leichte Angelegenheit wird. Das

Wunder ist eine Frage des Trainings, so

oder so.

Pirna (Sachsen) Heinz Gliniorz

Briefe

(39) Der Gastgeber, notierten

die Offiziere, habe „fanatisch und

mit voller Hingabe“ einen Text von

Wolf Biermann rezitiert. Anschließend

habe dieselbe Person „heftig mit der

Lengsfeld“ diskutiert, „da diese von ihrer

Absicht berichtete, Marxismus-Leninismus

zu studieren“.

Ein anderer Party-

Gast, so erfuhren die Stasi-Leute von

Lengsfeld und ihrer Freundin, habe erklärt:

„In der DDR ist alles Scheiße.“

Lengsfeld erinnert sich an die „hochnotpeinliche

Befragung“.

(40) Auch für einen anderen Stasi-Altfall ist das Papier aus dem

Schnipsel-Sack hochnotpeinlich: Die Liste der „Inoffiziellen

Mitarbeiter mit Feindverbindung“ wird darin angeführt von

„IMB Sekretär“. Unter diesem Decknamen führte die Stasi

Manfred Stolpe – seine Kategorie: „IM zur Beeinflussung bzw.

Zersetzung“. Stolpe dagegen will „nur im Kircheninteresse gewirkt“

haben.

(41) Am Mittwoch dieser Woche wird nun

Premiere sein. Dann singen und spielen die

Kinder nicht mehr im muffigen Theatersaal

des Kulturhauses Spandau, sondern in Berlin-

Mitte, im nobel restaurierten Konzerthaus

am Gendarmenmarkt, das in der

Hauptstadt als erste Adresse gilt, eine 25

Meter breite Bühne hat und bis zu 1700

Zuhörer faßt. Dann ist das alles kein Kinderspiel

mehr, sondern ein

Politikum, sogar mit makabrem

Hintergrund und

– aktuell – mit hochnotpeinlicher

Begleitmusik.

(42) Dass es sich bei

ihr obendrein um eine

Deutsche handelt, und

zwar vom Jahrgang 1935,

führt in den USA zu diskreten,

Hochnotpeinlichen

Nachfragen in einer bestimmten

Richtung.

(43) Aus all diesem Unglück

könnte am Ende freilich immer

noch so etwas wie Literatur entstehen.

Aber dazu wären

Schriftsteller nötig, nicht parfümierte

Popschnösel, die sich der

Vergreisung nähern, bevor sie

überhaupt jemals jung waren.

Unfreiwillig erinnerte dieses

hochnotpeinlicheQuintett an

verschworene Tischgemeinschaften

in Altersheimen, deren

Gespräche sich schon am frühen

Morgen um die Frage drehen,

wie die Verdauung war und was

es am Abend zu essen geben

wird – gefüllte Paprikaschoten,

kalte Frikadellen oder Sülze in

Aspik.

WDG: hochnotpeinlich: /Adj./ 1. /meist attr./ scherzh. sehr streng: jmdm. H. Fragen

stellen; die Eltern stellten mit dem Jungen ein h. Verhör an 2.

hist.ein h. Gericht (mittelalterliches Gericht, das die

Todesstrafe aussprechen konnte)

Kärr|ner

DUW: der; -s, - [zu 1Karre] (veraltet): Arbeiter, der harte körperliche Arbeit verrichten muss.

(44) Doch zugleich werfen ihm Kritiker vor,

er vermenge die erlittenen Kränkungen mit

seinen inhaltlichen Offerten. Den nimmermüden

Kärrner,der sich rühmt, seit 1982

„mehr ins Gesetzblatt gebracht zu haben

als die Hälfte der Minister des Kabinetts

Helmut Kohl“, treiben erkennbar auch andere

Gelüste.

(45) Schröders niedersächsische Stammgruppe

zählte, als sie sich anschickte, den

Bonner Apparat zu übernehmen, auf

Steinmeier, der sich wie Friedrich Bohl zu

Zeiten Kohls auch in Bonn als unprätentiöser

Kärrnererwies. Hombach dagegen

zog von Anfang an die öffentliche Pose

dem lästigen Detailkram vor.

(46) Herbert Wehner

*1906 †1990

Er war der Vulkan im Bonner Parlament,

bei Freund und Feind gefürchtet.

Er sah sich als Kärrnerseiner SPD, der

oft genug den Karren aus dem Dreck

ziehen oder polarisieren mußte; deshalb

konnte er zu höchsten staatlichen

Aufgaben nicht gelangen. Sein Job war

Strategie und Taktik der SPD, die Umformung

der sozialistischen zur modernen

Volkspartei, die er in der Großen

Koalition 1966 zur Regierungsfähigkeit

führte.

WDG: Kärrner: der; - s, - veraltendFuhrknecht, Tagelöhner: O, leben, draußen, als

ein Taglöhner, ein Kärrner B. FRANK Trenck 259

Kon|ter|ban|de

die; - [frz. contrebandeÿ= Schmuggelware < ital. contrabbando, zusgez. aus: contra bandoÿ= gegen die

Verordnung]: 1.(Völkerrecht) für eine Krieg führende Macht bestimmte kriegswichtige Güter, die

verbotenerweise von neutralen Schiffen mitgeführt werden. 2.(veraltend) Schmuggelware.

(47) Die sogenannte

Task Force Border (Einsatzgruppe Grenze) der

Oldenburger Fallschirmjägerbrigade 31 soll im

karstigen Gebirge an der Grenze zu Albanien

„illegale Grenzübertritte verhindern“ und

dazu die auf keiner Landkarte verzeichneten

Trampelpfade auskundschaften, auf denen

Schmuggler und UÇK-Kämpfer heimlich Konterbande

und womöglich weiterhin Waffen und

Munition ins Land schleusen.

(48) Der stellvertretende Bürgermeister von

Shenyang soll mehr als sieben Millionen

Mark in den Kasinos von Macau verspielt

haben, während er offiziell in der Zentralen

Parteischule paukte. Der Chef der Anti-Schmuggel-

Sondereinheit, Li Jizhou, den

Freunde „Sherlock Holmes“ nennen, hat

angeblich Lizenzen für 70 000 geschmuggelte

Autos ausgestellt. Die Konterbande

gelangte auch auf Schiffen der Volksmarine

ins Land.

(49) Die nächtliche Übergabe kulinarischer

Konterbandean der ersten Raststätte südlich

von Heilbronn – die Polizei hatte das

seltsame Treiben schon länger beobachtet

und sich auf die Lauer gelegt fand allwöchentlich

statt: Die Frischwaren, am

Morgen desselben Tages in den Pariser

Markthallen eingekauft, waren bestimmt

für zwei Spitzenköche in Deutschland,

Lothar Eiermann in Friedrichsruhe und

Eckart Witzigmann in München; um Zeit

zu sparen, wurde gleich an der Autobahn

umgeladen. Nur so, mit einem selbstorganisierten

privaten Lieferdienst, ließen sich

die hochwertigen Küchenprodukte damals

herbeischaffen

WDG: Konterbande: die; -, /ohne Pl./ <franz.> zollgesetzwidrig aus- oder eingeführte

Ware, Schmuggelware, Bannware: Ihr Toren, die ihr im Koffer

sucht! / Hier werdet ihr nichts entdecken! / Die Konterbande,

die mit mir reist, / Die hab’ ich im Kopfe stecken HEINE 2,433

(Wintermärchen); /übertr./ verbotene Fracht, Ware: Jeder Brief

war Konterbande, ingeniös und aufregend aus dem Lager

geschmuggelt A. NEUMANN Es waren iher sechs 297

Kurz|weil

DUW: die; - [mhd. kurz(e)wile, auchÿ= kurze Zeit] (veraltend): lustiger, angenehmer Zeitvertreib: [allerlei] K.

treiben; etw. nur zur/aus K. machen.

(50) Der Mann

hat sich wie immer den Plot ausgedacht,

alles übrige solide recherchiert ein

Handwerker der Literatur. De Winters

Art zu schreiben hebt sich wohltuend

von den komatösen Zustandsbetrachtungen

und Einblicken in das Innere leerer

Räume ab, mit denen uns andere Dichter

strapazieren. Auch ein langer de Winter

ist kurzweilig,sogar nach 400 Seiten

möchte man gerne wissen, wie die Geschichte

weitergeht, sie ist zwar zu Ende

erzählt, aber nicht beendet. Was wird aus

Sokolow, der in seinem Universum herumgestoßen

wird? Ist Lesjawa wirklich

tot? Oder hat er seinen Abgang nur inszeniert,

um Sokolow reinzulegen?

(51) Die Zuschauer glucksen begeistert.

Selten dürfte eine Sitzung des „Arbeitskreises

Information, Technik

und Gesellschaft“ des CDU-Wirtschaftsrats,

Landesverband Hessen, so kurzweilig

verlaufen sein: Fische schnappen den Politikern

nach der Nase, Haie paddeln gelangweilt

vorüber, Rochen segeln majestätisch

durch den Raum, schillerndes Licht

spielt durch die Unterwasserwelt.

(52) Landläufige Oper, wie

auch anders, geht hier nicht:

kein Plot mit rotem Faden,

kein dramatisches Crescendo,

weder Konflikt noch Kollaps

und schon gar kein Happy-

End. Gemessen an all

dem, was die Vertonung der

thesenreichen Textvorlage

erschwert, erweist sich das

multimediale Projekt gleichwohl

als durchaus taugliches,

zeitgemäßes und zeittypisches

Stück Musiktheater:

Es nimmt sich wichtig,

erhebt den Zeigefinger und

schafft mit Vorwitz und Firlefanz dennoch

eine kurzweiligeRevue über Geschmack

und Geschmacklosigkeit moderner Werbeästhetik

– hörens-, sehens- und diskussionswert.

WDG: Kurzweil: die; -, /ohne Pl./ veraltendZeitvertreib, angenehme Unterhaltung,

Scherz: (viel, allerei, mancherlei) K. treiben, haben; dieses Spiel

hatte er zur K. erdacht; Alle Götter und Göttinnen... rief er ins

Leben zurück und bevölkerte damit sich zur Kurzweil die

Landschaft G. KELLER 6,390 (Liebesbriefe)

Nach|ma|lig

DUW: <Adj.> (veraltend): später (I b): der -e Präsident.

(53) Willy Millowitsch, 90. Das gleichnamige

Volkstheater existiert seit 1895 in Köln, und

sein nachmaligerBesitzer herrschte hier

als Prinzipal fast sechs Jahrzehnte lang.

(54) Nicht wenige wünschen sich,

dass Brandt bei der Bundestagswahl

1990 noch einmal als

Kanzlerkandidat antreten könnte.

„Wär der Willy doch nur“, sagt

einer wehmütig, „zehn Jahre jünger

– das wär’s.“

Unter dem Dach des Internationalen

Congress Centrums klat-schen

ergriffen auch junge Sozialdemokraten

aus der DDR:

„Ja“, versichert in ihrem Namen

Pfarrer Markus Meckel, SDP-Mitbegründer

und nachmaliger

Außenminister der DDR, „wir

werden für den deutschen Einigungsprozess

eintreten.“

(55) Der Dandy aus reichem, in den Grafenstand

erhobenen Hause, dessen schöne britische

Mutter Umgang mit dem Preußenkönig

und nachmaligenKaiser Wilhelm

I. gepflegt hatte und den haltlose Gerüchte

sogar zum leiblichen Sproß des Monarchen

erklärten, besaß Geist und Geld genug,

sein Kunstprogramm schon einmal als

Privatsammler vorzuexerzieren.

WDG: nachmalig: Nicht angeführt.

Pos|sier|lich

DUW: <Adj.> [zu veraltet possieren = sich lustig machen, zu Possen]: (meist von kleineren Tieren) durch

bestimmte Verhaltensweisen, durch die Art, sich zu bewegen, belustigend wirkend; niedlich; drollig: ein -es

Äffchen; p. aussehen.

(56) Es war nicht sehr mutig, aber durch

die Umstände geboten, einen kleinen Schlenker

zu machen und sich scheinbar in die

Auslagen des Zoo-Ladens zu vertiefen.

Klopfenden Herzens versenkte ich mich in

den Anblick eines possierlichenGoldhamsters,

der unbeeindruckt an den metallenen

Gitterstäben seines Käfigs nagte.

(57) Frau Susan, die große Naive, habe

„sämtliche Vereinbarungen nicht eingehalten

und dem Projekt nur geschadet“,

zürnte der deutsche Hollywood-Produzent

Christian von Bentheim: „Jetzt ist Schluß.“

Mitleidig ächzte „Bild“: „Ach, Frau Stahnke

…“, und die deutschen Medien trauerten

den schönen lustigen Tagen nach, an

denen sie ihre Klatsch-Artikel und Sendungen

mit unfreiwillig possierlichenAuftritten

und dem besinnungslosen Geplapper

von „Susan Stänky“ füllen konnten.

Denn seit die Ex-„Tagesschau“-Sprecherin

in Straps und Mieder für eine

Illustrierte posierte und anschließend lauthals

verkündete, sie werde eine gediegene

Rolle in „The Populist“ spielen, war sie

unangefochten die Lachnummer eins der

Nation.

(58) Der wünschte „der schrecklichen

deutschen Sprache“, sie möge „zu den

toten Sprachen gestellt werden, denn

nur die Toten haben genügend Zeit, um

sie zu lernen“. Dabei wirkt deutsches

Wortgut überaus possierlich, wenn es

sich beispielsweise ins Japanische einnistet.

(59) Hemmungslos, so müssen vor allem

Frettchen-Novizen schmerzhaft erfahren,

beißen diese possierlichenTiere in freudiger

Vergeltung liebevoller Pflege die Hand,

die sie füttert – das Wehklagen der blutigen

Anfänger erfüllt die inzwischen auf einige

tausend Seiten angewachsenen Frettchen-Sites

im Internet. Auf einer von ihnen kündigt

Dr. med. vet. Marion Wiese Neulingen

weiteres Mißgeschick an: „Eine hundertprozentige

Stubenreinheit ist beim Frettchen

leider selten.“

WDG: possierlich: /Adj./ durch eine kleine, niedliche Art spaßig, drollig wirkend: das

Kätzchen, der kleine Hund ist ein p. Tierchen; Kinder tanzten... in

possierlichen, anmutigen Bewegungen einen Walzer BREDEL

Väter 189; die kleinen Äffch waren sehr p.; etw. sieht p. aus, ist p.

anzusehen; die Eichkätzchen sprangen p. von Baum zu Baum

Recht|schaf|fen

DUW: <Adj.> [eigtl.ÿ= recht beschaffen] (veraltend): 1.ehrlich u. anständig; redlich: ein -er Mann; r. sein,

handeln; <subst.:> etwas Rechtschaffenes (Ordentliches) lernen. 2. a)groß, stark, beträchtlich: einen -en

Hunger haben; b)<intensivierend bei Adj. u. Verben> sehr, überaus, stark: r. müde, satt sein; sich r. plagen

müssen.

(60) Gott sei Dank, endlich ist er entlarvt, unser

ehemaliger Kanzler. Alle, die geglaubt

haben, dass er so rechtschaffenund anständig

war, sind wie ein Blitz aus heiterem

Himmel eines Besseren belehrt worden.

Das „System Helmut Kohl“ ist zusammengebrochen

wie ein Kartenhaus. Wie

muss es nur den treuen Anhängern ergehen?

Loffenau (Bad.-Württ.) Dieter Koch

(61) Der Gedanke, man könnte im neuen

Jahrtausend eventuell zum alten Eisen

gehören, kann ja nur ein ganz besonders

verzicktes Gehirn umtreiben. Der rechtschaffende

Kunstgewerbler geht am besten

seinem Tagwerk nach und kümmert sich

nicht darum, ob und wie seine Erzeugnisse

später noch jemand kratzen.

(62) King zeigt, wie das verdrängte

Böse als Fluch der Vergangenheit hervorbricht

und erst durch mutige Konfrontation

bewältigt werden kann. Schuld und

Sühne, Liebe und Vergebung – King

zeigt sich so moralisch und rechtschaffen,

wie seine Fans ihn lieben.

WDG: rechtschaffen: /Adj./ ehrlich und anständig, redlich: ein r. Mann: r. Leute; [ein

anderer] würde entweder verlegen werden oder rechtschaffen

die Wahrheit sagen St. ZWEIG Balzac 261; /übertr./ umg.

Einen r. (großen) Hunger haben; er hat sich r. (sehr) plagen

müssen, ist r. müde

Schel|misch

DUW: <Adj.> [frühnhd.ÿ= schurkisch]: 1.in der Art eines Schelms; schalkhaft; verschmitzt. 2.(veraltet)

schurkisch; betrügerisch, verbrecherisch, böse.

(63) SPIEGEL: Läuft seine Zeit nicht langsam ab?

Eisner: Wie wäre so etwas denkbar? Zeigen

Sie einem drei Monate alten Baby eine

Mickey Mouse, und es fängt an zu lächeln.

Ich weiß auch nicht, warum das passiert,

aber die Maus lieben alle Amerikaner,

Franzosen, Chinesen. Es ist nicht nur die Figur,

sondern ihre Kultur, dieses schelmische

und dennoch ehrliche und gutherzige

Wesen. Wir machen gerade eine neue Fernsehserie

mit Mickey, Pluto, Donald und

Goofy. Es wird keinen Nachfolger für

Mickey geben, die Maus ist unsterblich.

(64) Immer war es der Schelmmit Zweireiher

und Fliege, der die Programme ausdachte

und auch gleich werbewirksam ausposaunte.

„Wir sind heute der am besten ausgelastete

Konzertsaal der Welt“, brüstet

sich dieser Intendant, „wir haben inzwischen

die größte Kammermusik-Gemeinde

des Kontinents.“ Die Kölner besäßen „den

einzigen Klassik-Saal der Welt, der keine

Sommerpause macht“ und im Schubert-Jahr

1997 an 38 Abenden sämtliche Lieder

des Romantikers geboten habe, „eine weltweit

einmalige Sache“. Ohnesorg, der

Bäckerssohn aus dem oberbayerischen

Weilheim, backt keine kleinen Brötchen.

(65) Rolf Ludwig, 73. Er gehörte zu den Schauspielern,

die aus Instinkt und mit perfekter

Einfachheit spielten. An sein Talent glaubte

er selbst nicht. Ludwig brillierte in

Shakespeares „Maß für Maß“ als kauziger

Häftling, der sich partout nicht zur Hinrichtung

bereitfinden will, oder als stets

betrunkener Amtsdiener in Gerhart Hauptmanns

„Biberpelz“. In britischer Kriegsgefangenschaft

entdeckte Ludwig das

Theater. Berühmt wurde er in der DDR

durch zwei Rollen: den Truffaldino in Goldonis

„Diener zweier Herren“ und die

Hauptrolle in „Der Drache“ von Jewgenij

Schwarz. Defa-Regisseur Egon Günther

drehte mit ihm „Der Dritte“ (1972) und

„Lotte in Weimar“ (1976). Doch erst

„Stein“ (1991), die Geschichte eines alternden

Schauspielers

im Widerstand, wird

für Ludwig „zum Film

seines Lebens“. In Italien

erhielt er dafür

den Fellini-Preis, in

Deutschland ging der

Film unter. „Einen der

letzten Schelmedieser

Welt“ nennt Intendant

Thomas Langhoff den

Schauspieler, der wie

nur wenige Komik

und Abgrund in einem verbinden konnte.

Exzesse gehörten mit zu seinem Leben.

(66) Unter der Decke windet

sich ein Labyrinth schwarz gestrichener

Laufstege. Manchmal steht Scott

Trowbridge, 33, hier oben und freut sich

über die spitzen Schreie, die im Minutentakt

zu ihm hinaufgellen. „Ist das nicht ein

herrliches Geräusch?“, fragt er mit schelmischem

Grinsen.

(67) „Balzac – ein Leben voller Leidenschaft“

riskiert optisch weniger, ohne je

unansehnlich zu sein. In diesem europäischen

Angriff auf die alte Zeit regieren

das Vertrauen auf große Schauspieler und

die Kraft der Dialoge. Wie Obelix erwatschelt

sich Depardieu den Balzac-Part,

schelmisch,täppisch, aber voller Ehrfurcht

für den großen Poeten. Und er

wird konterkariert von seiner kalten Mutter,

die die Moreau souverän hinlegt. Sie

spielt, als schaute das alte Europa voller

Skepsis, aber auch mit liebender Weisheit

auf seine großen Dichter.

WDG: schelmisch: /Adj./ 2. veralt. betrügerisch hinterhältig, verlogen: sei der

schelmische Friedländer zu schlau gewesen RIC. HUCH

Dreißigjähr. Krieg 2,217

Schlech|ter|dings

DUW: <Adv.> [aus älterem: schlechter Dinge] (veraltend): geradezu, überhaupt, einfach: das ist s. unmöglich.

(68) Es gibt ein Leid, von dem Hölderlin sagt,

daß es aus der Zeit falle und in dem sich

Anfang und Ende schlechterdings„nicht

mehr reimen lassen“. Geschichten neigen

zum Gegenteil – ihre Hauptgefahr ist die

Tendenz, Auschwitz zu einem Erlebnis der

Katharsis, der Reinigung, zu erklären.

(69) Psychiater Schumacher erklärte ihn für

psychisch gesund und „uneingeschränkt

aussagefähig“. Undeutsch versicherte, es

sei „schlechterdingsnicht menschenmöglich“,

dass Nonne die komplexe und in

sich stimmige Geschichte frei erfunden

habe. Dazu hätte es einer „erzählerischen

Meisterleistung“ bedurft. Die Bundesanwaltschaft

behandelte daraufhin Nonne

als Kronzeugen und weigerte sich, den

vermeintlichen RAF-Helfershelfer wegen

Beihilfe zum Mord an Herrhausen anzuklagen.

(70) So gibt es Eintragungen zu lesen wie

die vom 18. März 1945, schlechterdingsunverfilmbar

in ihrer Ambivalenz zwischen

Verzweiflung und Ironie: Die Klemperers

sind durch die Bombardierung Dresdens

fürs Erste den Häschern der Gestapo entronnen,

aber noch nicht in Sicherheit.

WDG: schlechterdings: /Adv.; partikelhaft, ohne eigentliche Bedeutung; dient als

Verstärkung/ umg.einfach, geradezu: das ist s. unmöglich; es ist s.

unvorstellbar, dass...; bei ihr kann man sich s. über alles Rat holen; in Berlin,

wo man schlechterdings alles finden konnte SEGHERS 6,145 (Die Toten)

Trut|zen

DUW: <sw. V.; hat> [mhd. (md.) trutzen] (veraltet): trotzen (1).

trot|zen<sw. V.; hat> [mhd. tratzen, trutzen, zu Trotz]: 1.(geh.) in festem Vertrauen auf seine Kraft, sein Recht

einer Person od. Sache, die eine Bedrohung darstellt, Widerstand leisten, der Herausforderung durch sie

standhalten: den Gefahren, den Stürmen, der Kälte, dem Hungertod, dem Schicksal t.; er wagte es, dem Chef zu

t.; Üdiese Krankheit scheint jeder Behandlung zu t.

(71) Strahlend lauschte Regierungschef

Bülent Ecevit in seinem trutzigenAmtssitz

der milden Botschaft. Die Türken

nehmen Fischer sein moralisches Engagement

durchaus ab, deshalb sind sie

auch bereit, sich seine moderate Kritik

anzuhören und seinen Besuch bei Menschenrechtsgruppen

zu akzeptieren. Bei

Kohl hatten sie stets das Gefühl, die

Deutschen benutzten Menschenrechte

nur als taktisches Instrument, um sich

die Türken vom Leibe zu halten.

(72) Jahrzehntelang hatten die Dortmunder

mit Superlativen gelebt. Bierstadt Nummer

eins, die Fußballer vom BVB waren

die ersten deutschen Gewinner des Europacups

der Pokalsieger, wahrscheinlich

stammt der Name Dortmund ab vom Althochdeutschen

„throtmani“ was „trutzige

Männer“ heißen soll.

WDG: trutzen: Trutz, der; - es /ohne Pl./ veralt.Gegenwehr, Widerstand: um sein

bleibend selbst damit zu verteidigen und Trutz zu bieten dem Fremden

TH. MANN 7,662 (Lotte); dazu trutzig /Adj./

Un|ter|setzt

DUW: <Adj.> [zu veraltet untersetzenÿ= stützen, festigen, mhd. undersetzen, also eigtl.ÿ= gestützt, gefestigt]: (in

Bezug auf den Körperbau) nicht besonders groß, aber stämmig; pyknisch: ein -er Typ.

(73) Und das ist nur ein kleiner Teil des eu-ropaweitenChaos,

das die Festnahme des

untersetztenLandarbeitersohns mit dem

markanten Schnäuzer ausgelöst hat. In der

vergangenen Woche brach auf, was sich

seit Jahrzehnten angestaut hatte. Denn der

Kurdenkonflikt ist nicht nur ein seit Jahrhunderten

schwelendes regionales Problem,

er birgt Sprengstoff mit internationaler

Durchschlagskraft.

(74) Der kräftige, untersetztwirkende Beamte

gilt als Einzelgänger. Ein Mann, der

seine Gefühle hinter robustem Auftreten

versteckt, der keine Schwächen zeigen

kann. Von dem bekannt ist, dass er bei

Einsätzen schon mal hart zupackt.

(75) Blond, untersetzt, der

Blick etwas einfältig so

war er damals, als er untertauchte.

„Ungehobelt,

ein Analphabet“, erinnert

sich Buscetta an den jungen

Mann.

(76) Christine Ney, die Dritte, hüpft

von einem Bein aufs andere. Die

24-Jährige aus Ensdorf, klein und

untersetzt, beobachtet hinter ihrer

Brille nervös die Reaktionen in

der Menge, fühlt sich offenbar unsicher.

Ab und zu errötet sie.

(77) Der untersetzteMann

mit den tiefen Schatten

unter den Augen war sieben

Jahre lang Castros

Privatsekretär. Im Mai

setzte der Comandante

ihn überraschend an die

Stelle von Roberto Robaina.

„Robertico“, 43,

lange der potenzielle

Kronprinz, hatte mit seinen

Gesprächspartnern

in den USA und Europa

offenbar zu nachgiebig

verhandelt.

(78) Eigentlich tut das nur einer: Gerd

Schuchardt, Vizepremier und Wissenschaftsminister

in der Großen Koalition

der Mann, der Dewes nach Thüringen holte.

Dem Ostpolitiker einem 1,94-Meter-

Hünen, der als Präzisionstechniker bei VEB

Carl Zeiss Jena mit Anstand über die DDR-Jahre

kam sind die PDS-Avancen des

untersetzten, wendigen Dewes zuwider.

Bei den beiden, die wie Don Quichotte

und Sancho Pansa gegeneinander und

miteinander kämpfen, gibt es allerdings

einen Unterschied zum Roman: In Erfurt

ist Sancho Pansa Dewes unbestritten

der Boß.

WDG: untersetzt: /part. Adj. Vgl. untersetzten/ von nicht sehr großem, aber

stämmigen Körperbau, gedrungen: ein u., breitschultriger, kräftiger

Mann; Er war untersetzt und von beinahe athletischem Körperbau

NOSSAK Spirale 57; Ein Mensch von u. Gestalt, Statur, Figur

Ver|brie|fen

DUW: <sw. V.; hat> [mhd. verbrieven] (veraltend): schriftlich, durch Urkunde o.ÿÄ. feierlich bestätigen,

zusichern, garantieren: jmdm. ein Recht v.; <häufig im 2.ÿPart.:> verbriefte Rechte, Ansprüche haben.

(79) Die beiden Konzernherren haben mit

Brüssel ähnliche Probleme: Die EU-Wettbewerbshüter

beschuldigen beide Unternehmen,

den EU-Bürgern über Jahre hinweg

systematisch das verbriefteRecht beschnitten

zu haben, ihre Autos in jenem

Mitgliedstaat zu kaufen, in dem sie am billigsten

sind.

(80) SPIEGEL: Reizt Sie die Macht?

Thielemann: Als Generalmusikdirektor

trägt man Verantwortung, und um die

zu übernehmen, braucht man die vertraglich

verbriefteKompetenz dazu. Radunski

hatte mir seinerzeit sogar angeboten,

hier auch alleiniger Künstlerischer Leiter

zu werden.

(81) Die neueste Forderung aus Jerusalem

lehnt Beirut denn auch empört ab. Angeblich,

so verlautet aus Geheimdienstquellen,

verlangt Barak, dass die libanesische

Regierung die etwa 360 000 Palästinenser

einbürgert, die seit ihrer Vertreibung aus Israel

zum Großteil in elenden Lagern auf

ihre Rückkehr warten. Von dem durch die

Uno-Resolution verbrieftenRecht auf

Rückkehr der Flüchtlinge will Jerusalem

nichts wissen.

(82) Der fast völlig von Kraus allein

geschriebenen „Fackel“ und ihrem Autor widmet das

Schiller-Nationalmuseum in Marbach jetzt seine große Jahresschau

(bis 31. Oktober). Neben Widmungsbänden, Druckvorlagen

in winziger Kritzelschrift und einem von Kraus-Fan Arnold

Schönberg eigenhändig gebundenen „Fackel“-Band hat

Ausstellungsmacher Friedrich Pfäfflin weitere Überraschungen

zu bieten: Manuskripte, in denen

der Satiriker schon 1923

vor Hakenkreuzlern warnte,

seltene Fotos, Plakate von Lesungen,

aber auch den Reisepaß,

in dem der Wortwächter

sich am 8. Mai 1933 eine mögliche

„Reise nach den Vereinigten

Staaten von Amerika“ verbriefen

ließ. „Das ist schon ein

Hammer“, meint der Museumschef,

der selbst die Urhe

berrechte an Kraus’ Werken verwaltet und sich mit dieser Ausstellung

souverän vom Marbacher Amt verabschiedet. Nur mit

List konnte er dem Wiener Jüdischen Museum, das vom 23.

Juni an ebenfalls eine Kraus-Ausstellung zeigen will, den Paß

abjagen: „Ich habe einfach so viel Material bestellt, daß er

darunter nicht mehr auffiel.“

(83) Er konnte schon unheimlich skrupellos

sein, dieser Johann Wolfgang von Goethe

erst recht, wenn keine Freundschaft auf

dem Spiel stand. Da hatte etwa 1816 der liberale

Biologie-Professor Lorenz Oken aus

Jena die eben verbrieftePressefreiheit genutzt

und in seiner Zeitschrift „Isis“ kritische

Anmerkungen zur fürstlichen Verfassung

des kleinen Staates Sachsen-Weimar-Eisenach

gedruckt. Prompt riet Minister

Goethe seinem Chef, dem Herzog Carl August,

zu knallharten Gegenmaßnahmen:

Um „die Krankheit auszurotten“, müsse

das Blättchen umgehend verboten werden.

Demokraten wie Oken seien „nicht zu belehren

und nicht zu bändigen“.

(84) Diverse Forschungsaktivitäten und Nebentätigkeiten

schlagen sich aber auch

schlicht auf dem Konto nieder. Die im

Grundgesetz verbriefteFreiheit der Forschung

und das geltende Recht auf Nebentätigkeit

eröffnen ungeahnte Möglichkeiten:

florierende Büros von Architektur-Hochschullehrern,

lukrative Beraterverträge

mit Verbänden und Konzernen,

hochdotierte Gutachten von Chemie-Professoren.

(85) Auch Erdbebenrisi-ken

in Tokio und im kalifornischen San

Francisco sind mittlerweile als Anleihe

„verbrieft“und werden an der New Yorker

Börse gehandelt. Deutsche Versicherungen

haben ebenfalls mehrere Anleihen

bei Fondsgesellschaften oder anderen

Versicherungen platziert. Demnächst

sollen auch Privatanleger diese Formen

der Geldanlage beziehen können.

(86) In dem Brief fordert der Anwalt den

Dresdner Oberbürgermeister sowie den

Stadtkämmerer auf, den Gläubigern die

verbriefteSchuld samt Zinsen zurückzuzahlen.

Denn seit 1939 hat Dresden die Anleihe

nicht bedient und obendrein Stücke

im Wert von insgesamt 299 400 Pfund Sterling

nicht zurückgekauft oder getilgt.

„Um alle ausstehenden Papiere abzulösen,

muß die Stadt knapp fünf Millionen

Mark bezahlen“, versichert der öffentlich

bestellte und vereidigte Sachverständige

für Historische Wertpapiere Hans-Georg

Glasemann. Er hält die Forderungen für

berechtigt.

(87) E N S C H E N Lob und Tadel

Bundeskanzler Gerhard Schröder will China

bei seinem Besuch in dieser Woche für historische

Verdienste loben, um die Regierung in

Peking vorsichtig zu stärkerer Achtung der

Menschenrechte zu bewegen. Zu Tausenden

hatten deutsche Juden während der Hitler-Diktatur

Zuflucht in China gefunden; am Donnerstag

wird Schröder deshalb die ehemalige

Synagoge in Schanghai besuchen. Dieser „Anknüpfungspunkt“

werde Gelegenheit geben, so

ein Kanzlerberater, über Chinas heutiges Verhalten

in der Menschenrechtsfrage zu sprechen.

Der Kanzler, von einer großen Unternehmerdelegation

begleitet, will harte Kritik jedoch

meiden, um die erhofften Erfolge bei den

deutsch-chinesischen Wirtschaftskontakten

nicht zu gefährden. Aus der Menschenrechtsfrage,

so ein Spitzendiplomat, sei „die Luft

raus“. Antje Vollmer, mitreisende grüne Vizepräsidentin

des Bundestags, möchte in Peking

das heikle Thema des besetzten Tibet ansprechen.

Bereits 1995 hatte sie den ersten offiziellen

Empfang für den Dalai Lama, das geistige

Oberhaupt der Tibeter, im Bundestag veranstaltet.

Ihr Vorschlag: Die Chinesen sollten allen

Religionen verbriefteRechte einräumen.

SIPA PRESS

Vollmer, Dalai Lama 1995 in Bonn

WDG: verbrieft: /oft im Part. Prät./ verbriefte Ansprüche, Rechte

Ver|lus|tig

DUW: [mhd. verlustecÿ= Verlust erleidend]: in den Wendungen einer Sache v. gehen(Amtsdt.; etw. einbüßen,

verlieren): er ist seiner Privilegien, seiner Stellung v. gegangen; jmdn. einer Sache für v. erklären(Amtsdt.

veraltend; jmdm. etw. absprechen, nehmen): er wurde der bürgerlichen Ehrenrechte für v. erklärt.

(88) Dem von internen Machtkämpfen geschüttelten

Vorstand der Deutschen Bahn

AG sind nicht nur die Planungen für Tunnel

und Lehrter Zentralbahnhof entgleist.

Auch ihr Berliner Führungspersonal ging

reihenweise verlustig.

(89) Heute sind die Kulturhäuser

der osteuropäischen

Staaten verwaist, die Dissidentenzirkel

arbeitslos und ihrer Aura verlustig.

(90) Prinz Philipp, 78, Ehemann der britischen

Königin, soll seines Postens als Kanzler der

Universität Cambridge verlustiggehen.

Dem Präsidenten der Cambridge Students

Union sind die Sprüche des Prinzgemahls

längst zu politisch unkorrekt, um ihn länger

auf dem Posten zu halten, den er auf

Grund königlicher Huld 1977 erhielt. Besonders

missfielen den Studenten die

blaublütigen Redensarten über „schlitzäugige“

Chinesen und inkompetente „indische

Elektriker“.

WDG: verlustig: /nur in den Wendungen/ papierdt. einer Sache v. gehen, werden

etw. verlieren, einbüßen: jmd. geht eines Rechtes, Vorteils, Amts v.;

er hat gekündigt und ist dadurch der Prämie v. gegangen; jmdn. einer

Sache (für) v. erklären erklären, dass jmd. etw. verloren, eingebüßt

hat: der König wurde seines Throns v. erklärt

Ver|ma|le|dei|en

DUW: <sw. V.; hat> [mhd. vermal(e)dien, zu maledeien] (veraltend): verfluchen, verwünschen: jmdn. v.; <meist

im 2. Part.> (ugs.) dieses vermaledeite Auto springt wieder nicht an.

(91) Der einzige Skipper, der während der

Kanonade sein Steuerhaus nicht geräumt

hat, ist Rentner Albert Konicek aus Wien.

Er sagt, die Serben hätten ihm sein Boot damals

tüchtig vermaledeit. „Sie hockten da

oben auf den Bergen und machten Zielschießen

auf Luxusjachten, wenn sie besoffen

waren.“

WDG: vermaledeit: /Adj./ <franz.> veralt.verflucht, verwünscht: dieses dreimal v.

Rheuma!

Ver|schro|ben

DUW: <Adj.> [eigtl. mundartl. stark gebeugtes 2. Part. von veraltet verschraubenÿÿ= verkehrt schrauben]

(abwertend): (in Wesen, Aussehen od. Verhalten) absonderlich anmutend: ein -er Kauz; -e Ansichten; ein wenig

v. sein.

(92) Die Eingangsformel der „Kaiserlichen

Botschaft“, die Reichskanzler

Otto von Bismarck am 17. November

1881 vor dem Reichstag in Berlin verlas,

war so altertümlich und verschroben

wie eh und je: „Wir, Wilhelm von Gottes

Gnaden Deutscher Kaiser, König von

Preußen etc., thun kund und fügen hiermit

zu wissen …“

WDG: verschroben: /Part. Adj./ absonderlich, seltsam, schrullig, wunderlich: eine

etwas v. alte Dame; v. Ansichten haben; er war kein schlechter

Kerl, nur durch und durch verworren und v.; seine Begründung

erschien uns seltsam und v.

Vor|schub

DUW: der; -[e]s, Vorschübe [zu vorschieben]: 1.(veraltet) Begünstigung, Förderung, Unterstützung: *jmdm.,

einer Sache V. leisten/(geh. auch:) tun(die Entwicklung einer Person, Sache begünstigen): der

Umweltzerstörung, dem Verbrechen, dem Radikalismus, der Diktatur V. leisten. 2.(Technik)

Vorwärtsbewegung eines Werkzeugs od. Werkstücks [während eines Bearbeitungsablaufs u. der dabei

zurückgelegte Weg]. 3.(EDV) (bei einem an eine Datenverarbeitungsanlage angeschlossenen Drucker)

Transport des Papiers bis zu einer bestimmten Stelle, an der das Drucken fortgesetzt werden soll.

(93) Das Bündnis war eine Allianz des

Mißtrauens. Jeder Kontakt mit den Sowjets

wurde argwöhnisch belauert. Zbigniew

Brzezinski, Sicherheitsberater von US-Präsident

Jimmy Carter, verdächtigte 1978

Kanzler Schmidt, mit seiner Ostpolitik einer

„Finnlandisierung“ der Bundesrepublik

Vorschubzu leisten.

(94) „Es drängt sich der Schluß auf, daß die Globalisierung und ihre sozialen

Folgen eher autoritären als demokratischen Verfassungen Vorschubleisten. “

Ralf Dahrendorf in der „Zeit“ vom 14. November 1997

(95) Die Amerikaner und die Nato ihrerseits

bestehen im Kosovo auf einem multiethnischen

Protektorat, das folgerichtig

auch eine multinationale Friedenstruppe

mit russischer Beteiligung in der ganzen

Provinz erfordert. Nur hatte die Nato dummerweise,

als sie ihre ursprüngliche Kosovo-

Friedenstruppe in national getrennte

Sektoren aufteilte, im Grundsatz dem russischen

Konzept Vorschub

geleistet.

(96) Denn: Der Besitz der Welfen, der nach

1945 auf Anordnung der russischen Besatzungsmacht

im heutigen Sachsen-Anhalt

enteignet worden war und um dessen

Rückübertragung sich der Prinz bemüht, ist

Aberhunderte von Millionen wert. Gebunden

ist die Freigabe der Besitztümer

jedoch an zwei gesetzliche Bedingungen:

¹ Rückgeführt werden können nur „Mobilien“

wie Antiquitäten, aber weder

Grundbesitz noch Immobilien – Ausnahme:

Der Enteignete war Ausländer;

der Anspruch auf Rückgabe der Kunstgegenstände

erlischt, falls der einstige

Besitzer „dem nationalsozialistischen

System Vorschubgeleistet“ hat.

(97) M. WITT

S E X UA L I TÄT

Einfühlsamer Pinsel

Von allen intimen menschlichen Körperteilen war

bisher die weibliche Brust unbezweifelbar der am

häufigsten abgebildete. Doch nun erobert sich scheu,

aber stetig der Penis einen Platz in den Medien. Filme

wie die britische Männerstrip-Komödie „Ganz oder

gar nicht“ leisteten der Entwicklung Vorschub, zeitgleich

mit dem amerikanischen Präsidenten und jenen

Prominenten, die sich mit überraschender Ehrlichkeit

als Viagra-Konsumenten outeten.

(98) Der Flick-Manager bestätigt 1985 vor

dem Landgericht Bonn, dass Frau Weber

„schon mal für Herrn Kohl Geld empfangen

hat“. Mindestens vier Mal, so steht

fest, hat Kohls Vertraute bis zu 50 000 Mark

abgeholt. „In der Ära Kohl“, so von Brauchitsch

in seinen Memoiren, „gab es gesetzliche

Bestimmungen, die unseriösen

Praktiken Vorschubgeleistet haben.“

(99) Zu ihrem vielarmigen Zangenangriff

gehörten der Kapitalismus und, in absurder

Nachbarschaft dazu, der Bolschewismus,

die Demokratie und der Pazifismus eben

so wie die Kriegstreiberei sowie überhaupt

jene verderbliche Botschaft von der

Gleichheit aller Menschen, die einer universellen

„Bastardisierung“ Vorschubleistete.

Wo immer man den Verhältnissen auf

den Grund ging, kam der „Weltvergifter

der Völker“ zum Vorschein, der sich gleichsam

außerhalb der für alle geltenden Regeln

gestellt und folglich jedes Daseinsrecht

verwirkt hatte.

(100) Dann jedoch kann

das Gesamtschulsystem

eine zukunfts- und

international wettbewerbsfähige

Alternative zum gegliederten

Schulwesen werden; eine

Alternative, die gesellschaftlichen

Zerfallsprozessen zumindest keinen

Vorschubleistet.

(101) Intern rechtfertigte May damals die Verweigerung

seiner Unterschrift mit der Begründung,

er habe einer versteckten Parteienfinanzierung

keinen Vor-schub

leisten wollen. Die Quittung

bekam er wenig später: May

musste gehen. Die Abfindung –

rund 180 000 Mark musste er

mit Weyrauch aushandeln.

WDG: Vorschub: der; - (e)s, Vorschübe 1. /nur in der festen Verbindung/ jmdm, einer

Sache V. leisten jmdm. bei einer tadelnswerten Sache, etw.

Tadelnswertes begünstigen: mit seinem sorglosen Verhalten hat er

dem Gegner V. geleistet; eine geschwächte Konstitution kann der

Krankheit V. leisten. 2. Techn.Vorwärtsbewegungeines

Werkzeugs oder Werkstücks bei der spanabhebenden Bearbeitung

An Werkzeugmaschinen: ein großer, kleiner V.; der automatische

V. arbeiten; einen bestimmten V. einschalten.

Vor|witz

DUW: der; -es [mhd. vor-, virwiz, ahd. furewizze, firiwizzi, eigtl.ÿ= das über das normale Wissen

Hinausgehende; Wunder, zu Witz in dessen alter Bed. »Kenntnis, Wissen« u. einer alten Nebenf. von ver- im

Sinne von »hinüber, über etw. hinaus«] (veraltend): 1.[leichtsinnige] Neugierde: der Vorwitz der Jugend

gegenüber allem, was neu ist. 2.(meist in Bezug auf Kinder) vorlaute, naseweise Art.

(102) Desgleichen hinderten die

USA andere Staaten – Nordkorea etwa,

Irak, aber auch Russland – daran, sich militärische

Kapazitäten zuzulegen, welche

die Überlegenheit der eigenen Streitkräfte

womöglich gefährden könnten. Sogar Verbündeten

gegenüber erklärten die USA eigenes

Recht für verbindlich und drohten

ausländischen Firmen, die vorwitzigmit

Kuba Handelsbeziehungen aufnahmen,

Sanktionen an.

(103) Landläufige Oper, wie

auch anders, geht hier nicht:

kein Plot mit rotem Faden,

kein dramatisches Crescendo,

weder Konflikt noch Kollaps

und schon gar kein Happy-

End. Gemessen an all

dem, was die Vertonung der

thesenreichen Textvorlage

erschwert, erweist sich das

multimediale Projekt gleichwohl

als durchaus taugli-ches,

zeitgemäßes und zeittypisches

Stück Musiktheater:

Es nimmt sich wichtig, erhebt den Zeigefinger und

schafft mit Vorwitzund Firlefanz dennoch

eine kurzweilige Revue über Geschmack

und Geschmacklosigkeit moderner Werbeästhetikhörenssehens-

und diskussionswert.

WDG: Vorwitz: der; - es, /ohne Pl./ vorlautes Wesen, das sich in unangemessener

Neugier, keckem Besserwissen äußert: er tadelt den V. des Kindes;

sein V. treibt ihn dazu, kann ihm verhängsnisvoll werden; er nannte

den Mount Everest, der dem Vorwitz des Menschen bis dato eisige

Ablehnung entgegengesetzt habe TH. MANN 2,983 (Zauberb.)

Wohl|weis|lich

DUW: [auch: 'þ'þÿþ] <Adv.>: aus gutem Grund: etw. w. tun, unterlassen; w. nicht auf etw. eingehen.

(104) Je mehr sich Schlömer – durchaus legitim

und willkommen – von Wagners szenischen

Wegweisern absetzt, um so hektischer

arrangiert er einen personalen Dauerlauf

zwischen Unterwelt und Götterburg,

die der Komponist Wagner durch Verwandlungsmusiken

wohlweislichgetrennt

hat. Und wenn schon: Schlömer macht alles

eins und lädt an seinem Brunnen vor

dem Tore zur Rushhour.

(105) Ihre Artikel erwecken den Eindruck, als

ob in der Kommission ausschließlich korrupte

Politiker sitzen, die die europäischen

Bürger (oder wollen Sie eigentlich sagen:

das deutsche Volk?) ausbeuten. Dem muß,

durchaus mit Rückendeckung des Sachverständigenberichts,

widersprochen werden.

Hier heißt es nämlich in den wohlweislich

ignorierten Teilen: ,,Der Ausschuß

fand keine Fälle, in denen ein Kommissar

direkt und persönlich in betrügerische Aktivitäten

verwickelt gewesen wäre. (Allerdings

fand er Fälle, in denen Kommissare

oder die Kommission insgesamt die Verantwortung

für Fälle von Betrug, Unregel- mäßigkeiten

tragen ...) Darüber hinaus

keinen Beweis dafür,

Kommissar durch Betrug, Unregelmäßigkeiten

oder Mißmanagement einen finanziellen

Vorteil verschafft hätte.“

(106) Vorsicht: Stolpergefahr! Während Duchamp

Kinderspiele in der Galerie anregte

(und der Eröffnung fernblieb), müssen

Rhoades und seine Helfer selbst auf der

Hut sein. Denn ihr aus Dreiecksplatten zusammengesetzter

Garten Eden hat kein

Geländer, doch bedrohliche Klüfte. Wer

hinunterfällt, erlebt einen wahren Sünden-Fall

und bricht sich leicht den Hals. Plastikschlangen

winden sich halbhoch durchs

Gerüst; unten liegen schlaffe Puppen herum

wie Abgestürzte. Wohlweislichwird

dringend empfohlen, sich anzuseilen.

(107) Gleichheit hervor. Im wohlklingenden

Dreiklang von Liberté, Egalité und Fraternité

war diese Gleichheit schnell die alles

übertönende Posaune. An die Stelle eines

wohlweislichvage formulierten Glücksversprechens

trat ein Ideal materieller

Gleichheit, das die Gesellschaft de facto

auf eine Art Familienverbund zurückschraubt:

Alle Menschen sind Brüder, und

wehe dem, der da aus der Reihe tanzt.

WDG: wohlweislich: /Adj./ aus gutem Grund, nach gründlicher Überlegung: jmd.

schweigt w.; sich etw. w. überlegen; er vermied es w., seine

Bedenken laut werden zu lassen; er behielt seine Meinung w.

für sich; er hütete sich w., seinen Verdacht zu äußern; w. verriet

er seine Absicht nicht;

3.2.2 Markierungen im Kontext

Die in Liste F angeführten insgesamt 107 Kontextbelege betreffen nur 29 von den 84

untersuchten Wörtern und hierbei, wegen der Beschränkung auf < 10 Kontexte, den Teil, der

relativ gering belegt ist ( ³ 0.1 % ). Alle 29 Untersuchungswörter haben im DUW die

Zeitmarkierung „veraltet“ oder „veraltend“. Über diese Zeitmarkierungen hinaus finden sich

weitere Markierungen im DUW und WDG, die etwas über angebliche oder

konventionalisierte Gebrauchspräferenzen aussagen und mit anderen derartigen Markierungen

(z. B. im WDG) verglichen werden können. Da die Markierungspraxis in deutschen

Wörterbüchern aber noch keineswegs standardisiert ist,146 die Angaben oft spontan, aber nicht

systematisch vergeben zu sein scheinen, soll hier über die Zeitmarkierungen hinaus eine

vereinfachte Typologie von Gebrauchsmarkierungen erstellt werden, die sich an den

stilistischen Funktionen orientiert, die in der Forschung diskutiert werden (vgl. oben 1.4.2 und

2.1).147 Prinzipiell lässt sich eine Gruppe von Verwendungsweisen von Archaismen, die

positive Effekte haben (Aufwertung), von solchen Verwendungsweisen abheben, die negative

Effekte mit sich bringen (Abwertung). Dazwischen könnte eine eher neutrale

Verwendungsweise stehen, die lediglich eine historisierende Funktion hat. Bei der Gruppe der

aufwertenden Verwendungen kann man zwischen einer sehr starken Aufwertung durch

Ritualisierung, einer relativ hohen pathetischen Aufwertung und einer poetischen Aufwertung

unterscheiden. Bei den abwertenden Funktionen kann man vielleicht zwischen einer niedrigen

Form der Abwertung durch Distanzierung, einer stärkeren Abwertung oder Infragestellung

durch Ironie und einer massiven Abwertung in Form einer Karikatur trennen. Diese

hypothetische Funktionstypologie, die auf das Belegmaterial anzuwenden ist, kann daher wie

folgt schematisch dargestellt werden:

146 Vgl. dazu auch Ludwig (1991), S. 47 ff.

147 Vgl. auch Cherubim (1995), S. 35 f.

Verwendungsfunktionen von Archaismen

rituell

pathetisch + aufwertend

poetisch

historisierend ± neutral

distanziert

ironisch - abwertend

karikierend

Betrachtet man jedoch die hier zusammengestellte Auswahl von 107 Kontextbelegen zu den

29 Stichwörtrern näher, so lassen sich spezielle stilistische Funktionen im unmittelbaren

Kontext nicht ausmachen. Vielmehr wird man in den meisten Fällen aus der dominanten

Stilhaltung des Mediums generell (vgl. oben 3.2) auch auf die Verwendungscharakteristik in

den einzelnen Belegen schließen können; es sei denn, es finden sich ausdrückliche Hinweise /

Markierungen, die sich in einer bestimmten Weise interpretieren ließen. Aber auch die

Gebrauchshinweise der Wörterbücher (DUW, WDG), die dazugestellt wurden, liefern selten

mehr als eine (konventionelle?) semantische Paraphrase und weitere, häufig literarische

Belege. So überwiegt der Eindruck eines vorwiegend „preziösen“, kritisch-distanzierenden

Gebrauchs, der zusätzlich durch die Häufung stilistisch auffälliger Wörter (z. B. bei

Backfisch148, Hagestolz, Kärrner, kurzweilig, possierlich, rechtschaffen, schelmisch,

verlustig) oder durch pointierende Verwendung (z. B. bei Befflissenheit, Vorschub [leisten],

wohlweislich) verstärkt wird. Da wo die Wörterbuchinterpretamente einen stilistischen

Hinweis geben (z. B. „papierdeutsch“ bei Behuf, [sich ins] Benehmen [setzen]), erweist es

sich für die vorliegende Verwendung eher als unpassend.

148 Im Falle des Belegs (6) b) wird außerdem noch mit Remotivierung (Backfisch ~ Fisch) durch Setzung eines

entsprechenden Attributs (krosser B.), also mit einem Wortspiel gearbeitet.

D. Auswertung der Ergebnisse

Der hier vorgelegte Versuch einer explorativen Materialanalyse zum Phänomen der

Historisierung von einzelnen Sprachen oder Sprachmitteln macht viele Probleme deutlich, die

dringend weiterer Untersuchungen bedürfen. Historisierung von sprachlichen Mitteln z. B.

zeigt sich auf zwei Ebenen: Der Ebene des Sprachgebrauchs und der Ebene des

Sprachbewusstseins. Auf beiden Ebenen


Date: 2015-12-17; view: 865


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