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Das Wortbildungsaffix

Allgemeines

Affixe sind Bausteine für die Derivation. Will man Wortbildungsaffixe, auch Ableitungs- oder Derivationsaffixe, Ableitungs- oder Derivationsmorpheme, von Wörtern und Konfixen abgrenzen, sind hierfür ausschließlich morphologische Kriterien ausschlag­gebend: Affixe sind erstens im Gegensatz zu Wörtern gebunden, d.h., sie kommen weder selbst frei vor, noch können sie durch Anhängen von Flexionsaffixen syntaktisch unmittelbar nutzbar gemacht werden. Zweitens sind Affixe im Gegensatz zu Wörtern und Konfixen nicht basisfähig, d.h., Affixe können nicht mit sich selbst Wörter bilden (z.B.*verlich), sie können nur mit Basen, also z.B. mit Wörtern oder Konfixen, Wörter bilden, z.B. Schönheit, Pseudovergnügen, Gerede, identisch, unschön, festigen, vergolden, ermuti­gen. Die Wortbildung mit Affixen wird explizite Derivation genannt.

Morphologisch gesehen sind Wortbildungsaffixe als gebundene Einheiten darüber hinaus abzugrenzen von den ebenfalls gebundenen, aber im Gegen­satz zu den Wortbildungsaffixen semantisch leeren Fugenelementen, z.B. dem Fugenelement -s- in Hochzeitstorte, sowie andererseits von den gebun­denen, aber im Gegensatz zu den Wortbildungsaffixen nicht zur Wortbil­dung, sondern zur Syntax gehörenden Flexionssuffixen, z.B. dem Flexions­suffix -ete in er redete und redete und redete.

Zahlreiche Affixe haben sich aus einheimischen Wörtern entwickelt (z.B. -heit aus mhd. heit 'Art und Weise, Eigenschaft, Person, Stand'), einige Af­fixe aus entlehnten Affixen (z.B. -er von lat. -ari(us)), einige Affixe sind noch als Entlehnungen erkennbar (z.B. -abel zu franz. -able). Einheiten, die diachron betrachtet möglicherweise auf dem Wege von Wörtern zu Affixen sind, werden mitunter als Affixoide oder Halbaffixe bezeichnet (z.B. frei in atomfreie Zone). Der Affixoidbegriff wird jedoch in der neueren For­schungsliteratur überwiegend als unnötig angesehen.

Das Inventar der Wortbildungsmorpheme ist umfangreich und starken Verände­rungen ausgesetzt. Seine Vermehrung erfolgt auf verschiedene Weise: durch direkte Entlehnungen (aus dem Französischen -ei, -ier(en); aus dem Lateinischen -is-mus, -ist), durch Morphematisierung fremdsprachiger Elemente (inter-). Bei zahlreichen heute eindeutig als Affix identi­fizierbaren Morphemen ist die Entwicklung aus Grundmorphemen seit dem Althochdeutschen nachvollziehbar, z. B. bei -schaft (aus ahd. scaf ‚Beschaffenheit'), -tum (aus ahd. tuom ,Urteil'), -haft (aus ahd. haft ,behaftet, gebunden'), -lich (aus ahd. lih ,Körper').

Als gegenläufige Tendenz zur Vermehrung des Affixbestandes ist das Un­tergehen von Affixen zu betrachten, z. B. durch das Verschmelzen von Affix und Wortbildungsbasis, in dessen Folge die fraglichen Gebilde synchron al­lerdings noch als Wortbildungstyp zu erkennen sind wie Gebärde aus mhd. gebären ,sich benehmen, verfahren', Begierde aus begehren mit Suffix -de oder Bucht aus biegen, Zucht aus ziehen mit Suffix -t. Völlig verschwunden ist der Konstruktionscharakter von Wörtern Zaum zu ziehen, bei denen das idg. Suffix -mo heute zum Grundmorphem gehört.



Affixmerkmale

Affixe verfügen über folgende Eigenschaften:

1) Affixe sind reihenbildend. Unter Reihenbildung ist das wiederholte Vor­kommen des Affixes in Wortbildungskonstruktionen ein und desselben Modells zu verstehen, vgl. -bar in eß-, hör-, mach-, waschbar.

2) Im Vergleich zu Grundmorphemen haben Affixe eine abstraktere Bedeu­tung. Formgleiche Morpheme sind Homonyme, vgl. Bar / -bar.

3) Affixe kommen nur gebunden vor und sind in Bezug auf die Basis posi­tionsfest.

4) Affixe sind nicht basisfähig.

5) Affixe sind meist einsilbig. Sie bestehen aus einem Vokal und einem oder mehreren Konsonanten, vgl. be-, -in, -lein; aber: -mäßig.

6) Affixe unterliegen in der Verbindung mit Wörtern bzw. Grundmorphe­men bestimmten Distributionsbeschränkungen. Sie verbinden sich nicht mit allen Wortarten und innerhalb einer Wortart nur mit bestimmten Subklassen. Das Suffix -bar tritt z. B. nicht an durative intransitive und auch nicht an reflexive Verben.

7) Vokalisch anlautende Suffixe werden in der Regel mit einem konso­nantischen Basisauslaut zu einer Silbe gebunden, so dass Morphem- und Sil­bengrenze einander nicht entsprechen. Bei Kompositionsgliedern stimmen auch bei vokalischem Anlaut Morphem- und Silbengrenze überein, vgl. Mal­er / Ma-ler gegenüber Hühner-ei.

8) Affixe werden entweder vor einer Basis, nach einer Basis oder um eine Basis herum positioniert: Affixe vor einer Basis heißen Präfixe (z.B. un-, ur- und er- in Unglück, urgemütlich, erblühen). Affixe nach einer Basis heißen Suf­fixe (z.B. -heit, -lich, -abel und -ig(en) in Schönheit, glücklich, diskutabel, festigen). Affixe um eine Basis herum heißen Zirkumfixe (z.B. ge-...-e in Gerede). Mit der unterschiedlichen Posi­tion sind weitere wesentliche Unterschiede zwischen Präfix und Suffix ver­bunden.

 

2.3.3. Das Präfix

Präfixe (zu lat. praefigere 'vorn anheften') werden morphologisch definiert als gebundene Einheiten, die stets vor einer Basis positioniert sind (z.B. mi­ni-, ur- und ver- in Minigarten, urgemütlich, vergolden). Präfixe verbinden sich mit Nomina (z.B. Megaparty, Misston, Untat), Adjektiven (z.B. hyper­nervös, missverständlich, unklug) und Verben (z.B. begeistern, destabilisie­ren, entzaubern, erhoffen, verspielen).

Präfixe bestehen überwiegend aus einer Silbe (Ausnahmen sind vor allem Lehnpräfixe wie hyper-, mega-, mini-) und sind entweder betont oder un­betont.

Bei der Präfigierung von Nomina und Adjektiven spielen die Präfixe syn­taktisch - im Gegensatz zu den Suffixen und Zirkumfixen - keine Rolle: Während Suffixe und Zirkumfixe als zweite Einheiten grundsätzlich alle grammatischen Merkmale eines Derivats bestimmen - so legt das Suffix -heit fest, dass das mit ihm abgeleitete Derivat ein feminines Nomen ist (z.B. Schönheit), das Zirkumfix ge-...-e legt fest, dass das mit ihm abgeleitete Derivat ein neutrales Nomen ist (z.B. das Gerede) - können Präfixe in No­men- und Adjektivderivaten das nicht: In Untat und unklug bestimmt jeweils das Wort die grammatische Kategorie. Dagegen legen die Präfixe denominaler und deadjektivischer Verbderivate (z.B. vergolden, verarmen) alle grammatischen Merkmale fest. Die zentralen einheimischen Präfixe, die Verben aus Nomina oder Adjektiven ableiten, nämlich be-, ent-, er-, ver- und zer- (z.B. in betäuben, entkernen, erdolchen, vergüten, zerscherben), werden ausschließlich zur Verbderivation verwendet.

Im Gegensatz zu Suffixen können einige Präfixe vervielfacht werden, z.B. unsere Vor-Vorfahren, meine Urururururenkel. Besonders bei hervorhebenden Präfixen sind außerdem weitere Hervorhebun­gen möglich, z.B. megaultrahyperschlau.

Nicht zu den Präfixen rechnet man die Ersteinheiten in Wortbil­dungsprodukten wie abstehen, ansehen, vorgehen. Verben dieses Typs sind Präverbfügungen, d.h. als Fügungen aus einem Verb, z.B. stehen, und einer Präpositon in der Funktion eines Präverbs, z.B. ab. Präverbfügungen bestehen aus syntaktisch mobilen Einheiten, z.B. in ihre Oh­ren stehen, wenn ich das mal so uncharmant direkt sagen darf, ziemlich weit ab.

Ungefähre Frequenzanteile deutscher Präfixe (in einem Korpus von etwa 2 Mio. Textwörtern): ver- 35%, be- 24%, un- 17%, er- 13%, ent- 9%, zer- 2%.

Das Suffix

Suffixe (zu lat. suffigere 'hinten anheften') werden morphologisch definiert als gebundene Einheiten, die stets hinter einer Basis positioniert sind, z.B. -heit, -lich und -ig(en) in Schönheit, glücklich, festigen. Mit Suffixen werden Nomina gebildet (z.B. Schönheit, Sensibelchen), Adjektive (z.B. akzeptabel, herzlich), Verben (z.B. festigen, konkurrieren) und andere Wortarten (z.B. talwärts).

Suffixe bestimmen als zweite Einheiten grundsätzlich die grammatischen Merkmale des Derivats: So legt das Suffix -heit fest, dass das Derivat „Schönheit“ ein feminines Nomen ist; das Suffix -lich – dass das Deri­vat „erfreulich“ ein Adjektiv ist; das Suffix -ier(en) – dass das Derivat „kontaktieren“ ein Verb ist.

Einige Suffixe wie -chen bewirken systematisch eine Stammvokaländerung (z.B. Gärtchen, Hütchen).

Viele Suffixketten kommen aus unterschiedlichen Gründen nicht vor. Möglich ist beispielsweise die Kette -heit-lich-keit, sie wird aber selten genutzt. Häufiger ist die Dreierkette in Konvert-ier-bar-keit. Hingegen sind Zweierketten frequent, und zwar mit und ohne Kategorienwechsel. Vier Suffixe haben wir in million-är-inn-en-haft, fünf Affixe in un-ration-äl-is-ier-bar und Re-de-sensi-bil-isier-ung. Die Reihenfolge ist fast immer fest. Wir können auch positionelle Neigungen von Suf­fixen feststellen. So haben -keit und -ung klare Rechtstendenz, wenn sie auch nicht rechtsabschließend sind: obrigkeitlich.

Ungefähre Frequenzanteile deutscher Suffixe (in einem Korpus von etwa 2 Mio. Textwörtern): -er 21%, -ung 20%, -ig 5%, -keit 3%, -isch 3%, -chen 3%.

Das Affixoid

Affixoide sind Morpheme, die einmal als freies Wort, zum anderen desemantisiert als reihenbildendes Element auftreten und so den Charakter eines Affixes annehmen, wie Mann und -mann (mein Mann und Kaufmann, Feuerwehrmann; frei und -frei (er ist frei von X und keimfrei).

Dass sich aus Wörtern Affixe entwickeln, ist ein nicht unge­wöhnliches Phänomen in der deutschen Sprachgeschichte: So ist z.B. das nominale Suffix -heit aus mhd. heit 'Art und Weise, Beschaffenheit, Eigenschaft, Person' entstanden. Der Affixoidgedanke beruht im Wesentlichen auf der synchronen Beobachtung, dass einige Wortbildungseinheiten (z.B. frei in atomwaffenfrei oder Werk in Astwerk, Buschwerk, Laubwerk) stärker eigensemantisch sind, als das Wortbildungsaffixen sonst zugestanden wird; daher sollen sie einerseits Wortstatus haben. Andererseits sollen sie ihrer - vermeintlichen - Gebundenheit wegen aber auch wieder nicht als Wörter gelten, sondern Affixstatus haben. Um diesem Dilem­ma zwischen Wort- und Affixstatus zu entgehen, wurde in der Forschungsliteratur eine Zwischenkategorie Affixoid konstruiert, die alle Einheiten aufnehmen sollte, die man nicht ganz den Wörtern, aber auch nicht ganz den Affixen zuordnen wollte.

Fleischer (1983) schränkt den Kreis der Halbaffixe (Affixoide) auf diejenigen Einheiten ein, in denen die freie Verwendung des Morphems noch üblich ist und sieht den Übergang unter vorwiegend diachronischem Aspekt. So möchte er -werk, -los als Suffixe einordnen, da ihnen kein freies Morphem (mit gleicher Bedeutung) entspricht. Ein Teil jener Elemente, die häufig als Halbaffixe betrachtet werden, fungieren ganz eindeutig als Affixe und sind nur noch formativisch den freien Morphemen (Wörtern) gleich. Man sollte hier von Homonymie sprechen: los - loslaufen, losstürmen - freudlos, gedankenlos; Uhrwerk, Werkstatt - Schuhwerk, Zuckerwerk.

Der Übergang vom Kompositionsglied zum Ableitungssuffix vollzieht sich allmählich. Es gibt in vielen Fällen eine breite Übergangszone, in der eine eindeutige Zuordnung eines Elements zum Ableitungssuffix oder zum Kompositionsglied schwierig ist.

Es werden vier Kriterien genannt, nach denen Ableitungssuffixe von Kompositionsgliedern zu unterscheiden sind:

1. Wenn die zweite unmittelbare Konstituente im starken Maße reihenbildend ist, liegt ein Ableitungssuffix vor, wie: interessanterweise, glücklicherweise, überraschenderweise.

2. Wenn die Bedeutung der zweiten unmittelbaren Konstituente gegenüber der Bedeutung des freien Morphems stärker verallgemeinert, weitgehend entkonkretisiert ist, liegt ein Ableitungs­suffix vor, wie: heiratsfähig, lebensfähig, transportfähig. Die Bedeutung von -fähig wurde im Vergleich zum freien Morphem auf das Sem 'geeignet' re­duziert.

3. Im Bedeutungsverhältnis der beiden Konstituenten tritt eine Verschiebung ein, wie: Laufwerk, Pflanzenwerk, Uhrwerk. Hier trägt die erste Konstituente den semantischen Kern, im Kompositum Autowerk ist Auto eindeutig Bestimmungswort zum Grundwort. Die zweite unmittelbare Konstituente übernimmt wie Affixe stärker die Funktion der Einordnung in eine semantische Kategorie: ein Feuerwehrmann kann auch eine Frau sein, -mann könnte ersetzt werden durch -er: *Feuerwehrer.

4. Wenn ein Ableitungssuffix und ein gleichlautendes freies Morphem auftreten, besteht die Tendenz zur Einschränkung des freien Gebrauchs, d.h., die Tendenz zur Beseitigung der Homonymie, wie bei Zeug in der Bedeutung 'gewebte Stoffe, Gegenstände, dagegen bleibt -zeug als Suffix erhalten: Nähzeug, Strickzeug, Schreibzeug.

Solche Konstituenten, die als freie Morpheme vorkommen, aber auch gewisse Eigenschaften von Suffixen besitzen, werden als Halbsuffixe oder Suffixoide bezeichnet. Eine Tendenz zur Suffigierung lassen unter anderem folgende Wörter erkennen: voll, schwer, arm, leer - gedankenvoll, bedeutungsschwer, geräuscharm, luftleer.

Die gleiche Erscheinung tritt bei Präfixen auf. Sie werden als Halbpräfixe oder Präfixoide bezeichnet. Präfixoide in der Gegenwartssprache sind vor allem Vergrößerungsbildungen: Bombenerfolg, Superangebot, hochmodern.

Das Zirkumfix

Zirkumfixe (zu lat. circumfigere 'ringsum umwickeln') werden morpholo­gisch definiert als gebundene Einheiten, die stets um eine Basis herum posi­tioniert sind, z.B. ge-...-e in Gerede. Mit Zirkumfixen werden Nomina (z.B. Gerede), Adjektive (z.B. gefügig) und Verben gebildet (z.B. besänftigen).

In der Forschungsliteratur ist umstritten, ob diese Einheiten als Kombination aus Präfix und Suffix (Polenz 1980, Fleischer/ Barz 1995) oder als gesonderte Affixart analysiert werden sollen:

Nach der Kombinationshypothese werden Wortbildungsprodukte wie Gerede als dreiteilige Strukturen aus einem Präfix (ge-), einer Basis (red-) und einem Suffix (-e) verstanden: Ge(l)-red(2)-e(3).

Nach der Zirkumfixhypothese werden Zirkumfixe als ein Affix ange­sehen: Ge(l)-red(2)-e(l).

 


Date: 2015-12-17; view: 1170


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