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Verhältnismäßigkeit

Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit hat eine entscheidende Bedeutung für die Frage, in welchem Maße Grundrechte eingeschränkt werden dürfen. Wann ist ein Eingriff in ein Grundrecht verhältnismäßig? Der Wortsinn lässt ahnen, dass es bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit darum geht, etwas ins Verhältnis zu setzen, nämlich einerseits das Grundrecht und andererseits die Gründe, aus denen es eingeschränkt werden soll. Aber Achtung: Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit bedeutet nicht, dass das Grundrecht und das Gewicht der Gründe, die für seine Einschränkung angeführt werden, schlicht bewertet werden. Die Prüfung erfolgt vielmehr in mehreren Stufen:

Zunächst ist das Eingriffsmittel auf seine „Geeignetheit“ zu prüfen. Geeignet ist ein Mittel dann, wenn der gewünschte Erfolg mit seiner Hilfe erreicht werden kann. Dabei muss nicht das am Besten geeignete Mittel gewählt werden, es genügt, dass es den erstrebten Erfolg fördert.

Beispiel: Die Überwachung von Post- und Fernmeldeverbindungen ermöglicht die Sammlung von Nachrichten, die Hinweise auf die Gefahr eines bewaffneten Angriffs auf die Bundesrepublik Deutschland geben können. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass es nicht darauf ankommt, ob durch die Maßnahme relevante Erkenntnisse gewonnen werden. Es genüge, dass Letzteres nicht auszuschließen sei.

Ist das gewählte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet, ist in einem zweiten Schritt die Erforderlichkeit zu prüfen. Hier stellt sich die Frage, ob das angestrebte Ziel nicht auch durch einen weniger intensiven Eingriff in das betroffene Grundrecht erreicht werden kann, der allerdings gleichermaßen geeignet sein muss.

Beispiel: Das Bundesjagdgesetz verlangte für die Falknerjagd den Nachweis waffentechnischer Kenntnisse und Fähigkeiten. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass diese Anforderung nicht erforderlich sei, um das gesetzgeberische Ziel, die Bestandserhaltung der für die Falknerei in Betracht kommenden Federwildarten, zu erreichen. Es könnten zwar erhöhte Anforderungen an die Befähigung zum Falkner gestellt werden. Da die Besonderheit der Falknerjagd aber gerade darin bestehe, dass sie ohne Schusswaffe ausgeübt werde, bestehe keine Erforderlichkeit für waffentechnische Kenntnisse oder Fähigkeiten.

Auf der letzten Stufe wird die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne geprüft. Hier erfolgt eine Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der rechtfertigenden Gründe. Es werden die Belange des Gemeinwohls, die zur Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs angeführt werden, abgewogen gegen die Auswirkungen des Eingriffs auf die Grundrechte des Betroffenen.

Beispiel: Im so genannten Lebach-Urteil hatte das Bundesverfassungsgericht darüber zu entscheiden, ob die Ausstrahlung eines Dokumentarspiels über einen spektakulären Mordfall gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines der Täter verstieß. In dem Fernsehspiel wurde der Betreffende als Person erkennbar dargestellt. Er stand zum Zeitpunkt der geplanten Ausstrahlung nach Verbüßung der Haft unmittelbar vor der Entlassung. Das Bundesverfassungsgericht nahm eine Abwägung der von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interessen der Rundfunkanstalt mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Täters vor. Keiner der beiden Verfassungswerte könne einen grundsätzlichen Vorrang beanspruchen, es sei im Einzelfall die Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht gegen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit abzuwägen. Zwar verdiene für die aktuelle Berichterstattung über schwere Straftaten das Informationsinteresse grundsätzlich Vorrang. Der verfassungsrechtliche Schutz der Persönlichkeit lasse es jedoch nicht zu, dass das Fernsehen sich über die aktuelle Berichterstattung hinaus zeitlich unbeschränkt mit der Person des Straftäters und seiner Privatsphäre befasse. Eine spätere Berichterstattung sei jedenfalls unzulässig, wenn sie eine neue erhebliche Beeinträchtigung des Täters bewirke und insbesondere seine Resozialisierung gefährde.



Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist zugleich die schwierigste und auch „politischste“ Stufe der Prüfung, da hier gerade die Möglichkeit besteht, unterschiedliche Wertungen und Gewichtungen zur Geltung zu bringen. So wird beispielsweise manchen Bürgerinnen und Bürgern die Sicherheit vor Straftätern oder Terroristen wichtiger sein als der Datenschutz, andere werden es genau umgekehrt sehen. Umso wichtiger sind die vorgenannten beiden Stufen der Geeignetheit und der Erforderlichkeit, die eine Prüfung anhand sehr viel härterer Kriterien ermöglichen und damit auch verlässlichere Ergebnisse zeitigen.


Date: 2015-12-17; view: 983


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