Home Random Page


CATEGORIES:

BiologyChemistryConstructionCultureEcologyEconomyElectronicsFinanceGeographyHistoryInformaticsLawMathematicsMechanicsMedicineOtherPedagogyPhilosophyPhysicsPolicyPsychologySociologySportTourism






Der Spiegel Nerhegeb 5 page

Der Schmerz in Harrys Kopf war so stark, dass er auf die Knie fiel. Nach ein oder zwei Minuten war er vorüber. Als er aufsah, war die Gestalt verschwunden. Ein Zentaur stand über ihm, nicht Ronan oder Bane; dieser sah jünger aus; er hatte weißblondes Haar und den Körper eines Palominos.

»Geht es Ihnen gut?«, fragte der Zentaur und half Harry auf die Beine.

»ja - danke - was war das?«

Der Zentaur antwortete nicht. Er hatte eindrucksvoll blaue Augen, wie blasse Saphire. Er musterte Harry sorg-

 


 

 

fältig, und seine Augen verweilten auf der Narbe, die sich nun bläulich von Harrys Stirn abhob.

»Sie sind der junge Potter«, sagte er. »Besser, Sie gehen zurück zu Hagrid. Der Wald ist nicht sicher - besonders für Sie. Können Sie reiten? Dann geht es schneller.

»Mein Name ist Firenze«, fügte er hinzu und ließ sich auf die Vorderbeine sinken, damit Harry ihm auf den Rücken klettern konnte.

Plötzlich hörte Harry von der anderen Seite der Lichtung noch mehr galoppierende Hufe. Mit wogenden, schweißnassen Flanken brachen Ronan und Bane durch die Bäume.

»Firenze!«, donnerte Bane, »was tust du da? Du hast einen Menschen auf dem Rücken! Kennst du keine Scham? Bist du ein gewöhnliches Maultier?«

»Ist dir klar, wer das ist?«, entgegnete Firenze. »Das ist der junge Potter. Je schneller er den Wald verlässt, desto besser.«

»Was hast du ihm erzählt«, brummte Bane. »Ich muss dich nicht daran erinnern, Firenze, wir haben einen Eid abgelegt, uns nicht gegen den Himmel zu stellen. Haben wir nicht in den Bewegungen der Planeten gelesen, was kommen wird?«

Ronan scharrte nervös mit den Hufen.

»Ich bin sicher, Firenze hat nur das Beste im Sinn gehabt«, sagte er in seiner düsteren Stimme.

Bane schlug wütend mit den Hinterbeinen aus.

»Das Beste! Was hat das mit uns zu tun? Zentauren küm- mern sich um das, was in den Sternen steht! Es ist nicht unsere Aufgabe, wie Esel herumstreunenden Menschen nachzulaufen!«

Firenze stellte sich plötzlich zornig auf die Hinterbeine, so dass Harry sich an seine Schultern festklammern musste, um nicht abzurutschen.

 


 

 

»Siehst du nicht dieses Einhorn?«, brüllte Firenze Bane an.

»Verstehst du nicht, warum es getötet wurde? Oder haben die Planeten dir dieses Geheimnis nicht verraten? Ich stelle mich gegen das, was in diesem Wald lauert, ja, Bane, mit Menschen an meiner Seite, wenn es sein muss.«

Und Firenze wirbelte herum; Harry klammerte sich an ihn, so gut er konnte, und sie stürzten sich zwischen die Bäume, Ronan und Bane hinter sich lassend.

Harry hatte keine Ahnung, was da vor sich ging.

»Warum ist Bane so wütend?«, fragte er. »Was war ei- gentlich dieses Wesen, vor dem du mich gerettet hast?«

Firenze ging nun im Schritt und ermahnte Harry, wegen der tiefen Äste den Kopf gesenkt zu halten, doch er antwortete nicht auf seine Fragen. Ohne ein Wort zu sagen schlugen sie sich durch die Bäume, so lange schweigend, dass Harry dachte, Firenze wolle nicht mehr mit ihm sprechen. Sie drangen nun jedoch durch ein besonders dichtes Stück Wald und Firenze hielt plötzlich inne.



»Harry Potter, wissen Sie, wozu Einhornblut gebraucht wird?«

»Nein«, sagte Harry, verdutzt über die seltsame Frage. »Wir haben für Zaubertränke nur das Horn und die Schweifhaare benutzt.«

»Das ist so, weil es etwas Grauenhaftes ist, ein Einhorn abzuschlachten«, sagte Firenze. »Nur jemand, der nichts zu verlieren und alles zu gewinnen hat, könnte ein solches Verbrechen begehen. Das Blut eines Einhorns wird ihn am Leben halten, selbst wenn er nur eine Handbreit vom Tod entfernt ist - doch zu einem schrecklichen Preis. Er hat etwas Reines und Schutzloses gemeuchelt, um sich selbst zu retten, aber nun hat er nur noch ein halbes Leben, ein verfluchtes, von dem Augenblick an, da das Blut seine Lippen berührt.«

 


 

 

Harry blickte starr auf Firenzes Hinterkopf, der im Mondlicht silbern gesprenkelt war.

»Aber wer könnte so verzweifelt sein?«, fragte er sich laut.

»Wenn man für immer verflucht ist, dann ist der Tod doch besser, oder?«

»Das ist wahr«, stimmte Firenze zu, »außer wenn man nur lange genug leben muss, um noch etwas anderes zu trinken - etwas, das einem alle Stärke und Macht zurückbringt - etwas, das bewirkt, dass man nie sterben wird. Mr. Potter, wissen Sie, was in diesem Augenblick in der Schule versteckt ist?«

»Der Stein der Weisen! Natürlich - das Lebenselixier! Aber ich verstehe nicht, wer -«

»Können Sie sich niemanden denken, der seit Jahren darauf wartet, an die Macht zurückzukehren, der sich ans Leben klammert und auf seine Chance lauert?«

Es war, als hätte sich plötzlich eine eiserne Faust um Harrys Herz geschlossen. Über dem Rascheln der Bäume schien er noch einmal zu hören, was Hagrid gesagt hatte in jener Nacht, da sie sich kennen gelernt hatten: »Manche sagen, er sei gestorben. Stuss, wenn du mich fragst. Weiß nicht, ob er noch genug Menschliches in sich hatte, um sterben zu können.«

»Meinen Sie«, sagte Harry mit krächzender Stimme, »das war Vol-«

»Harry! Harry, geht's dir gut?«

Hermine rannte den Pfad entlang auf sie zu, Hagrid keuchte hinter ihr her.

»Mir geht's gut«, sagte Harry, ohne recht zu wissen, was er sagte. »Das Einhorn ist tot, Hagrid, es liegt dort hinten auf der Lichtung.«

»Ich werde Sie nun verlassen«, murmelte Firenze, als Hagrid davoneilte, um das Einhorn zu untersuchen. »Sie sind jetzt sicher.«

 


 

 

Harry glitt von seinem Rücken herunter.

»Viel Glück, Harry Potter«, sagte Firenze. »Die Planeten wurden schon einige Male falsch gedeutet, selbst von Zentauren. Ich hoffe, diesmal ist es genauso.«

Er wandte sich um und verschwand in leichtem Galopp in den Tiefen des Waldes, einen zitternden Harry hinter sich zurücklassend.

 

Ron, der auf ihre Rückkehr hatte warten wollen, war im Gemeinschaftsraum eingenickt. Während Harry ihn unsanft wachrüttelte, rief er etwas über Quidditch-Fouls. Nach wenigen Augenblicken freilich war er hellwach, als Harry ihm und Hermine zu erzählen begann, was im Wald geschehen war.

Harry konnte nicht ruhig sitzen. Er schritt vor dem Feuer auf und ab. Noch immer zitterte er.

»Snape will den Stein für Voldemort ... und Voldemort wartet draußen im Wald ... und die ganze Zeit über haben wir geglaubt, Snape wolle nur reich werden ...«

»Hör auf, den Namen zu nennen!«, sagte Ron in einem angstdurchtränkten Flüstern, als glaubte er, Voldemort könnte sie belauschen.

Harry hörte ihn nicht.

»Firenze hat mich gerettet, aber er hätte es eigentlich nicht tun dürfen ... Bane war wütend deswegen ... er hat etwas gesagt von Einmischung in die Offenbarung der Planeten ... Sie müssen wohl zeigen, dass Voldemort zurückkommt ... Bane denkt, Firenze hätte Voldemort nicht daran hindern dürfen, mich zu töten ... Ich glaube, das steht auch in den Sternen.«

»Hörst du endlich auf, diesen Namen zu nennen!«, zischte Ron.

»Wir müssen also nur darauf warten, dass Snape den Stein stiehlt«, fuhr Harry in fieberhafter Aufregung fort,

 


 

 

»dann kann Voldemort kommen und mich erledigen ... Nun, ich denke, Bane würde glücklich darüber sein.«

Hermine sah verängstigt aus, doch sie hatte ein Wort des Trosts.

»Harry, alle sagen, Dumbledore sei der Einzige, vor dem Du-weißt-schon-wer je Angst hatte. Mit Dumbledore in der Nähe wird dich Du-weißt-schon-wer nicht anrühren. Und außerdem, wer sagt eigentlich, dass die Zentauren Recht haben? Das klingt für mich wie Wahrsagerei, und Professor McGonagall sagt, das sei ein sehr ungenauer Ableger der Zauberei.«

Der Himmel war schon hell, als ihr Gespräch verstummte. Erschöpft gingen sie zu Bett. Doch die Überraschungen der Nacht waren noch nicht vorbei.

Als Harry seine Bettdecke zurückzog, fand er darunter, fein säuberlich zusammengefaltet, seinen Tarnumhang. Ein Zettel war daran gepinnt:

 

Nur für den Fall ...

 


 

 


Date: 2015-12-11; view: 701


<== previous page | next page ==>
Der Spiegel Nerhegeb 4 page | Durch die Falltür
doclecture.net - lectures - 2014-2024 year. Copyright infringement or personal data (0.01 sec.)