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Der Spiegel Nerhegeb 3 page

Harry hatte den Schuppen erreicht. Er lehnte sich gegen


 

 

die Holztür und sah hoch zum Schloss, dessen Fenster in der untergehenden Sonne rot aufleuchteten. Gryffindor in Führung. Er hatte es geschafft, er hatte es Snape gezeigt ...

Wo er gerade an Snape dachte ...

Eine vermummte Gestalt eilte die Schlosstreppen herunter. Offenbar wollte sie nicht gesehen werden, denn raschen Schrittes ging sie in Richtung des verbotenen Waldes. Harry sah ihr nach, und sein eben errungener Sieg schwand ihm aus dem Kopf Er erkannte den raubtierhaften Gang dieser Gestalt: Snape, der sich in den verbotenen Wald stahl, während die andern beim Abendessen waren - was ging da vor?

Harry sprang auf seinen Nimbus Zweitausend und stieg empor. Still glitt er über das Schloss hinweg und sah Snape rennend im Wald verschwinden. Er folgte ihm.

Die Bäume standen so dicht, dass er nicht sehen konnte, wohin Snape gegangen war. Schleifen drehend ließ er sich weiter sinken. Erst als er die Baumwipfel berührte, hörte er Stimmen. Er schwebte in die Richtung, aus der sie kamen, und landete geräuschlos auf einer turmhohen Buche.

Vorsichtig kletterte er an einem ihrer Äste entlang, den Besen fest umklammernd, und versuchte durch die Blätter hindurch etwas zu erkennen.

Unten, auf einer schattendunklen Lichtung, stand Snape. Doch er war nicht allein. Neben ihm stand Quirrell. Harry konnte seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen, doch er stotterte schlimmer denn je. Harry spitzte die Ohren, um etwas von dem zu erhaschen, was sie sagten.

»... w-weiß nicht, warum Sie mich a-a-ausgerechnet hier treffen wollen, Severus ...«

»Oh, ich dachte, das bleibt unter uns«, sagte Snape mit eisiger Stimme. »Die Schüler sollen schließlich nichts vom Stein der Weisen erfahren.«

 


 

 

Harry lehnte sich weiter vor. Quirrell murmelte etwas. Snape unterbrach ihn.

»Haben Sie schon herausgefunden, wie Sie an diesem Untier von Hagrid vorbeikommen?«

»A-a-ber, Severus, ich -«

»Sie wollen mich doch nicht zum Feind haben, Quirrell«, sagte Snape und trat einen Schritt auf ihn zu.

»I-ich weiß nicht, w-was Sie -«

»Sie wissen genau, was ich meine.«

Beim lauten Schrei einer Eule fiel Harry fast aus dem Baum. Er brachte sich noch rechtzeitig ins Gleichgewicht, um zu hören, wie Snape sagte: »... Ihr kleines bisschen Hokuspokus. Ich warte.«

»A-aber i-ich -«

»Sehr schön«, unterbrach ihn Snape. »Wir sprechen uns bald wieder, wenn Sie Zeit hatten, sich die Dinge zu überlegen, und sich im Klaren sind, wem Sie verpflichtet sind.«

Er warf sich die Kapuze über den Kopf und entfernte sich von der Lichtung. Es war jetzt fast dunkel, doch Harry konnte Quirrell sehen, der so unbeweglich dastand, als sei er versteinert.

 

»Harry, wo hast du gesteckt?«, keifte Hermine.

»Wir haben gewonnen! Du hast gewonnen! Wir haben gewonnen!«, rief Ron und klatschte Harry auf den Rücken. »Und ich hab Malfoy ein blaues Auge verpasst und Neville hat versucht, es allein mit Crabbe und Goyle aufzunehmen. Er ist immer noch bewusstlos, aber Madam Pomfrey sagt, es wird schon wieder - redet die ganze Zeit davon, es Slytherin zu zeigen! Im Gemeinschaftsraum warten alle auf dich - wir machen ein Fest, Fred und George haben ein bisschen Kuchen und was zu trinken aus der Küche organisiert.«




 

 

»Das ist jetzt nicht so wichtig«, sagte Harry außer Atem.

»Suchen wir uns erst mal ein Zimmer, wo wir allein sind, und dann wartet ab, was ich euch erzähle ...«

Er sah erst nach, ob Peeves drin war, bevor er die Tür hinter ihnen schloss, und dann erzählte er ihnen, was er gesehen und gehört hatte.

»Also hatten wir Recht, es ist der Stein der Weisen, und Snape versucht Quirrell zu zwingen, ihm zu helfen. Er hat ihn gefragt, ob er wüsste, wie er an Fluffy vorbeikommen kann - und er hat etwas über Quirrells >Hokuspokus< gesagt - ich wette, es gibt noch mehr außer Fluffy, was den Stein bewacht, eine Menge Zaubersprüche wahrscheinlich, und Quirrell wird einige Gegenflüche zum Schutz gegen die schwarze Magie ausgesprochen haben, die Snape durchbrechen muss.«

»Du meinst also, der Stein ist nur sicher, solange Snape Quirrell nicht das Rückgrat bricht?«, fragte Hermine bestürzt.

»Nächsten Dienstag ist er weg«, meinte Ron.

 


 

 

Norbert,

der Norwegische Stachelbuckel

 

Quirrell musste freilich mutiger sein, als sie dachten. In den folgenden Wochen schien er zwar blasser und dünner zu werden, doch es sah nicht danach aus, als ob ihm Snape schon das Rückgrat gebrochen hätte.

jedes Mal, wenn sie an dem Korridor im dritten Stock vorbeigingen, drückten Harry, Ron und Hermine die Ohren an die Tür, um zu hören, ob Fluffy dahinter noch knurrte. Snape huschte in seiner üblichen schlechten Laune umher, was sicher bedeutete, dass der Stein noch dort lag, wo er hingehörte. Immer wenn Harry in diesen Tagen an Quirrell vorbeikam, schenkte er ihm ein Lächeln, das ihn aufmuntern sollte, und Ron hatte angefangen die andern dafür zu tadeln, wenn sie bei Quirrells Stottern lachten.

Hermine jedoch hatte mehr im Kopf als den Stein der Weisen. Sie hatte begonnen einen Zeitplan für die Wiederholung des Unterrichtsstoffes aufzustellen und ihre gesamten Notizen mit verschiedenen Farben angestrichen. Harry und Ron hätten sich nicht darum gekümmert, doch sie lag ihnen ständig damit in den Ohren.

»Hermine, es ist noch eine Ewigkeit bis zu den Prüfungen.«

»Zehn Wochen«, meinte sie barsch. »Das ist keine Ewigkeit, das ist für Nicolas Flamel nur eine Sekunde.«

»Aber wir sind nicht sechshundert Jahre alt«, erinnerte


 

 

sie Ron. »Und außerdem, wozu wiederholst du den Stoff eigentlich, du weißt doch ohnehin alles.«

»Wozu ich wiederhole? Seid ihr verrückt? Euch ist doch klar, dass wir diese Prüfungen schaffen müssen, um ins zweite Schuljahr zu kommen? Sie sind sehr wichtig, ich hätte schon vor einem Monat anfangen sollen zu büffeln, ich weiß nicht, was in mich gefahren ist ...«

Unglücklicherweise schienen die Lehrer ganz genauso zu denken wie Hermine. Sie halsten ihnen eine Unmenge von Hausaufgaben auf, so dass sie in den Osterferien nicht annähernd so viel Spaß hatten wie noch in den Weihnachtsferien. Wenn Hermine neben ihnen die zwölf Anwendungen von Drachenblut aufzählte oder Bewegungen mit dem Zauberstab übte, konnten sie sich kaum entspannen. Harry und Ron verbrachten den größten Teil ihrer freien Zeit stöhnend und gähnend mit Hermine in der Bibliothek und versuchten mit ihren vielen zusätzlichen Hausaufgaben fertig zu werden.

»Das kann ich mir nie merken«, platzte Ron eines Nach- mittags los, warf seine Feder auf den Tisch und ließ den Blick sehnsüchtig aus dem Fenster der Bibliothek schweifen. Seit Monaten war dies der erste wirklich schöne Tag. Der Himmel war klar und vergissmeinnichtblau und in der Luft lag ein Hauch des kommenden Sommers.

Harry, der in Tausend Zauberkräutern und -pilzen nach

»Diptam« suchte, sah erst auf, als er Ron sagen hörte: »Hagrid, was machst du denn in der Bibliothek?«

Hagrid, der in seinem Biberfellmantel hier recht fehl am Platze wirkte, schlurfte zu ihnen herüber. Hinter dem Rücken hielt er etwas versteckt.

»Nur mal schauen«, sagte er mit unsicherer Stimme, die sogleich ihre Neugier erregte. »Und wonach schaut ihr denn?« Plötzlich sah er sie misstrauisch an. »Nicht etwa immer noch nach Nicolas Flamel?«

 


 

 

»Ach was, das haben wir schon ewig lange rausgefunden«, sagte Ron wichtigtuerisch, »und wir wissen auch, was dieser Hund bewacht, es ist der Stein der W-«

»Schhhh!«, Hagrid sah rasch nach links und rechts, ob je- mand lauschte. »Schreit das doch nicht so herum, was ist denn los mit euch?«

»Wir wollten dich tatsächlich ein paar Dinge fragen«, sagte Harry, »nämlich was außer Fluffy noch dazu da ist, diesen Stein zu bewachen -«

»SCHHHH!«, zischte Hagrid wieder. »Hört mal, kommt später rüber zu mir, ich versprech euch zwar nicht, dass ich irgendwas erzähle, aber quasselt bloß nicht hier drin rum, die Schüler sollen's nämlich nicht wissen. Nachher heißt's noch, ich hätt's euch

gesagt -«

»Bis später dann«, sagte Harry. Hagrid schlurfte davon.

»Was hat er hinter dem Rücken versteckt?«, sagte Hermine nachdenklich.

»Glaubt ihr, es hat was mit dem Stein zu tun?«

»Ich seh mal nach, in welcher Abteilung er war«, sagte Ron, der vom Arbeiten genug hatte. Eine Minute später kam er mit einem Stapel Bücher in den Armen zurück und ließ sie auf den Tisch knallen.

»Drachen!«, flüsterte er. »Hagrid hat nach Büchern über Drachen gesucht! Seht mal: Drachenarten Großbritanniens und Irlands; Vom Ei zum Inferno: Ein Handbuch für Drachen- halter.«

»Hagrid wollte immer einen Drachen haben, das hat er mir schon gesagt, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind«, sagte Harry.

»Aber das ist gegen unsere Gesetze«, sagte Ron. »Der Zaubererkonvent von 1709 hat die Drachenzucht verboten, das weiß doch jedes Kind. Die Muggel merken es doch

 


 

 

gleich, wenn wir Drachen im Garten hinter dem Haus halten - außerdem kann man Drachen nicht zähmen, es ist zu gefährlich. Du solltest mal sehen, wie sich Charlie bei den wilden Drachen in Rumänien verbrannt hat.«

»Aber es gibt doch keine wilden Drachen in Großbritan- nien?«, fragte Harry.

»Natürlich gibt es welche«, sagte Ron. »Den Gemeinen Walisischen Gründrachen und den Hebridischen Schwarz- drachen. Das Zaubereiministerium hat alle Hände voll zu tun, das zu vertuschen, kann ich euch sagen. Unsere Leute müssen die Muggel, die welche gesehen haben, ständig mit Zaubersprüchen verhexen, damit sie es wieder vergessen.«

»Und was in aller Welt hat dann Hagrid vor?«, sagte Hermine.

 

Als sie eine Stunde später vor der Hütte des Wildhüters standen und an die Tür klopften, bemerkten sie überrascht, dass alle Vorhänge zugezogen waren. Hagrid rief»Wer da?«, bevor er sie einließ und rasch die Tür hinter ihnen schloss.

Drinnen war es unerträglich heiß. Obwohl es draußen warm war, loderte ein Feuer im Kamin. Hagrid machte ihnen Tee und bot ihnen Wiesel-Sandwiches an, die sie ablehnten.

»Nun, ihr wolltet mich was fragen?«

>Ja«, sagte Harry. Es machte keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden. »Wir haben uns gefragt, ob du uns sagen kannst, was den Stein der Weisen außer Fluffy sonst noch schützt.«

Hagrid sah ihn missmutig an.

»Kann ich natürlich nicht«, sagte er. »Erstens weiß ich es selbst nicht. Zweitens wisst ihr schon zu viel, und deshalb würd ich nichts sagen, selbst wenn ich könnte. Der Stein ist

 


 

 

aus einem guten Grund hier. Aus Gringotts ist er fast gestohlen worden - ich nehm an, das habt ihr auch schon rausgefunden? Das haut mich allerdings um, dass ihr sogar von Fluffy wisst.«

»Ach, hör mal, Hagrid, du willst es uns vielleicht nicht sagen, aber du weißt es, du weißt alles, was hier vor sich geht«, sagte Hermine mit warmer, schmeichelnder Stimme. Hagrids Bart zuckte und sie konnten erkennen, dass er lächelte. »Wir fragen uns nur, wer für die Bewachung verantwortlich war.« Hermine drängte weiter. »Wir fragen uns, wem Dumbledore genug Vertrauen entgegenbringt, um ihn um Hilfe zu bitten, abgesehen natürlich von dir.«

Bei ihren letzten Worten schwoll Hagrids Brust an. Harry und Ron strahlten zu Hermine hinüber.

»Nun gut, ich denk nicht, dass es schadet, wenn ich euch das erzähl ... lasst mal sehen ... er hat sich Fluffy von mir

geliehen ... dann haben ein paar von den Lehrern Zau- berbanne drübergelegt. ... Professor Sprout, Professor Flitwick, Professor McGonagall«, er zählte sie an den Fingern ab,

»Professor Quirrell, und Dumbledore selbst hat natürlich auch was unternommen. Wartet mal, ich hab jemanden vergessen. Ach ja, Professor Snape.«

»Snape?«

>Ja, ihr seid doch nicht etwa immer noch hinter dem her? Seht mal, Snape hat geholfen, den Stein zu schützen, da wird er ihn doch nicht stehlen wollen.«

Harry wusste, dass Ron und Hermine dasselbe dachten wie er. Wenn Snape dabei gewesen war, als sie den Stein mit den Zauberbannen umgaben, musste es ein Leichtes für ihn gewesen sein herauszufinden, wie die andern ihn geschützt hatten. Wahrscheinlich wusste er alles, außer, wie es schien, wie er Quirrells Zauberbann brechen und an Fluffy vorbeikommen sollte.

 


 

 

»Du bist der Einzige, der weiß, wie man an Fluffy vorbeikommt, nicht wahr, Hagrid?«, fragte Harry begierig. »Und du würdest es niemandem erzählen, oder, nicht mal einem der Lehrer?«

»Kein Mensch weiß es außer mir und Dumbledore«, sagte Hagrid stolz.

»Nun, das ist schon mal was«, murmelte Harry den andern zu. »Hagrid, könnten wir ein Fenster aufmachen? Ich komme um vor Hitze.«

»Geht nicht, Harry, tut mir Leid«, sagte Hagrid. Harry sah, wie er einen Blick zum Feuer warf. Auch Harry sah hinüber.

»Hagrid - was ist das denn?«

Doch er wusste schon, was es war. Unter dem Kessel, im Herzen des Feuers, lag ein riesiges schwarzes Ei.

»Ähem«, brummte Hagrid und fummelte nervös an seinem Bart. »Das ... ähm ...«

»Wo hast du es her, Hagrid?«, sagte Ron und beugte sich über das Feuer, um sich das Ei näher anzusehen. »Es muss dich ein Vermögen gekostet haben.«

»Hab's gewonnen«, sagte Hagrid. »Letzte Nacht. War unten im Dorf, hab mir ein oder zwei Gläschen genehmigt und mit 'nem Fremden ein wenig Karten gezockt. Glaube, er war ganz froh, dass er es losgeworden ist, um ehrlich zu sein.«

»Aber was fängst du damit an, wenn es ausgebrütet ist?«, fragte Hermine.

»Na ja, ich hab 'n bisschen was gelesen«, sagte Hagrid und zog ein großes Buch unter seinem Kissen hervor. »Aus der Bibliothek - Drachenzucht für Haus und Hof - ist ein wenig veraltet, klar, aber da steht alles drin. Das Ei muss im Feuer bleiben, weil die Mütter es beatmen, seht ihr, und wenn es ausgeschlüpft ist, füttern Sie es alle halbe Stunde

 


 

 

mit einem Eimer voll Schnaps und Hühnerblut. Und da, schaut, wie man die Drachen an den Eiern erkennt - was ich hier habe, ist ein Norwegischer Stachelbuckel. Sind seiten, die Stachelbuckel.«

Hagrid sah sehr zufrieden aus; Hermine allerdings nicht.

»Hagrid, du lebst in einer Holzhütte«, sagte sie.

Doch er hörte sie nicht. Vergnügt summend stocherte er im Feuer herum.

 

Nun gab es also noch etwas, um das sie sich Sorgen machen mussten: Was sollte mit Hagrid geschehen, wenn jemand herausfand, dass er einen gesetzlich verbotenen Drachen in seiner Hütte versteckte?

»Frag mich, wie es ist, wenn man ein geruhsames Leben führt«, seufzte Ron, als sie sich Abend für Abend durch all die zusätzlichen Hausaufgaben quälten. Hermine hatte inzwischen begonnen, auch für Harry und Ron Stundenpläne für die Wiederholungen auszuarbeiten. Das machte die beiden fuchsteufelswild.

Eines Tages dann, sie waren gerade beim Frühstück, brachte Hedwig wieder einen Zettel von Hagrid. Er hatte nur zwei Worte geschrieben: Er schlüpft.

Ron wollte Kräuterkunde schwänzen und schnurstracks hinunter zur Hütte gehen, doch Hermine mochte nichts davon hören.

»Hermine, wie oft im Leben sehen wir noch einen Drachen schlüpfen?«

»Wir haben Unterricht, das gibt nur Ärger, und das ist nichts im Vergleich zu, dem, was Hagrid erwartet, wenn jemand herausfindet, was er da treibt -«

»Sei still!«, flüsterte Harry.

Nur ein paar Meter entfernt war Malfoy wie angewurzelt stehen geblieben, um zu lauschen. Wie viel hatte er

 


 

 

gehört? Malfoys Gesichtsausdruck gefiel Harry überhaupt nicht. Ron und Hermine stritten sich auf dem ganzen Weg zur

Kräuterkunde und schließlich ließ sich Hermine breitschlagen, während der großen Pause zu Hagrid zu laufen. Als am Ende der Stunde die Schlossglocke läutete, warfen die drei sofort ihre Federkiele hin und rannten über das Schlossgelände zum Waldrand. Hagrid begrüßte sie mit vor Aufregung rotem Gesicht.

»Es ist schon fast raus.« Er schob sie hinein.

Das Ei lag auf dem Tisch. Es hatte tiefe Risse. Etwas in seinem Innern bewegte sich; ein merkwürdiges Knacken war zu hören.

Sie stellten ihre Stühle um den Tisch herum und sahen mit angehaltenem Atem zu.

Mit einem plötzlichen lauten Kratzen riss das Ei auf, Das Drachenbaby plumpste auf den Tisch. Es war nicht gerade hübsch; Harry kam es vor wie ein verschrumpelter schwarzer Schirm. Seine knochigen Flügel waren riesig im Vergleich zu seinem dünnhäutigen rabenschwarzen Körper, es hatte eine lange Schnauze mit weit geöffneten Nüstern, kleine Hornstummel und hervorquellende orangerote Augen.

Es nieste. Aus seiner Schnauze flogen ein paar Funken.

»Ist es nicht schön?«, murmelte Hagrid. Er streckte die Hand aus, um den Kopf des Drachenbabys zu streicheln. Es schnappte nach seinen Fingern und zeigte dabei seine spitzen Fangzähne.

»Du meine Güte, es kennt seine Mammi!«

 

»Hagrid«, sagte Hermine, »wie schnell wachsen eigentlich Norwegische Stachelbuckel?«

Hagrid wollte gerade antworten, als mit einem Mal die Farbe aus seinem Gesicht wich - er sprang auf und rannte ans Fenster.

 


 

 

»Was ist los?«

»Jemand hat durch den Spalt in den Vorhängen reingeschaut, ein Junge, er rennt zurück zur Schule.«

Harry sprang zur Tür und sah hinaus. Selbst auf diese Entfernung gab es keinen Zweifel, wer es war.

Malfoy hatte den Drachen gesehen.

 

Etwas an dem Lächeln, das die ganze nächste Woche über auf Malfoys Gesicht hängen blieb, machte Harry, Ron und Hermine sehr nervös. Ihre freie Zeit verbrachten sie größtenteils in Hagrids abgedunkelter Hütte, wo sie versuchten ihm Vernunft beizubringen.

»Lass ihn einfach laufen«, drängte Harry. »Lass ihn frei.«

»Ich kann nicht«, sagte Hagrid. »Er ist zu klein. Er würde sterben.«

Sie sahen den Drachen an. In nur einer Woche war er um das Dreifache gewachsen. Aus seinen Nüstern schwebten kleine Rauchkringel hervor. Hagrid vernachlässigte schon seine Pflichten als Wildhüter, denn der Drache nahm ihn ständig in Anspruch. Auf dem Boden verstreut lagen Hühnerfedern und leere Schnapsflaschen.

»Ich will ihn Norbert nennen«, sagte Hagrid und blickte den Drachen mit feuchten Augen an. »Er kennt mich jetzt ganz gut, seht mal her. Norbert! Norbert! Wo ist die Mammi?«

»Er hat nicht mehr alle Tassen im Schrank«, murmelte Ron in Harrys Ohr.

»Hagrid«, sagte Harry laut, »gib Norbert noch zwei Wochen und er ist so lang wie dein Haus. Malfoy könnte jeden Augenblick zu Dumbledore gehen.«

Hagrid biss sich auf die Unterlippe.

»Ich ... ich weiß, ich kann ihn nicht ewig behalten, aber 257


 

 

ich kann ihn auch nicht einfach aussetzen, das kann ich einfach nicht.«

Harry wandte sich jäh zu Ron um.

»Charlie«, sagte er.

»Du hast sie auch nicht mehr alle«, sagte Ron. »Ich bin Ron, weißt du noch?«

»Nein, Charlie, dein Bruder Charlie. In Rumänien. Der Drachenforscher. Wir könnten ihm Norbert schicken. Charlie kann sich um ihn kümmern und ihn dann in die Wildnis aussetzen!«

»Einfach genial!«, sagte Ron. »Wie wär's damit, Hagrid?«

Und am Ende war Hagrid einverstanden, Charlie eine Eule zu schicken und ihn zu fragen.

 

Die nächste Woche schleppte sich zäh dahin. Mittwoch- abend, nachdem die andern zu Bett gegangen waren, saßen Hermine und Harry noch lange im Gemeinschaftszimmer. Die Wanduhr hatte gerade Mitternacht geschlagen, als das Porträt zur Seite sprang. Ron ließ Harrys Tarnumhang fallen und erschien aus dem Nichts. Er war unten in Hagrids Hütte gewesen und hatte ihm geholfen, Norbert zu füttern, der inzwischen körbeweise tote Ratten verschlang.

»Er hat mich gebissen!«, sagte er und zeigte ihnen seine Hand, die mit einem blutigen Taschentuch umwickelt war. »Ich werd eine ganze Woche lang keine Feder mehr halten können. Ich sag euch, dieser Drache ist das fürchterlichste Tier, das ich je gesehen hab, aber so wie Hagrid es betüttelt, könnte man meinen, es sei ein niedliches, kleines Schmusehäschen. Nachdem er mich gebissen hat, hat Hagrid mir auch noch vorgeworfen, ich hätte dem Kleinen Angst gemacht. Und als ich zur Tür raus bin, hat er ihm gerade ein Schlaflied gesungen.«

Am dunklen Fenster kratzte etwas.


 

 

»Es ist Hedwig!«, sagte Harry und lief rasch hinüber, um sie einzulassen. »Sie hat bestimmt Charlies Antwort!«

Mit zusammengesteckten Köpfen lasen sie den Brief,

 

Lieber Ron, wie geht es dir? Danke für den Brief - den Norwegischen Stachelbuckel würde ich gerne nehmen, aber es wird nicht leicht sein, ihn hierher zu bringen. Ich glaube, das Beste ist, ihn ein paar Freunden von mir mitzugeben, die mich nächste Woche besuchen kommen. Das Problem ist, dass sie nicht dabei gesehen werden dürfen, wenn sie einen gesetzlich verbotenen Drachen mitnehmen.

Könntest du den Stachelbuckel am Samstag um Mitternacht auf den höchsten Turm setzen? Sie können dich dort treffen und ihn mitnehmen, während es noch dunkel ist. Schick mir deine Antwort so bald wie möglich.

Herzlichst Charlie

 

Sie sahen einander an.

»Wir haben den Tarnumhang«, sagte Harry. »Das wird nicht so schwierig sein - ich glaube, er ist groß genug, um zwei von uns und Norbert zu verstecken.«

Dass die anderen beiden ihm zustimmten, war ein Zeichen dafür, wie mitgenommen sie von der vergangenen Woche waren. Sie würden alles tun, um Norbert loszuwerden - und Malfoy dazu.

 

Einen Haken gab es freilich. Am nächsten Morgen war Rons verletzte Hand auf die doppelte Größe angeschwollen. Er wusste nicht, ob es ratsam war, zu Madam Pomfrey zu gehen - würde sie einen Drachenbiss erkennen? Es wurde Nachmittag, und nun hatte er keine andere Wahl mehr. Der


 

 

Biss hatte eine hässliche grüne Färbung angenommen. Es sah so aus, als ob Norberts Reißzähne giftig waren.

Am Abend rannten Harry und Hermine in den Krankenflügel, wo sie Ron in fürchterlichem Zustand im Bett vorfanden.

»Es ist nicht nur meine Hand«, flüsterte er, »auch wenn die sich anfühlt, als ob sie gleich abfallen würde. Malfoy hat Madam Pomfrey gesagt, er wolle sich eines meiner Bücher borgen, und so konnte er reinkommen und mich in aller Ruhe auslachen. Er hat gedroht, ihr zu sagen, was mich wirklich gebissen hat - ich hab ihr gesagt, es sei ein Hund gewesen, aber ich glaube nicht, dass sie mir glaubt - ich hätte ihn beim Quidditch-Spiel nicht verprügeln sollen, deshalb macht er das.«

Harry und Hermine versuchten Ron zu beruhigen.

»Bis Samstag ist alles vobei«, sagte Hermine, doch das besänftigte Ron überhaupt nicht. Im Gegenteil, mit einem Mal saß er kerzengerade im Bett und brach in Schweiß aus.

»Samstag um Mitternacht!«, sagte er mit heiserer Stimme.

»O nein, o nein, mir fällt gerade ein, Charlies Brief war in dem Buch, das Malfoy mitgenommen hat, er weiß, dass wir uns Norbert vom Hals schaffen wollen.«

Harry und Hermine konnten darauf nichts mehr entgegnen. Gerade in diesem Moment kam Madam Pomfrey ins Zimmer und bat sie zu gehen, denn Ron brauche etwas Schlaf,

 

»Es ist zu spät, um den Plan jetzt noch zu ändern«, sagte Harry zu Hermine. »Das wird wohl die einzige Chance sein, Norbert loszuwerden, und wir haben jetzt nicht die Zeit, um Charlie noch eine Eule zu schicken. Wir müssen es riskieren. Und wir haben schließlich den Tarnumhang, von dem weiß Malfoy nichts.«

 


 

 

Sie gingen zu Hagrid, um ihm ihren Plan zu erzählen, und fanden Fang, den Saurüden, mit verbundenem Schwanz vor der Hütte sitzen. Hagrid öffnete ein Fenster, um mit ihnen zu sprechen.

»Ich kann euch jetzt nicht reinlassen«, schnaufte er, »Nor- bert ist in einer schwierigen Phase, aber damit werd ich schon fertig.«

Sie erzählten ihm von Charlies Brief, und seine Augen füllten sich mit Tränen, wenn auch vielleicht nur deshalb, weil Norbert ihn gerade ins Bein gebissen hatte.

»Aaah! Schon gut, er hat nur meinen Stiefel - spielt nur - schließlich ist er noch ein Baby.«

Das Baby knallte mit dem Schwanz gegen die Wand und ließ die Fenster klirren. Harry und Hermine gingen zum Schloss zurück mit dem Gefühl, der Samstag könne gar nicht schnell genug kommen.

 

Für Hagrid wurde es allmählich Zeit, sich von Norbert zu verabschieden, und er hätte ihnen Leid getan, wenn sie nicht so aufgeregt überlegt hätten, wie sie am besten vorgehen sollten. Es war eine sehr dunkle, wolkige Nacht, und als sie bei Hagrid ankamen, war es schon ein bisschen spät. Sie hatten in der Eingangshalle warten müssen, bis Peeves, der Tennis gegen die Wand spielte, den Weg freimachte.

Hagrid hatte Norbert schon in einen großen Korb gepackt.

»Er hat 'ne Menge Ratten und ein wenig Schnaps für die Reise«, sagte er mit dumpfer Stimme. »Und ich hab seinen Teddybären eingepackt, falls er sich einsam fühlt.«

Aus dem Korb drang ein schauriges Geräusch und Harry kam es vor, als ob dem Teddybären gerade der Kopf abgerissen würde.

 


 

 

»Mach's gut, Norbert«, schluchzte Hagrid, als Harry und Hermine den Korb mit dem Tarnumhang bedeckten und dann selbst darunter schlüpften. »Mammi wird dich nie vergessen!«

Wie sie es schafften, den Korb zum Schloss hochzubringen, wussten sie selbst nicht. Mitternacht rückte tickend näher, während sie Norbert die Marmorstufen zur Eingangshalle emporhievten und die dunklen Korridore entlangschleppten. Noch eine Treppe hoch und noch eine - selbst eine von Harrys Abkürzungen machte die Arbeit nicht viel leichter.

»Gleich da«, keuchte Harry, als sie den Gang zum höchsten Turm erreicht hatten.

Vor ihnen bewegte sich etwas und vor Schreck ließen sie beinahe den Korb fallen. Dass sie unsichtbar waren, hatten sie ganz vergessen, und so verdrückten sie sich in die Schatten und starrten auf die dunklen Umrisse zweier Gestalten, die drei Meter entfernt miteinander rangen. Eine Lampe flammte auf.

Professor McGonagall, ein Haarnetz über dem Kopf und in einen Morgenmantel mit Schottenmuster gehüllt, hielt Malfoy am Ohr gepackt.

»Strafarbeit!«, rief sie. »Und zwanzig Punkte Abzug für Slytherin! Mitten in der Nacht umherschleichen, wie können Sie es wagen -«

»Sie verstehen nicht, Professor, Harry Potter ist auf dem Weg - er hat einen Drachen!«

»Was für ein ausgemachter Unsinn! Woher nehmen Sie die Stirn, mir solche Lügen zu erzählen! Kommen Sie, ich werde mit Professor Snape über Sie sprechen, Malfoy!«

Die stelle Wendeltreppe zur Spitze des Turms schien danach die leichteste Übung der Welt. Erst als sie in die kalte Nachtluft hinausgetreten waren, warfen sie den Man-

 


 

 

tel ab, froh, endlich wieder frei atmen zu können. Hermine legte einen kleinen Stepptanz hin.

»Malfoy bekommt eine Strafarbeit! Ich könnte singen vor Freude!«

»Du's lieber nicht«, riet ihr Harry.


Date: 2015-12-11; view: 622


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