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Text 9. Der Vater der Elektrizität.

 

/1/ So ist WILLIAM GILBERT (1544 1603) genannt worden. Er war Arzt, zuletzt Leibarzt der englischen Königin ELISABETH I. (1). GILBERTs Werk „De magnete“ („Über die Magneten“) fand einen großen Widerhall. Es erschien im Jahre 1600; fast dreihundert Jahren vergingen, ehe es zum ersten Mal aus dem Lateinischen ins Englische übersetzt wurde.

/2/ GALILEI, der zu dieser Zeit noch nichts veröffentlicht hatte, und auch KEPLER kannten und benutzten GILBERTs Werk „Über die Magneten“. GALILEI schätzte GILBERT sehr, dessen Arbeiten auch auf DESCARTES großen Einfluss ausübten. GILBERT begann mit dem Aberglauben um den Magneten aufzuräumen. Er experimentierte mit der Magnetkugel und teilte die Ansicht, dass die Erde ein großer Magnet sei (2). Außer Kompassen baute er Inklinationsnadeln und nahm mit ihnen Messungen vor. Er führte sie mit einem kleinen, an einem Faden aufgehängten Magneten (3) auch am Erdmodell durch.

/3/ Bei seinen Versuchen entdeckte GILBERT die magnetische Wirkung außerhalb des Magneten; das Magnetfeld, wie wir heute sagen. Als er es mit feinen Kompassen sorgfältig untersuchte, fand er „Wirbel“ und „Ausströmungen“, die heutigen Feldlinien. GILBERT verstärkte die Wirkung der natürlichen Magnete (Magneteisensteine), indem er sie mit Eisenbändern umgab (4), also mit einer Art von Polschuhen versah; er stellte als erster künstliche Magnete aus Stahl her und beobachtete, dass nach dem Zerbrechen jedes einzelne Stück wieder ein Magnet mit beiden Polen ist. Er zerstörte den Magnetismus durch Ausglühen und fing ihn wieder an, indem er den erkalteten Stahlstab in Nord-Süd-Richtung aufstellte. GILBERT wies nach, dass der Draht zu diesem Zweck in der Nord-Süd-Richtung liegen muss.

/4/ Bei der Erklärung der Ursache der magnetischen Kraft ist GILBERT freilich über die „Seele“-Theorie nicht hinausgekommen. Auch seine Versuche, einen Zusammenhang zwischen Magnetismus und Schwerkraft herzustellen, die doch beide eine Wirkung nach außen haben, bleiben erfolglos; er ist heute noch nicht festgestellt worden. Aber GILBERT dachte als erster über diese Dinge nach; er sah das Problem und bemühte sich um eine wissenschaftliche Lösung, indem er experimentierte. Und gerade das bedeutete damals den großen Fortschritt!

/5/ Neun Zehntel seines Werkes „De Magnete“ hat GILBERT dem Magnetismus gewidmet und nur ein Zehntel der Elektrizität; dennoch sagte er darin soviel Neues, dass er mit Recht der „Vater der Elektrizität“ genannt wurde. GILBERT löste sich von den üblichen Bernsteinexperimenten und untersuchte alle möglichen Stoffe, bei trockener und feuchter Luft, im Winter und im Sommer. Er fand dabei viele, die sich beim Reiben wie Bernstein verhielten; die meisten Edelsteine, Glas, Siegellack, Schwefel und andere. GILBERT nannte ihn „electrica“, auf Deutsch: elektrische. Die wirkende Kraft nannte er lateinisch „vis electrica“. Daraus wurde später der Begriff Elektrizität.



/6/ Andere Stoffe wurden nicht elektrisch: beispielsweise Achat, Marmor, Knochen und viele Metalle; sie erhielten die Bezeichnung „nichtelektrische“. Als gewissenhafter Forscher baute GILBERT ein Anzeigegerät, das erste Elektroskop, das er „versorium“ nannte (auch dem Lateinischen: vertere = sich drehen). Es war ein kleiner Stab aus Nichteisenmetall, der mit einem Hütchen in der Mitte drehbar auf einer Spitze lag; das Instrument erinnerte an einen Kompass, den GILBERT ebenso gebaut hatte, jedoch mit einem magnetisierten Stahlstift.

/7/ Aus der Kraft, mit der die drehbare Stange von dem untersuchten Körper angezogen wurde, schloss GILBERT auf die Stärke der „vis electrica“. Auf diese Weise stellte er eine ganze Reihe von „electrics“ auf. Genau zu messen vermochte er damit freilich nicht – er hatte ja auch keine Einheit zur Verfügung (5), wohl aber konnte er annähernd vergleichen.

/8/ Was fand GILBERT noch heraus? Feuchte Luft wirkt ungünstiger als trockene; eine in der Nähe brennende Kerze lässt die Elektrizität verschwinden – ähnlich wie das Glühenden Magnetismus austrieb; im Gegensatz zum Magnetismus hat die Elektrizität keine Pole, sie verliert sich auch schneller. Eines aber bemerkte GILBERT nicht: dass es auch bei elektrischen Körpern neben der Anziehung eine Abstoßung gibt; offenbar hat er niemals zwei gleichnamig geladene Körper zusammengebracht. GILBERT begnügte sich nicht mit den Beobachtungen und Messungen, sondern wollte die Erscheinungen auch erklären. Zu GILBERTs Zeit waren viele Naturerscheinungen noch nicht zu enträtseln (6). Dazu bedürfte es erst zahlreicher praktischer und theoretischer Vorarbeiten.

/9/ Ähnlich den meisten Menschen, die etwas Neues erklären wollen, hielt er sich an schon Bekanntes und versuchte von dort aus ins Neuland vorzustoßen (7). So, wie er die magnetische Wirkung als „Ausströmung“ betrachtete, hielt er die elektrische Ladung für ein „Fluidum“, für etwas Fließendes – teils Luft, teils Flüssigkeit. Alle Körper, die durch Reibung elektrisch werden, sollten ein solches Fluidum enthalten. Solche Irrtümer schmälern den Ruhm und das Verdienst GILBERTs gewiss nicht.

 


Date: 2015-12-11; view: 486


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