Home Random Page


CATEGORIES:

BiologyChemistryConstructionCultureEcologyEconomyElectronicsFinanceGeographyHistoryInformaticsLawMathematicsMechanicsMedicineOtherPedagogyPhilosophyPhysicsPolicyPsychologySociologySportTourism






Text 4. Das lateinische Mittelalter.

/1/ Der Untergang des weströmischen Reiches mündete in West- und Mitteleuropa in eine mehrhundertjährige Periode chaotischer Machtverhältnisse und im Vergleich zur Antike – niedrigsten ökonomischen und technischen Niveaus. In dieser Zeit bildete sich allmählich die feudale Gesellschaftsordnung heraus, und mit ihr entwickelte sich die katholische Kirche zur herrschenden Ideologie.

/2/ Zugang zu besseren Quellen eröffnete sich durch den Kontakt mit der islamischen Welt, insbesondere im teils mauritischen (1), teils christlichen Spanien. Nach der Rückeroberung Toledos im Jahre 1085 entstand dort ein Übersetzungszentrum. Dort wirkte GERHARD von CREMONA (1114 – 1187) von 1144 bis zu seinem Tode, unter dessen Leitung über 70 wissenschaftliche Werke aus dem Arabischen ins Latein übersetzt wurden, darunter 29 mathematische und astronomische Texte. Von seiner Übersetzung der „Elemente“ (um 1150) sind heute 8 Manuskripte bekannt.

/3/ Mit dem Zerfall der urgesellschaftlichen Verhältnisse bei den Germanen und dem Niedergang des Weströmischen Reiches im 5. Jahrhundert entstand in West- und Mitteleuropa eine neue Gesellschaftsordnung, der Feudalismus. Ideologische Grundlage des feudalen Staates war die christliche Religion. Alles, was die Religion lehrte, galt damals als unanfechtbare Wahrheit (2). Die Theologie wurde zur einzigen Wissenschaft. Die Philosophie, zu der damals auch Physik und Mathematik gehörte, wurde „zur Magd der Kirche“ erniedrigt (3). Das befohlene Hauptziel (4) der damaligen Wissenschaft war, die Richtigkeit der Lehre der katholischen Kirche zu beweisen.

/4/ Unter den Gelehrten aus der Zeit des Feudalismus war der englische Mönch ROGER BACON (um 1214 – 1294), der an der Universität Oxford lehrte. Er wandte sich gegen den Herrschaftsanspruch der Theologie über die Naturforschung. BACON erklärte das Experiment und die Erfahrung als wichtigste Voraussetzungen jeder wahren Wissenschaft. Er lobte die Vorzüge der Experimentalwissenschaft. Das war eine Kampfansage gegen die klerikalischen Mächte, die BACON in den Kerker warfen, wo er nach vierzehnjähriger Haft starb.

/5/ Um die Mitte des 15. Jahrhunderts erreichte die Gesellschaftsordnung des Feudalismus in Europa ihren Höhepunkt. Die Produktion in der Landwirtschaft und im Handwerk hatte sich stark erhöht, die Städte blühen auf, und der Handel breitete sich aus. In Stadt und Land war die Naturalwirtschaft durch die Geldwirtschaft abgelöst werden. Allmählich entstanden im Schosse des Feudalismus (5) in Europa Keime einer neuen Gesellschaftsordnung, die den Feudalismus ablöste: die Anfänge des Kapitalismus.

/6/ Mit der Herausbildung von Frühformen des Kapitalismus und dem Erstarken des Bürgertums entwickelte sich eine neue Weltanschauung: der Humanismus (lateinisch humanitas = Menschlichkeit). Ziel des Humanismus und der Renaissance (lateinisch = Wiedergeburt) war die Ausprägung eines Weltbildes, das den Menschen in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt und ihn auf die Ausbildung aller seiner Kräfte und Möglichkeiten hinweist. FRIEDRICH ENGELS bezeichnete die Epoche der Renaissance als die größte fortschrittliche Umwälzung.



/7/ Viele Gelehrte gelangten auf die Höhe der wissenschaftlichen Erkenntnis ihrer Zeit und gewannen einen weltanschaulichen Überblick. Unter den Riesen der Renaissance der größte war LEONARDO DA VINCI (1452 – 1519). Der italienische Maler, Bildhauer, Schriftsteller, Naturwissenschaftler und Mathematiker. In vielen seiner Arbeiten war LEONARDO seiner Zeit voraus.

/8/ Seine bedeutendste Leistung für die Physik bestand darin, dass er sich von den dogmatisch erstarrten Lehren (6) löste und zu einer objektiven Beobachtung der Natur vordrang. LEONARDO übernahm von HERON die Hebeltheorie und einige Maschinen sowie von ARCHIMEDES die endlose Förderschraube; er entdeckte, dass die Reibungszahl von der Größe der Reibungsfläche unabhängig ist, erkannte, dass die Geschwindigkeit in Form einer arithmetischen Reihe zunimmt. Er zog daraus die Folgerung, dass ein frei fallender Körper in jeder Zeiteinheit eine gleich bleibende Beschleunigung erhält.

/9/ In der Mechanik, seinem physikalischen Lieblingsgebiet, verfügte LEONARDO über reiche Kenntnisse. Ihm war zum Beispiel bekannt, dass sich der Schall kreisförmig von seiner Quelle ausbreitet (in einer Ebene gedacht); mehrere Schallwellen, die zusammentreffen, stören einander nicht; zwei gleiche Glocken ertöten in Resonanz. In der Hydrostatik benutzte er das Prinzip der kommunizierenden Röhren (7) gleichzeitig mit zwei Flüssigkeiten verschiedener Wichte und fand, dass die Höhen der Flüssigkeitssäulen im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Wichte stehen.

/10/ Der Italiener LEONARDO DA VINCI konnte sich zum genialsten Vertreter der Wissenschaften und Künste entwickeln. Er lebte am Beginn eines großen Umbruches, des Überganges von den kirchlichen, katholisch-dogmatischen Weltanschauung zu einer neuen, freieren Geisteshaltung, die endlich auch den Naturwissenschaften Möglichkeiten zur Entfaltung gab. Selbstverständlich gab die Kirche ihre Diktatur nicht freiwillig auf; es mussten noch viele und schwere Kämpfe geführt werden, bis das Dogma durch wissenschaftliche objektive Erkenntnis abgelöst wurde.

 


Date: 2015-12-11; view: 627


<== previous page | next page ==>
Text 3. Wissenschaftler des Altertums. | Text 5. Die Wissenschaft der Renaissancezeit.
doclecture.net - lectures - 2014-2024 year. Copyright infringement or personal data (0.009 sec.)