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Die Gestalt von Alfred Ill.

4.1. Wie wird A.Ill dargestellt?

- als ein durchschnittlicher, unauffallender Bürger;

- als ein ahnungsloses Opfer der hinterhältigen Milliarderin;

- als ein Mensch, der seine Schuld erkennt und tief bereut und das angetane Unrecht wiedergutmachen will.

Beachten Sie dabei die F.Dürrenmatts Auffassung dieser Gestalt! (s. Anmerkung 1)

Suchen Sie die entsprechenden Textstellen!

 

“Claire Zachanassian, geborene Klara Wäscher, in ihrer Jugend arm, aber hübsch, verliebt, geschwängert und verstoßen, zur Hure heruntergekommen, dann durch mehrere Heiraten und Witwenschaften zur Milliardärin aufgestiegen, kommt in ihre Heimat zurück, in die abgewirtschaftete Kleinstadt Güllen. An den Besuch der alten Dame werden die höchsten Erwartungen geknüpft, besonders von ihrem ehemaligen Geliebten, Verführer und Verräter Ill. Aber die Dame ist gekommen, um der Stadt Güllen eine Milliarde zu stiften, zur Ankurbelung der Konjunktur, wenn sie ihr den ehemaligen meineidigen Verräter Ill tot ausliefert. Den Sarg hat sie gleich mitgebracht. Auf Capri ist für ihre Jugendliebe ein Mausoleum errichtet. Sie will Rache, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung. Die Güllener sind empört und kein bißchen schuldbewußt. Alle hatten gewußt, wer der Vater von Klaras Kind war, aber zwei falschen Zeugen hatte der bestochene Richter mehr Beweiskraft zugesprochen als Klaras Aussage, und Ill konnte die begehrte Kaufmannstochter Mathilde Blumhard heiraten. Die sittliche Empörung der Güllener über ihr Angebot macht Frau Zachanassian nicht irre. Sie kann warten. Der Gasthof ist zwar verkommen, aber sie nistet sich ein, läßt sich scheiden, heiratet aufs neue, einen Nobelpreisträger, ihr wird die Zeit nicht lang. Süe hat eine Maschinerie in Gang gesetzt und sieht vom Balkon des Hotels dem Lauf der Dinge geruhsam zu. Und die Güllener, zu ihren Füßen, verhalten sich, als hätten sie das Geld schon. Leben üppig, kleiden sich neu ein, bauen, alles auf Pump. Selbst Ill modernisiert seinen Laden. Er hofft, wie sie alle, auf Vergessen und Güte. Nach und nach erkennen die Güllener den wahren Charakter der Dame auf dem Balkon - und denken nun an Abrechnung und Mord, Mord an Ill. Ill gerät in Panik.

Alles hat seinen Preis. Das weiß die reichste Frau der Welt. Fünfhundert Millionen für die Stadt, fünfhundert Millionen auf die Bürger verteilt. Der Lehrer appelliert an Claires Menschlichkeit. Ihre Antwort: Die Menschlichkeit... ist für die Börse der Millionäre geschaffen, mit meiner Finanzkraft leistet man sich eine Weltordnung. Die Welt machte mich zu einer Hure, nun mache ich sie zu einem Bordell. Wer nicht blechen kann, muß hinhalten, will er mittanzen. Ihr wollt mittanzen. Anständig ist nur, wer zahlt, und ich zahle. Güllen für einen Mord, Konjunktur für eine Leihe.” (Goertz Heinrich “Dürrenmatt”)



 

“Durch das ganze Stück geht der Ruf nach Menschlichkeit, nach Gerechtigkeit. Was aber ist das charakteristisch Menschliche? Nach Schopenhauer, den Dürrenmatt ja auch gern las, gehören zu den menschlichen Grundtriebfedern Egoismus, der das eigene Wohl will, und Bosheit, die das fremde Wehe will. Mitleid, das das fremde Wohl will, gehört zu den Ausnahmeerscheinungen. Demzufolge ist Gerechtigkeit, nach Dürrenmatt, eine Fiktion, ein Hirngespinst, ein Schlagwort, eine Abstraktion, sie kann es nicht geben, nie und nirgendwo. Niemand in Güllen spricht von Geld, alle sprechen von Gerechtigkeit. Die Entlarvung des verlogenen Begriffs Gerechtigkeit ist der Inhalt dieser tragischen Komödie. Gerechtigkeit verlangt der Bürgermeister, verlangt sogar der Pfarrer, verlangen nun alle von Ill. Ill, so sein Seelsorger, solle nicht so sündhaft am Leben hängen, sondern mehr an die Ewigkeit denken, sich auf das ewige Leben vorbereiten. Oder aber, besser noch, besinnt sich der Geistliche, er solle fliehen, auf daß seine Güllener Schäfchen nicht in Versuchung gerieten. Die Sache mit der Zachanassian und ihrer Milliarde werde sich schon regeln lassen, sei Ill erst einmal weg. Da irrt der fromme Mann. Die Stadt überwacht Ill, verhindert seine Flucht. Schließlich hat er sich ja wie ein Schuft zu Klara benommen! Das muß gesühnt werden. Der Bürgermeister bringt Ill ein geladenes Gewehr und legt ihm nahe, sich selbst zu richten, um den sich in Gewissensnöten windenden Güllenern die Schmach zu ersparen, das wäre Ills Pflicht, nach all seinen Jugendsünden und Verbrechen, die nun die Stadt befleckten. Güllen von Gülle = flüsiger Stalldünger, der sich aus Kot und Harn zusammensetzt - Güllen sei Kulturboden, habe Tradition. Goethe habe hier einmal übernachtet und Brahms ein Streichquartett komponiert. Das verpflichte! Ill lehnt ab. Das ist seine Rache: Er will seine Mitbürger zu Mördern machen. Kirche, bürgerliche Moral und Kultur werden demaskiert, nicht verbal, sondern szenisch; das Wort, die Pointe machen sich niemals selbständig, sie dienen der dramatisch zugespitzten Situation.

Schließlich soll eine Gemeindeversammlung über Ills Schicksal entscheiden, sinnigerweise im Theatersaal des Gasthofs zum Goldenen Apostel, in dem die Zachanassian logiert. Der Bürgermeister lädt auch Ill ein und fragt, ob er sich dem Spruch der Allgemeinheit beugen werde. Ill, zermürbt, hat seine aussichtslose Lage erkannt, bekennt seine Schuld, sagt ja. Es ist dann nur noch von der wohltätigen Stiftung der Zachanassian die Rede, ob die Güllener sie annehmen sollen, nicht von Mord. Immerhin, der Bürgermeister sagt etwas zu deutlich: Wer reinen Herzens

die Gerechtigkeit verwirklichen will, erhebe die Hand. Alle außer Ill heben die Hand. Nun hat keiner dem anderen mehr etwas vorzuwerfen. Sie alle sind Mörder. Im Saal werden die Lichter gelöscht. Als es wieder hell wird, liegt Illtot am Boden. Ein Turner mit kraftvollen Händen hat ihn erdrosselt. Die verabredete Arztdiagnose: Herzschlag. Der Bürgermeister fügt hinzu: Tod aus Freude. Die Güllener hatten über den einstimmigen Beschluß ein Freudengeheul angestimmt. Frau Zachanassian überreicht den Scheck und zieht mit ihrem Gefolge und Ill im Sarg von dannen, nach Capri.” (Goertz Heinrich “Dürrenmatt”)

 

5. „Der Besuch der alten Dame“ und die Gegenwart.

5.1. Welche Probleme wirft der Schriftsteller in seinem Werk auf?

5.2. Sind diese Probleme in unserer Zeit auch aktuell? Warum? Beachten Sie dabei die Meinungen über das Theaterstück.

5.3. Könnte so was auch in der Ukraine passieren? Kann man sich das vorstellen?

 

„Reisenden, die ihren Weg über die Strecke Kalberstadt-Kaffigen nehmen, wird hiermit dringend empfohlen, in Güllen nicht auszusteigen. Das Güllener Wirtschaftswunder mit seinem kulturellen Aufschwung und seinem ganzen Wohlstand beruht auf einem Mord, verübt von den Einwohnern des freundlichen Städtchens an ihrem 65jährigen Mitbürger Alfred Ill, welcher nicht besser und nicht schlechter war als sie. Er hatte nur das Pech, vierzig Jahre zuvor an eine junge Güllnerin namens Kläri Wäscher zu geraten, die nachmals, von ihm geschwängert und sitzengelassen, in die Welt hinausging und dort zur Multimillionärin Claire Zachanassian wurde. Als solche erscheint sie jetzt wieder in Güllen und wünscht, dass Alfred Ill getötet werde…

Es ist durchaus ein Besuch aus dem Diesseits, der in Güllen eintrifft. Es ist die alte Dame Korruption, die sich am Schluss des ersten Aktes mit einem teuflischsiegessicheren „Ich warte!“ ins Hotel zurückzieht, es ist die alte Dame Versucheung, die alte Dame Spekulation auf menschliche Schwäche, auf menschliche Gier – auf die menschliche Bereitschaft, sich auch an Unmenschliches und als unmenschlich Erkanntes zu gewöhnen. Und die Reaktion der Güllener Bürger ist die virulent gewordene Ausrede für diese Bereitschaft-

Wer sich noch nie einer solchen Ausrede bedient hat, wer um äußerer Vorteile willen (bestünden sie auch nur im Überleben) noch nie bereit war, sich mit menschenunwürdigen Zuständen abzufinden oder sie mitzuschaffen – wer, kurzum, vor solch alter Dame noch nie in die Knie gegangen ist: der werfe den ersten Akt nach ihr und verlasse hierauf das Theater. Die anderen sind gehalten, bis zum bitterbösen Ende auszuharren.“

(Friedrich Torberg aus „Neuer Kurier“ Wien)

 

„Eines der anregendsten und fesselndsten aller Stücke, die seit dem Zweiten Weltkrieg geschrieben wordsen sind.“

(Clive Barnes „The New York Times“)

 

“Den Welterfolg mit diesem Stück verdankt Dürrenmatt nicht nur dem grandiosen Grundeinfall, sondern auch der konsequenten Durchführung der Handlung, der totalen Ausschöpfung des gesellschaftlichenKonflikts. In dieser Komödie sind drei Handlungsstränge miteinander verflochten. Claire hat nie aufgehört, ihren ersten Freund, Alfred III, zu leben. Erst im Alter kann sie seiner habhaft werden. Das ist eine Liebesgeschichte. - Vor 45 Jahren sind zwei Meineide geschworen worden, und ein Richter ist bestochen worden. Dies der kriminalistische Hintergrund.

Drittens ist der Besuch eine Gesellschaftsstudie bitterster Art mit vielen Typen, schrägen, oberflächlichen und faulen. - Zur Wirkung des Stücksträgt nicht wenig die objektive Charakterisierung der Zachanassian bei. Keine Person ist karikiert. Noch der gemeinste Schuft ist ein aus seiner Situation heraus begreifliches Geschöpf. Die Armut war zu bitter und die Summe zu hoch. Jede Person, die spricht, hat von ihrer Lage aus gesehen recht. Nur eine kleine symbolische Zutat erlaubt sich der Autor: den schwarzen Panther, den die Zachanassian in einem Käfig mit sich führt. Ihren schwarzen Panther nannte vor 45 Jahren Klara ihren einzig Geliebten. Der Panther entläuft oder wird freigelassen, verbreitet Furcht und Zittern, alle Güllener bewaffnen sich, fuchteln mit Flinten herum, was Ill auf sich bezieht, endlich erschießt einer den Panther.

Die Sprache ist von raffinierter Einfachheit, gestochen scharf und transparent. So wie Dürrenmatt die Handlung stets bis ins Äußetrste zu treiben bestrebt ist, so auch die Sprache. Das Wort ist doppeldeutig. Es wird das eine gesprochen und etwas anderes gemeint, gedacht, beabsichtigt, meist das Gegenteil. Nur die Zachanassian spricht aus, was sie denkt und will. Sie kann es sich leisten. Die Güllener lügen.” (Goertz Heinrich “Dürrenmatt”)

 

QUELLENVERZEICHNIS

1. Dürrenmatt F. Der Besuch der alten Dame. Diogenes Verlag, Zürich, 1985.

2. Goertz H. Dürrenmatt. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2003.

 


Date: 2015-12-11; view: 1039


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