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Die Arten des Bedeutungswandels

Die Erforschung des Bedeutungswandels und seiner Arten ist wohl das älteste Problem der Semasiologie. Die Technik der Bedeutungsverände­rung zeigt, wie sich die Bedeutungen im Laufe der Zeit verändern. Die Arten oder Formen des Bedeutungswandels werden aus logischer und psy­chologischer Sicht analysiert.

Die logische Klassifikation,die gegen Ende des 19. Jhs. aus der alten rhetorischen Gliederung erwuchs, beruht auf dem quantitativen Vergleich des Bedeutungsumfangs vor und nach der Bedeutungsveränderung. S. U11 m a n n spricht vom „logischen Prinzip“.

Die psychologische Gliederungbasiert auf Assoziationen. Ihre theo­retische Grundlage bilden psychologische Arbeiten, vor allem die von W.Wundt.

Wenn man logisch vorgeht, stellt man fest, dass die neue Bedeutung — nach dem Prozess der Bedeutungsentwicklung — drei Möglichkeiten auf­weist: sie ist im Umfang größer oder kleiner als die alte oder ist ihr gleich (aber übertragen, verlagert).

A. In der logischen Klassifikation sind drei Arten des Bedeutungswan­dels zu unterscheiden: 1) Bedeutungserweiterung, 2) Bedeutungsveren­gung, 3) Bedeutungsübertragung und -Verschiebung.

I.Die Bedeutungserweiterung(Generalisierung der Bedeutung, semantische Expansion) meint die Erweiterung der Wortbedeutung nach dem Prozess des Bedeutungswandels. Die alte, engere Bedeutung dehnt sich auf neue Gegenstände, Prozesse und Sachverhalte aus. Beispiele:

machen — ein westgermanisches Wort (engl. to make), verwandt mit griech mssein („kneten"), russ. ìàçàòü („bestreichen, schmieren“), ìåñèòü („kneten“). Als Grundbedeutung ist „kneten, formen, zusammenfügen“ (beim Lehmbau), dann „zurechtmachen, in Ordnung bringen“ anzunehmen. Das Verb „machen“ mit verallgemeinerter Bedeutung gehört heute zu den Lexemen mit erweiterter semantischer Grundlage (ñëîâà øèðîêîé ñåìàíòèêè).

gehen — die Grundbedeutung des westgermanischen Verbs (engl. to go) ist „mit den Füßen schreiten“ (von Menschen und Tieren). Es hat sich zu einer allgemeinen Bedeutung für Bewegung jeder Art entwickelt (z.B. die Uhr geht). Es berührt sich mit dem Verb „fahren“, das häufig eine plötzliche, ruckweise, „gehen“ aber — eine gleichmäßige Bewegung bezeichnet.

Ding — gemeingermanisches Wort (engl. thing), wurzelverwandt mit „deh­nen“; lat. tempus, auch mit „(be)dingen“, „verteidigen“. Die älteste Bedeutung ist „das Gericht, die Versammlung der freien Männer“ (schwed. ting „Gericht“, dänisch folketing „Parlament“, wie im Russ. «âå÷å» — íîâãîðîäñêîå). Spätere entwickelt sich die Bedeutung „Angelegenheit, Sache (Rechtssache), Gegenstand“. „Ding“ bezeichnet auch unbedeutende, geringe Sachen, Kinder, junge Mäd­chen („unausstehliche Dinger“).

Sache — stammt aus der germanischen Rechtssprache und bezeichnete ur­sprünglich „die Rechtssache, den Rechtsstreit vor Gericht“ (vgl.: Widersacher. Sachwalter — Rechtsverteidiger, Anwalt).



Kampf— verwandt mit lat. kampus „Feld“; die heutige Bedeutung wurde durch „Streit“ ausgedrückt, das heute zu „Wortstreit“ verengt ist.

Rede — bedeutete urspr. „Rechnung“, dann „Rechenschaft“ (erhalten in: zur Rede stellen, redlich); verwandt mit lat. ratiō „Berechnung“, „Zahl“; „Den­ken“, auch mit „raten“, „gerade“ (urspr. „gleichzählend“).

deutsch (ahd. diutisc, von ahd. diot[a], diut — „Volk“ abgeleitet) — bezeich­nete zunächst nur die Sprache der deutschen Stämme im Gegensatz zum Latein als amtliche Sprache. Im 8. —9. Jh. bezeichnete es die Bevölkerung, später das Land. Das Wort „Deutschland“ existiert seit dem 15. Jh. Mit dem Adjektiv sind „deuten“, „deutlich“, auch lit. taut„Volk, Nation“, Taut „Deutschland“, russ. òåâòîí verwandt.

fertig — von Fahrt abgeleitet, bedeutete das Wort ahd. und mhd. eigentlich „zur Fahrt bereit, reisefertig sein“, der jetzige Sinn— „zu Ende gebracht, zu Ende gekommen“.

bereit — vom Verb „reiten“ in dessen alter Bedeutung „fahren“ abgeleitet, ei­gentlich „zur Fahrt gerüstet“. Mit „Fahren“ sind die Wörter „Gefahr“ und „Erfah­rung“ verbunden. Goethe sagte: „Was ich nicht erfahren, das habe ich erwandert“.

Reise (> reisen) — urspr. „Aufbruch“, „Heerfahrt“, „Kriegszug“ (engl. to rise — aufstehen, steigen), jetzt — „Fahrt zu einem entfernten Ort“ (ohne Kriegs­pläne), damit verwandt sind „Riese“, „der Reisige“ — „berittener Söldner, Lands­knecht“ (im Mittelalter).

Wie man sieht, hängen mehrere Bedeutungsveränderungen mit Ge­richt, Kriegführung, Fortbewegung zusammen.

Eine Erweiterung ihrer Bedeutung erlebten die oben erwähnten Wörter „Frau“, „Herr“, „hübsch“. Einige Personenbezeichnungen haben den Bedeutungswandel nach dem gleichen Modell durchgemacht — g e m e i n s a m e T ä t i g k e i t:

Gefährte bedeutete urspr. „der mit einem zusammen fährt“, dann allgemein „Begleiter“.

Genosse (von „genießen“ und ahd. nōz „Nutzvieh, Rinder“) bezeichnete früher einen Menschen, der mit einem anderen die Nutznießung einer Sache gemeinsam hat oder einen, der dasselbe Vieh auf der gleichen Weide hat (vgl. russ. òîâàðèù < òîâàð).

Kamerad (lat. camera) bedeutete wörtlich einen „Stubengenossen“. Matrose kommt aus franz. matelot, mniederl. mattenoot, eigentlich „Mat­ten-, Schlafgenosse“. (Auf Schiffen hatten die Matrosen nur je eine Hängematte für zwei Mann, in der diese abwechselnd schlafen konnten). Einige Gegenstandsbezeichnungen:

Feder (s. oben); Gulden: hist. Goldmünze— Münze; Währungseinheit in den Niederlanden, auch: Papiergulden; Mütze: Umhang um Schultern und Kopf der Geistlichen — Kopfbedeckung mit und ohne Schirm; Stoff: Gewebe, Tuch, Kleiderstoff— Material; Gegenstand der Betrachtung; Stube: (engl. stove — „Ofen“) heizbarer Baderaum, darin befindlicher Ofen — Zimmer (russ. èçáà < èñòîïèòú (?); Zweck: Holzpflock oder Nagel, der in der Mitte der Schießschei­be saß — Zielpunkt, Absicht.

Die Bedeutungserweiterung begleitet den Übergang der Wörter aus einemfachsprachlichen Bereich in die Allgemeinsprache. Die Bedeutung entwickelt sich in Richtung vom Konkreten, Einzelnen zum Abstrakten, Allgemeinen.

II.Die Bedeutungsverengung(Spezialisierung der Bedeutung, semantische Reduktion) ist das Gegenstück zur Bedeutungserweiterung. Der ursprünglich weite Bedeutungsumfang verengt sich, die Bedeu­tung entwickelt sich vom Allgemeinen zum Einzelnen oder Besonde­ren. Die veränderte Bedeutung hat dann eine begrenzte Gebrauchs­sphäre.

fahren — bezeichnete ursprünglich jede Art der Fortbewegung wie gehen, rei­ten, schwimmen, im Wagen fahren, reisen. Davon zeugen noch Wendungen wie fahrendes Volk, fahrende Habe; einen Hinweis auf schnelle Bewegung enthalten : Ausdrücke: der Fuchs fährt aus dem Bau; erfuhr mit der Hand übers Gesicht; der Blitz ist in einen Baum gefahren; erfuhr mich an; sie fuhr zusammen. Im heutigen Deutsch versteht man aber unter „fahren“ nur die Fortbewegung auf Wagen, Schiffen, mit der Bahn u. a.

reiten (engl. to ride) — bedeutete im Mittelalter jedes Schaukeln (Fortbewe­gung): in einem Wagen, in einem Schiff (vgl. bereit — reisefertig). Später hat sich die Bedeutung spezialisiert: „sich eines Pferdes, eines Reittieres zur Fortbewegung bedienen“.

Bein— bedeutete urspr. „Knochen“ (engl. bone). Später wurde es auf die größten Knochen der unteren Gliedmaßen, auf die Schenkel übertragen. In Wendungen wie durch Mark und Bein, es friert Stein und Bein ist die alte Bedeutung erhalten geblieben sowie in den Wörtern „Gebein“ — Gesamtheit von Knochen; „Elfenbein“ (ñëîíîâàß êîñòü); „Fischbein“ (êèòîâûé óñ).

Bild — bezeichnet jetzt „Gemälde“, das Werk des Malers und Grafikers, die ursprüngliche, allgemeine Bedeutung „etwas von Menschenhand Geformtes, Gestaltetes“ hat sich in den Wörtern „Bildhauer“, „Marmorbild“ erhalten, z. Â „Und Marmorbilder stehn und sehn mich an“ (Goethe. „Mignon").

Kunst — (von „können“ — ahd. kunnan — abgeleitet) — bezeichnet urspr. jede Art von Können: Bau-, Heil-, Koch-, Kriegs-, Staatskunst, auch Wissen, Wissenschaft: die sieben freien Künste. Späterer folgte eine Einschränkung des Inhaltes auf künstlerische, schöpferische Betätigung des Menschen — schöne Kunst.

Gast (verwandt mit lat. hostis „Feind“, russ. ãîñòü) — bedeutete zuerst „Fremdling“ (vgl: Gasthaus; Fahr-, Fluggast), jetzt aber „eingeladener Mensch“

Getreide (mhd. getregede) — hieß früher alles, „was getragen wird“: Nahrung, Kleidung, Gepäck, Last, Bodenertrag, seit dem 14. Jh. auf „Körnerfrucht“ eingeengt.

gerben (ahd. garawen) — bedeutete urspr. „gar, fertig machen“, später hat es sich auf „Leder bereiten“ eingeengt.

Gift (ahd. gift „das Geben, Gabe, das Gegebene“; engl. gift— Gabe, Ge­schenk) — erfuhr eine Spezialisierung auf das heutige „vergiftender, tötender Stoff“. Die alte Bedeutung hat sich noch in „Mitgift“ erhalten (das Gift, aber: die Mitgift).

ledig — hat seine ursprüngliche Bedeutung von „unbehindert, ungebunden, frei“ zu „unverheiratet, frei von ehelicher Bindung“ entwickelt.

Miete (got. mizdō, engl. meed, russ. ìçäà „Lohn, Entgelt“) — hatte die allge­meine Bedeutung „Lohn, Bezahlung“, ist jetzt auf den „Geldbetrag für die Be­nutzung einer Wohnung“ beschränkt.

Schirm — bezeichnete urspr. den Schild des Kämpfers. Der allgemeine Be­griff des mittelalterlichen und rechtlichen Schutzes steckt in der Formel „Schutz und Schirm" und in „Schirmherr" — „Protektor". Als Schutzvorrichtung ist es in Ofen-, Lampen-, Mützenschirm vertreten, das einfache Wort meint heute den Regen- oder Sonnenschirm.

III.Bei der Bedeutungsübertragungwerden neue Gegenstände und Sachverhalte mit bereits vorhandenen Formativen auf Grund einer Ähn­lichkeit oder Assoziation benannt. Genauer gesagt geht es in diesem Fall um Bezeichnungsübertragung. Ähnlichkeit (Vergleich) ergibt die Meta­pher; wenn zwischen den Begriffen eine logische Beziehung in Zeit, Raum, Grund und Folge besteht, liegt die Metonymievor. Speziell wird auch der Euphemismus(verhüllender und beschönigender Ausdruck) erörtert.

1. Die Metapher (griech. meta — „über“, phero — „trage“) ist die Über­tragung der Namensbezeichnung auf Grund einer äußeren und inneren Ähnlichkeit. Die Metapher ist ein Prozess (Metaphorisierung) und das Resul­tat der Bezeichnungsübertragung, z. B. Schlange — 2. „lange Reihe hin­tereinander stehender, wartender Menschen (auch Autos)“ ist eine über­tragene Bedeutung von Schlange — 1. „Schuppenkriechtier“. Funktional gesehen können die Metaphern eine benennende (nominative) Funktion erfüllen (Feldschlange — altes Geschütz mit kleinem Kaliber und langem Rohr; Papierschlange ñåðïàíòèí) und eine wertende, expressive (oft abwertende) Funktion übernehmen: du falsche Schlange! (von einer Frau); Schlange, du lügst!. (Schiller).

In einem Text können die beiden lexikalisch-semantischen Varianten (direkte und übertragene Bedeutung) gleichzeitig realisiert werden. So entsteht eine Doppeldeutigkeit mit Humoreffekt, wie im DDR-Witz: Was macht ein DDR-Bürger, wenn er in der Wüste plötzlich eine Schlange sieht? Er stellt sich sofort an.

Je nach Anwendungsbereich unterscheidet man poetische(stilistische) und lexikalische(sprachliche) Metaphern. Die poetische Metapher ist ausdrucksvoller und bildhafter, sie fällt gleich auf, wird leicht erkannt: die Flamme der Liebe, ein Strom von Erinnerungen.

In jeder Sprachgemeinschaft sind die Gebrauchsmetaphern(òðàäè­öèîííûå ìåòàôîðû-êëèøå) gut bekannt und geläufig.

Je nach dem Typ der Ähnlichkeit und dem Charakter der Bedeutungs­beziehungen unterscheidet man mehrere Abarten der Metapher. Als Grundlage der semantischen Übertragung dienen die Ähnlichkeit der Form und Lage (Schlange, Kopf eines Nagels, Rücken eines Messers, eines Buches, eines Berges, Tischbein, Brustkorb, Augapfel; Linse — 1. Sa­men einer Pflanze; 2. geschliffenes Glas in optischen Geräten u. a.); die Ähnlichkeit der Farbe (Scharlach: Farbe, grellrot gefärbter Wollstoff; ansteckende Kinderkrankheit mit rotem Hautausschlag); die Ähnlichkeit der Funktion (neue Bedeutungen infolge des Sachwandels — s. oben: Feder, Fensterscheibe; Wagen; Hund als Förderkarren im Bergwerk, frü­her von Hunden befördert); Ähnlichkeit der Charakterzüge oder des Äußeren. Auf der Mythologie und Kulturgeschichte aufbauend, nennt man einen schönen Mann — Apollo, einen eifersüchti­gen — Othello, eine schöne Frau — Venus, Aphrodite, eine zänkische Frau — Xanthippe, einen reichen Mann — Krösus, einen Kunstförderer — Mäzen (nach Maecenas, dem Vertrauten des Kaisers Augustus, einem Gönner der Dichter Horaz und Vergil).

Verbreitet sind in vielen Sprachen die oben erwähnten Tiermeta­phern (vom Modell Tier — Mensch'), die die Funktion der Charakteris­tik und zuweilen die von Schimpfwörtern übernehmen: Esel, Kamel, Hund, Gans, Schlange, Schwein. Metaphorischen Sinn haben auch verbale Bildun­gen wie äffen, eseln, fuchsen, büffeln, ochsen, unken (vgl. Stepanova, Cernyseva, 2003, 42).

Viele Metaphern stellen eine Übertragung vom Konkreten zum Abstrakten dar: Grund, m — 1. Boden; 2. das Unterste von etw.: der G. des Meeres; 3. (übertr.) Ursache: wahrer, beruflicher G.; Spur, f — 1. Abdruck des Trittes von Menschen, Tieren; Abdruck von Rädern, Kufen im Boden, im Schnee; 2. (übertr.) Zeichen; Überreste: Spuren von Tränen, einer Krankheit, des Alters; Zweig, m — 1.. Ast; 2. Teilbereich, Fachrich­tung: ein Z. der Wissenschaft, der Industrie. Viele Verben des Den­kens und Füh1ens sind metaphorisch aus dem Bereich manueller, physischer Tätigkeit gewonnen: begreifen, erfassen, sich vorstellen, verste­hen (ahd. farstän — aus dem Rechtsausdruck: er versteht seine Sache = er vertritt sie vor dem Gericht), etw. überlegen, etw. erwägen, empfinden, spüren.

Eine besondere Art der Metapher ist die Personifizierung(Verlebendigung, Vermenschlichung). Das ist die Ausstattung unbelebter Erscheinungen mit Eigenschaften, Gefühlen, Handlungsweisen belebter Wesen, die Übertragung „belebt — unbelebt“: die Uhr geht, der Wind erhebt sich / legt sich, die Sonne lacht. In anderen Heften aber fuhr er {Doktor Mantelsack) mit breiter und zorniger Feder umher und überschwemmte sie mit Rot (Th. Mann). Manche von diesen Ausdrücken sind so gebräuchlich und alltäglich, dass sie nicht mehr als Metaphern empfunden werden: die Stun­de ist gekommen, ein Gerücht geht um, die Jahre gehen, seine Augen spre­chen. Auf dem Mittelfinger saß ein Ring mit einer Perle (Heine).

Eine Sonderart der Metapher ist die Synästhesie(aus dem Griech. „zu­gleich wahrnehmen“), d. h. die Übertragung von einem Sinnesbereich auf einen anderen, z. B. von akustischer zu optischer Wahrnehmung: schreien­de, kreischende Farben; von optischer zu akustischer Wahrnehmung: helle Stimme, dunkle, helle Töne (vgl. çåë¸íûé øóì von N. Nekrassov). Eine an­dere Definition: Verbindung von Wörtern, die verschiedene Sinnesempfin­dungen ausdrücken, wobei eine von beiden übertragene Bedeutung erhält: seidene Stimme, trockene Worte, saftige Witze, satte, kalte, warme Farben.

Bei der synästhetischen Metapher verweist S. U11 m a n n auf eine Ten­denz: die Übertragung von den „niederen“ Sinnen auf „höhere“ ist häu­figer als umgekehrt. Der Ausgangspunkt der Synästhesie ist vorwiegend der taktile Bereich (der Tastsinn), die akustische Wahrnehmung ist das häufigste Ziel der Übertragung: weiche, scharfe Stimme; harte, weiche Töne; harte Aussprache; harte, trockene Worte.

S.Ullmann betrachtet als semantische Universalien (Eigenschaften, die alle — oder die meisten — natürlichen Sprachen besitzen) die wich­tigsten Arten der metaphorischen Übertragung: 1) „Expansion“ auf Grund emotionaler Ladung, z. Â.: Putin ist ein Senkrechtstarter in der Po­litik (derjenige, der schnell eine steile Karriere macht); 2) „Anthropomorphismus“ (d.h. Übertragung menschlicher Gestalt, Verhaltensweisen, Maßstäbe auf die Sprache wie in: Flussarm, Flaschenhals, Na­gelkopf; 3) „Übertragung von konkret zu abstrakt“, wie in: brei­tes Interesse, hohe Ideale; ein warmer, frostiger Empfang; 4) „Sy­nästhesie“.

Was die Wortartverteilung betrifft, besteht die folgende Meinung (Lewandowski, 1976): die Metapher kommt am häufigsten bei Substantiven vor, in der Umgangssprache sind Metaphern oft unter Verben und Adjek­tiven anzutreffen.

In der Stilistik werden aus kommunikativ-pragmatischer Sicht vier Arten der Metaphern ausführlich behandelt: Personifizierung, Allegorie{Frau Sorge; Frühling als lieblicher Jüngling; Sonne als Frau), Symbol{grün — Sinnbild der Hoffnung, des Gedeihens; rot — Sinnbild der Liebe und des Lebens, Taube — Sinnbild der Unschuld und des Friedens), Sy­nästhesie(s. Riesel, Schendels, 1975, 219—223).

2. Die Metonymie (griech. meta — „über“, ōnoma — „Name“, wörtlich — „Umbenennung“) ist eine Art Bezeichnungsübertragung auf Grund mannigfaltiger logischer Beziehungen. Diese sind räumlicher, zeitlicher, ursächlicher (kausaler) Art, Beziehungen zwischen Handlung und ihrem Resultat, Subjekt der Handlung, Mittel und Werkzeug der Handlung, Raum (Behälter) und Inhalt u. a., z. B. Übersetzung als Prozess und Re­sultat der Handlung, Schlaukopf — ein schlauer Mensch, das ganze Haus — alle Bewohner des Hauses.

Ebenfalls wie bei der Metapher unterscheidet man die poetische(stilis­tische) und die lexikalischeMetonymie. Poetische Metonymien sind meist Einmalbildungen und werden in der Stilistik erforscht:

Schwarze Röcke, seidne Strümpfe, Weiße, höfliche Manschetten. (Heine)

Einige Beispiele für lexikalische Metonymie:

Frauenzimmer — urspr. „Frauengemach und die Gesamtheit der dort woh­nenden weiblichen Personen“ (räumliche Assoziation), im 17. Jh. auf die ein­zelne Person übertragen; heute — salopp, abwertend, scherzhaft oder verächt­lich: ein widerliches F.

Mappe— urspr. „Landkarte“ (engl. map), dann metonymisch— „Um­schlagtuch für Landkarten“, heute— „Aktendeckel, aus Pappe bestehende Hülle zum Aufbewahren von Papieren, Büchern“.

Messe — urspr. „kirchliche Feier“, dann— nach zeitlicher Assoziation — „Tag, an dem eine Messe gelesen wurde“ (daher: Kirchmesse, Kirmes), später — „der an solchem Festtag abgehaltene Jahrmarkt“, heute liegen zwei Homonyme vor: I. katholischer Gottesdienst; II. große (internationale) Ausstellung von neuen Warenmustern, bei der Geschäfte abgeschlossen werden: die Leipziger Messe.

Eine Reihe von Metonymien haben einige Stadien der Bedeutungs­entwicklung durchgemacht. Person (lat. persona „Maske des Schauspie­lers“) ist im Deutschen seit dem 13. Jh. belegt. Der Entwicklungsweg enthält einige Stationen: Person > Maske > {Charakterrolle > Mensch. Eine mehrstufige Entwicklung ist bei Mahlzeit belegt: Mahlzeit > Essenszeit > Essen > Gruß um die Mittagszeit.

Eine verbreitete Sonderart der Metonymie ist die Synekdoche (zu griech. „mit verstehen“) — die Namensübertragung auf Grund der Bezie­hung zwischen dem Ganzen und dessen Teil. Anders gesagt ist es Vertau­schung der Bezeichnungen zwischen dem Ganzen und einem Teil, wobei besonders häufig ein Teil stellvertretend für das Ganze steht, lat. pars pro toto: „Schwert“ statt „Waffe“, „Kiel“ statt „Schiff', „der Römer“ statt „alle Römer“, „pro Kopf der Bevölkerung“ für „pro Einwohner“. Er­setzt wird etwas Allgemeines durch Besonderes, Abstraktes durch Kon­kretes, Gattung durch Art, Einzelwesen und umgekehrt. In der Stilistik wird die Synekdoche als eine Art des Tropus betrachtet.

Weitere Beispiele für die Übertragung pars pro toto: er ist ein kluger Kopf = ein kluger Mensch); er verdient sich sein Brot (= seinen Lebensun­terhalt) durch schwere Arbeit; das ist nicht für fremde Ohren bestimmt (andere dürfen es nicht wissen); mein Fuß wird nie deine Schwelle betreten (= ich werde nie dein Haus betreten); er kam nach dem verhetzten Tag in seine vier Wände (= seine Wohnung).

Zur Synekdoche der ersten Art gehören die so genannten Bahuwrihi: das Bahuwrihi (sanskr. „viel Reis (habend)“ — metonymische Bezeichnung für einen reichen Mann) ist eine Zusammensetzung, dir einen Menschen / eine Sache nach einem charakteristischen Merkmal benennt: nach einem Körperteil, Kleidungsstück: Dickkopf, Dummkopf, Schlaukopf, Geizhals, Schreihals, Langbein, Langfinger (Taschendieb), Langohr (Esel), Pfeffersack (reicher Händler), Ritter Blaubart (Frauenmörder), Blauhelm (UNO-Soldat), Blauhemd (in der Ex-DDR— Mitglied der FDJ), Blaujacke (Matrose), Blaustrumpf(gelehrte Frau), Grün schnabel (vorlautes Kind), Löwenzahn (Pflanze — îäóâàí÷èê), Schwalbenschwanz (Frack; Tagfalter).

Die zweite Abart der Synekdoche, wenn das Ganze den Teil vertritt (totum pro parte), ist weniger verbreitet, z.B. man sagt: Die gestrige Gesell­schaft war sehr interessant, aber gemeint sind ein paar Menschen; Wir haben uns eine Ewigkeit nicht gesehen (in Wirklichkeit — ein paar Wochen).

— Die metonymische Namensübertragung nach dem Modell „Raum, Ort“— „die dort befindlichen Personen“: das Auditorium— 1. Hörsaal; 2. Zuhörerschaft; das ganze Haus/Dorf (alle Bewohner) war auf den Bei­nen. Solche Wörter wie Schule, Universität, Theater, Bibliothek, Kranken­haus, Hotel, Parlament u. a. haben ein reguläres Mikrosystem von Seme­men mit metonymischen Beziehungen: Lehranstalt, Einrichtung; Gebäu­de; die Angehörigen (Lehrer — Schüler; Dozenten — Studenten; Zu­schauer, Leser, Patienten, Gäste usw.).

— Die Übertragung vom Behälter auf den Inhalt: Glas, Tasse, statt Tee, Kaffee; Flasche statt Bier, Wein u. a. — „Er trank rasch sein Glas leer" (A. Seghers).

— Das Modell 'Kleidungsstück — Körperteil' (und umgekehrt):

Schoß — 1. Körperteil, Knie; auch: Mutterleib; Sie nahm die Katze auf den S.; 2. Teil des Kleidungsstückes: Rockschoß.

Kragen bedeutete urspr. „Hals“ (tschech. krk— „Hals“). Die alte Bedeutung hat sich in festen Wortverbindungen erhalten wie jm/j-n den Kragen kosten (= den Hals, das Leben), bei j-m geht es um Kopf und Kragen od. ist in großer Gefahr).

— Die Übertragung 'Ort — was dort verfertigt wird, was aus diesem Ort stammt' (Gerät, Getränk, Frucht, Stoff u. a.):

Bajonett, n (Seitengewehr) — benannt nach dem Herstellungsort, der Stadt Bayonne im südwestl. Frankreich;

Baldachin, m (Traghimmel) < (ital.) Baldacco, ital. Bezeichnung für Bag­dad, urspr. „Seidenstoff aus Bagdad“;

Champagner, m (Schaumwein) — nach der franz. Landschaft Champagne;

Kognak, m (Weinbrand) — nach der franz. Stadt Cognac;

Malaga, m — Süßwein aus Malaga (Spanien);

Mokka, m (Kaffeesorte) — nach der jemenitischen Stadt Mokka am Roten Meer (früher: Hafen für Kaffee-Export);

Mosel, m — Wein von der Mosel;

Portwein, m — dunkler süßer Wein — nach dem portugiesischen Ausfuhrha­fen Porto (port. Oporto);

Brasil — 1. m Tabak-, Kaffeesorte; 2./Zigarre — zu Brasilien;

Havanna— 1./Zigarre; 2. m Tabaksorte — nach der kubanischen Hauptstadt;

Damast, m — Gewebe mit gleichfarbigem Muster — nach der syrischen (Hauptstadt Damaskus;

Ispahan, m — Teppich mit Blütenmusterung — nach der iranischen Stadt Isfahan;

Persianer, m — 1. Fell des jungen Karakulschafes; 2. (ugs.) Mantel aus diesem Fell — nach Persien;

Pfirsich, m — Südfrucht — aus vulgärlat. Persica — „persische (Frucht)“; Lipizzaner. m — Warmblutpferderasse — nach dem Gestütsort Lipizza bei Triest;

Boston— 1. n Kartenspiel; 2. m langsamer Walzer — nach der Hauptstadt des Staates Massachusetts, USA;

Manchester, m — kräftiger Kordsamt (âåëüâåò) — nach der englischen Stadt.

— Verbreitet sind metonymische Übertragungen vom Namen des Sachschöpfers, des Erfinders auf sein Werk:

Ohm, n — Maßeinheit des elektrischen Widerstandes — nach dem deutschen Physiker Georg S. Ohm (1789—1854);

Röntgen, n — Maßeinheit für die Bestrahlungsdosis — nach dem deutschen Physiker Wilhelm C. Röntgen (1845—1923), der Röntgenstrahlen entdeckt hat; dazu: röntgen (j-n, etw. ~) — mit Röntgenstrahlen durchleuchten, untersuchen;

Gobelin, m — Wandteppich mit kunstvoll eingewirkten Bildern — nach einer im 15. Jh. lebenden, aus Reims (Frankreich) stammenden Färberfamilie;

Guillotine. f — Fallbeil, Hinrichtungsmaschine — nach dem Pariser Arzt .I. Guillotin (1738—1814), der sie in der Zeit der Französischen Revolution erfunden hat;

Mansarde. f— Zimmer im Dachstuhl — nach dem franz. Architekten J. Hardouin-Mansart (17. Jh.);

Pullman (wagen), m — bequem ausgestatteter Eisenbahnwagen — nach dem (amerikanischen Industriellen George M. Pullman (1831 —1897);

Zeppelin, m — lenkbares, mit Gas gefülltes Luftschiff— nach dem Erfinder, Ferdinand Graf von Zeppelin (1838—1917);

Raglanärmel, m — Ärmel, der am Kragen über der Schulter angesetzt ist — engl., nach Lord Raglan (1788 —1855), dem englischen Befehlshaber im Krimkrieg, der einen Mantel von solchem Schnitt trug;

Litfasssäule. f — Anschlagsäule— nach ihrem Erfinder E. Litfass (1816 — 1874), der sie 1855 erstmals in Berlin aufstellen ließ;

Schrebergarten, m — kleiner Garten innerhalb einer Gartenkolonie, am Rand der Stadt— nach dem Begründer, dem Arzt Daniel G. M. Schreber (1808-1861);

Zwei Wörter aus dem Zweiten Weltkrieg mit Übertragung des Grund­wortes:

Molotow-Cocktail. m — Flasche mit leicht entzündbarer Flüssigkeit zur Nahbekämpfung von Panzern— nach dem sowjetischen Außenministei V. M. Molotow (1890 —1986);

Stalinorgel. f — Vorrichtung zum gleichzeitigen Abfeuern von Raketengeschossen — nach dem sowjetischen Diktator (1879—1953) (russ. «êàòþøà»),

— Die Namensübertragung vom Stoff auf den Gegenstand, der daraus hergestellt wird, kann man durch Beispiele veranschaulichen wie:

Aquarell, n (ital.) — urspr. Wasserfarben, daraufhin ein mit Wasserfarben ge­maltes Bild;

Brille — nach dem Mineral Beryll, der ursprünglich als Stoff zur Herstellung von Brillen diente; Glas -> Trinkgefäß, Trinkglas; Fernglas, Opernglas; = Brille: er muss bereits Gläser tragen; sie konnte im Alter ohne G. lesen;

Gold — 1. wertvolles Edelmetall > Goldmünze, Geldstück aus 1 (vgl. Gut den, eigtl. „der Güldene“): er bezahlt in G.; olympisches Gold (Goldmedaille): Schmuckstück aus 1: er schmückte sie mit G. und Edelsteinen; Tafelgeschirr: die Adligen speisten von G. und Silber;

Papyrus, m — aus Papyrusstauden (Grasart im alten Ägypten) hergestelltes Schreibmaterial - > Schreibstück daraus -> Papier;

Porzellan — 1. weißer keramischer Werkstoff; 2. Geschirr aus 1: heute essen wir vom guten P.; 3. Gegenstand aus 1: in dieser Sammlung sind kostbare Porzella­ne aus China und Sachsen zu sehen;

Stahl — 2. (dicht.) Dolch, Schwert aus 1: vom tödlichen S. durchbohrt, sank er zu Boden.

— Die Namensübertragung 'Handlung, Prozess — Resultat der Hand­lung': Sammlung, Sendung, Zeichnung; Ladung1. ïîãðóçêà, çàãðóçêà; 2. ãðóç, êëàäü; 3. (âîåí.) çàðßä; 4. (ýë.) çàðßäêà (àêêóìóëßòîðà). Das Wort „Fang“ zeigt eine metonymische Ausstrahlung (radiale Polysemie): 1. das Fangen; 2. das, was man gefangen hat: a) Beute; b) (ugs.) Ausbeu­te, Erfolg; 3. Fangwerkzeug: a) (PL) Krallen des Raubvogels; b) (Pl.) Reiß­zähne des Hundes und anderer Tiere.

— Das Modell 'abstrakter Begriff: Eigenschaft, Fähigkeit — Mensch als Träger dieser Eigenschaft': Begabung: er hat B. zum Lehrer — er ist eine junge B. in der modernen Musik; er hat Talenter ist ein großes Talent; die Schönheit der Natur, der Frau — sie ist eine berühmte Schön­heit.

3. Die dritte Art des Bedeutungswandels hängt mit Euphemismen zusammen. Unter Euphemismus (griech. eu „gut“ + pheme „Rede“) ver­steht man eine verhüllende, beschönigende, mildernde Umschreibung für ein anstößiges oder unangenehmes Wort (und entsprechende Begriffe). Anders sagt man „Verhüllung", „Hüllwort", z.B.: „geistige Umnach­tung“ für Wahnsinn oder „einschlafen“, „entschlummern“ für sterben. Der Gebrauch von verhüllenden Ausdrücken kann Grund für die Be­deutungsentwicklung sein. Unter dem Einfluss der verhüllenden Wort­verbindung „in anderen Umständen sein“ (= schwanger sein) entstan­den solche Komposita wie: Umstandsbadeanzug, -kleid, -kleidung (îäåæäà äëß áåðåìåííûõ æåíùèí).

Je nach der Herkunft und der kommunikativ - pragmatischen Intention lassen sich die Euphemismen in vier Gruppen eintei­len (s. Iskos, Lenkowa, 1970, 159): religiöse, sozial-moralische, gesell­schaftlich-ästhetische und politische.

1. ReligiöseEuphemismen entstanden aus Aberglauben und Furcht [vor natürlichen und übernatürlichen Wesen in alter Zeit. Diese Erschei­nung wurzelt im T a b u (polynesisch — „verboten“) der Naturvölker. Das war die Vorschrift und Praxis, bestimmte Gegenstände, Personen, Tiere zu meiden. Religiöse Euphemismen (ehemalige Tabuwörter) sind z.B. der Allwissende, der Allmächtige, Er, der himmlische Richter für „Gott“, der Böse, der Schwarze, der Versucher, Gottseibeiuns für den „Teufel“, der Braune (das Tabuwort ahd. bero) für „Bär“. Dieses große Tier war ge­fürchtet, man hütete sich, seinen Namen auszusprechen. Für „Teufel" gibt es also viele euphemistische Umschreibungen, z. Â.: Henker, Kuckuck, Geier, weiß der Henker, der Henker soll es holen; scher dich zum Kuckuck, weiß der Kuckuck; dass dich der Geier!

Die Sprachforscher sind der Meinung, dass es im Deutschen eine ganze Menge (etwa vierhundert) Euphemismen zum Verb „sterben“ gibt: ableben, einschlummern, entschlummern, heimgehen, hinübergehen, verscheiden, ausleiden, erblassen, erblei­chen u. a. Die Euphemismen haben hier eine schonende Wirkung.

2. Sozial-moralischeEuphemismen werden durch ethische Normen der Gesellschaft bedingt. Um die Schattenseiten des Lebens irgend­wie zu beschönigen und zu verhüllen (aus welchen Gründen es auch sein mag — aus klassenmäßigen oder allgemein menschlichen), bedient man sich mildernder Umschreibungen. Das betrifft solche negativen Erschei­nungen wie das Trinken, den Diebstahl, die Prostitution, die Leidenschaft für das Kartenspiel und andere Laster. „Lüge“ wird durch Anekdote, Chronik, Fantasie, Unwahrheit umschrieben, „lügen“ — durch dichten, fantasieren, die Wahrheit verschweigen, spinnen. So sagt man statt „sich betrin­ken“, „betrunken sein“: sich benebeln, zu tief ins Glas gesehen/geguckt haben, zu viel auf die Lampe gießen; angeheitert, berauscht, blau, veilchen­blau sein, schief / schwer geladen haben.

3. Gesellschaftlich-ästhetischeEuphemismen entstanden als gesunde Reaktion auf Verstöße gegen den Anstand und angenommene Verhaltens­normen. Direkte Bezeichnungen für physiologische Prozesse und Zustände werden gemieden oder umschrieben, das Unangenehme wird anstands­halber nicht beim rechten Namen genannt. Aus Rücksichtnahme und Ästhetik werden andere Wörter gebraucht: statt „dicke Frau“ sagt man „korpulente, vollschlanke, mollige Dame“, transpirieren steht für „schwitzen“, „riechen und duften“ — für „stinken“ usw. Das Wort „schwanger“ wird euphemistisch ersetzt durch die Wendungen: sie ist in anderen Umständen, guter Hoffnung, gesegneten Leibes; statt „gebären" sagt man: dem Kinde das Leben schenken, das Kind zur Welt bringen.

Aus Prüderie und Rücksichtnahme auf andere sagt man: Freundin für „Geliebte", ein Verhältnis haben im Sinne „Liebesver­hältnis".

Scherz und Selbstironie sind oft Anlässe zum Gebrauch solcher Ausdrücke wie Zweitfrisur für „Perücke“, dritte Zähne für „künstliches Gebiss“.

Aus sozial bedingten Prestigegründen werden frühere Berufsbezeichnungen durch neue Namen abgelöst: Agrarier (statt Bauer), Reinigungskraft (statt Putzfrau), Entbindungspflegerin (statt Hebamme).

Die Bedeutungsveränderung geht in diesem Bereich dahin, dass sich der Euphemismus mit der Zeit abnutzt und die Bedeutung des Wortes und des Begriffes annimmt, den es verhüllend nannte. Es kommt hier zu einem Synonymschub. So hat das Adjektiv krank in seiner jetzigen Bedeutung das gemeingermanische siech (engl. sick, davon — Sucht) ver­drängt. Im Mittelhochdeutschen bedeutete krank „schwach, gering, nich­tig"; statt siech wurde es für den ansteckenden Zustand der Aussätzigen (ïðîêàæ¸ííûå) gebraucht. Die ältere Bedeutung „schwach“ hat dieses Wort im 16. Jh. eingebüßt.

4. PolitischeEuphemismen dienen der Verschleierung und Tarnung tatsächlicher Sachverhalte. Früher hielten wir für politische „Hüllwörter“ solche Lexeme, wie Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Sozialpart­nerschaft. Mit dem Strukturwandel der sozial-politischen Verhältnisse können wir jetzt diese Begriffe adäquater auffassen. In bestimmten Si­tuationen werden heute als verhüllende Wörter solche Lexeme angese­hen, wie Abwicklung (zuweilen im Sinne „Schließung der Betriebe und Institutionen“), Engpass (Mangel; beschränkt verfügbare Materialien, Arbeitskräfte), Nullwachstum (Stagnation), Minuswachstum (Produkti­onsrückgang).

B. Neben der logischen Gliederung der Arten von Bedeutungswandel besteht eine psychologische Klassifikation.H. Paul und A. Waag spra­chen auch von der Werterhöhung und Wertsenkung der Wörter. So kann man im Rahmen der Bedeutungsverengung zwei psychologisch bedingte Prozesse betrachten: a) Bedeutungsverbesserung(Wertsteigerung, seman­tische Melioration): Marschall (eigentlich: Stallknecht); Genosse (früher: „der dasselbe Vieh hat“); Minister (von lat. minus, eigtl. „der geringere, Diener“); auch: Arbeit, hübsch; b) Bedeutungsverschlechterung(Wertmin­derung, semantische Pejoration): gemein (früher: zusammengehörig, jetzt — schlecht, niederträchtig); Dirne (früher: Dienerin, jetzt — „käuf­liches Mädchen“); Knecht (engl. knight „Ritter“, früher: nahe mit „Kna­be, Knappe, Edelknecht“).


Date: 2015-02-03; view: 4833


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