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Die deutsche Sprache in der Schweiz

Die deutschsprachige Schweiz ist ein Gebiet medialer Diglossie. Es gibt kein „Schweizerdeutsch“ im Sinne eines überregionalen einheitlichen gesprochenen oder geschriebenen Standards. Die schriftliche Kommunikation vollzieht sich in der deutschen Standardsprache, deren Wortschatz Helvetismen enthält, die mündliche in der Mundart.

Es gibt keine gesamtschweizerische Ausgleichsmundart oder eine überregionale Umgangssprache. Dadurch ist auch der Stellenwert der Mundart anders als in Deutschland. Alle deutschsprachigen Schweizer verfügen aktiv und passiv über Dialektkompetenz. Es gibt soziale Grenzen zwischen Mundart und Hochsprache nicht einmal in den Großstädten. Gesprochen wird auf Konferenzen, selbst in Universitäten und Hochschulen, in der Mundart.

Das Hochalemannische, dessen größten Teil die Schweizer Mundarten ausma­chen, wird zwar auch im Süden Baden-Württembergs gesprochen, aber dort hat es neben dem breiten Übergangsfeld der Umgangssprache eine andere Geltung.

Der schriftlichen und offiziellen mündlichen Kommunikation (wie Predigt) dient die deutsche Schrift- und Hochsprache, die Standardsprache. Die Unterschiede zwischen Mundart und Standard sind meist lautlicher Natur, die Sprechform einer Mundart ist in Lexikon, Semantik, Syntax und Valenz mit dem Standard im Wesentlichen identisch. Da „Schweizerdeutsch“ die ge­sprochenen Mundarten meint, also generell Mundart gesprochen wird, fehlt den Mundarten jede Art sozialer Markierung.

Aber die Standardsprache zeigt Eigenarten, die sich im Wesentlichen aus zwei Einflusssphären herleiten: Die Mundarten und die benachbarten romanischen Spra­chen, das Französische und das Italienische, wirken auf die Lexik ein. Schweizerdeutsch ist bis zu einem gewissen Grad ein Deutsch mit romanischem Akzent. Deutsche Wörter sind z. T. in der Schweiz unbe­kannt, wie Bürgersteig oder Fußweg. Hier gilt nur Trottoir. Auf romanische Einflüs­se gehen auch zurück Autocar - Bus für Ausflugsfahrten, Trottinett - Roller. Wörter übernehmen zusätzliche Bedeutungen, die in der Standardsprache nicht gegeben sind: Tochter bedeutet wie südwestdeutsch „Angestellte“: Saaltochter, Ladentochter. Base bedeutet auch „Tante“, Putsch auch „Stoß“, Sack bedeutet zusätzlich „Tasche“, „Beutel“. Mundartliche Einflüsse wirken auch auf die Wortbildung: Altjahr analog zu Neujahr, wohnsässig aus wohnhaft und ansässig. Auch in die deutsche Sprache in der Schweiz dringt zunehmend angloamerikanisches Wortgut ein.

Für nur in der Schweiz gebrauchtes schriftsprachliches Wortgut der deutschen Sprache gibt es verschiedene Gründe:

- Wörter, die früher auch in Deutschland verwendet wurden, sind nur in der Schweiz erhalten geblieben.

- Wörter oberdeutscher Mundarten sind nur in der Schweiz in die Schriftsprache übernommen worden.

- Wortbildungskonstruktionen lassen die Stammwörter nicht mehr erkennen.



Als schweizerisch können folgende Wörter der Schriftsprache gelten:

Substantive: Bunt – „eingezäuntes Stück Land“, Fegnest- „unruhiger Geist“, beson­ders von Kindern, Kefe – „frühe Erbse“, Anken – „Butter“, Finken – „Hausschuh“, Kabis – „Weißkraut“, Anstößer – „Grundstücksnachbar“, Gastung – „Beherber­gung und Bedienung von Gästen“.

Adjektive: aper- ,schneefrei', busper- ,wohlauf, hilb - , windgeschützt'.

Verben: ganten – „öffentlich versteigern“, güllen –„Jauche ausbringen“, knorzen –„sich abmühen“, koldern – „sich streiten, sich aufregen“.

Vom Hochdeutschen abweichende Verben: amten - amtieren, entlöhnen - entloh­nen, vergenauern - genauer machen, garagieren – „den Wagen in die Garage fahren“.

Die Wortbildung zeigt ebenfalls schweizerische Besonderheiten. Verbalsubstan­tive werden affixlos auf dem Weg der impliziten Derivation gebildet: Ablad, Entlad, Einlad - das Ab-, Ent-, Einladen; Vorweis - das Vorweisen, Beschrieb -Beschreibung, Einschrieb - Einschreiben, Verschrieb - Verschreibung. Die Ab­leitungssuffixe -e, -i bei Täubi („Wut, Zorn“), Finstere „Finsternis“, -et -ete in Heuet, Putzete, Schießet sind schweizerische Spezifika.

Im Deutsch der Schweiz werden ökonomisch Systemlücken der binnendeutschen Standardsprache gefüllt. Verben werden durch suffixlose Ableitung in weit stär­kerem Maße gebildet: arzten – „den Arztberuf ausüben“, alpen – „das Vieh auf die Bergweide führen“.

Auch vom Hochdeutschen abweichende Funktionswörter sind festzustellen:

Adverbien: allerenden (überall), allgemacht (allmählich), erst noch (noch oben­drein), stetsfort (fortwährend).

Präpositionen: emmet - jenseits + Dativ, innert - innerhalb + Gen./Dat.

Helvetismen aus fremden Sprachen haben im Deutschen keine Entsprechung: Gilet – „Weste“, Jupe – „Rock“, Konfiserie – „Konditorei“.

 

 


Date: 2015-02-03; view: 1093


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